Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewisse Absicht verbindet, heißt seine Fabel. So heißt die Erdichtung, welche er durch die Epopee, durch das Drama herrschen läßt, die Fa- bel seiner Epopee, die Fabel seines Drama.
Von diesen Fabeln ist hier die Rede nicht. Mein Gegenstand ist die sogenannte Aesopische Fabel. Auch diese ist eine Erdichtung; eine Erdichtung, die auf einen gewissen Zweck abzielet.
Man erlaube mir, gleich Anfangs ein Sprung in die Mitte meiner Materie zu thun, um eine An- merkung daraus herzuhohlen, auf die sich eine ge- wisse Eintheilung der Aesopischen Fabel gründet, de- ren ich in der Folge zu oft gedenken werde, und die mir so bekannt nicht scheinet, daß ich sie, auf gut Glück, bey meinen Lesern voraussetzen dürfte.
Aeso-
H
I. Von dem Weſen der Fabel.
Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewiſſe Abſicht verbindet, heißt ſeine Fabel. So heißt die Erdichtung, welche er durch die Epopee, durch das Drama herrſchen läßt, die Fa- bel ſeiner Epopee, die Fabel ſeines Drama.
Von dieſen Fabeln iſt hier die Rede nicht. Mein Gegenſtand iſt die ſogenannte Aeſopiſche Fabel. Auch dieſe iſt eine Erdichtung; eine Erdichtung, die auf einen gewiſſen Zweck abzielet.
Man erlaube mir, gleich Anfangs ein Sprung in die Mitte meiner Materie zu thun, um eine An- merkung daraus herzuhohlen, auf die ſich eine ge- wiſſe Eintheilung der Aeſopiſchen Fabel gründet, de- ren ich in der Folge zu oft gedenken werde, und die mir ſo bekannt nicht ſcheinet, daß ich ſie, auf gut Glück, bey meinen Leſern vorausſetzen dürfte.
Aeſo-
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[[113]/0133]
I.
Von dem Weſen der Fabel.
Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewiſſe
Abſicht verbindet, heißt ſeine Fabel. So
heißt die Erdichtung, welche er durch die
Epopee, durch das Drama herrſchen läßt, die Fa-
bel ſeiner Epopee, die Fabel ſeines Drama.
Von dieſen Fabeln iſt hier die Rede nicht. Mein
Gegenſtand iſt die ſogenannte Aeſopiſche Fabel.
Auch dieſe iſt eine Erdichtung; eine Erdichtung, die
auf einen gewiſſen Zweck abzielet.
Man erlaube mir, gleich Anfangs ein Sprung
in die Mitte meiner Materie zu thun, um eine An-
merkung daraus herzuhohlen, auf die ſich eine ge-
wiſſe Eintheilung der Aeſopiſchen Fabel gründet, de-
ren ich in der Folge zu oft gedenken werde, und die
mir ſo bekannt nicht ſcheinet, daß ich ſie, auf gut
Glück, bey meinen Leſern vorausſetzen dürfte.
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. [113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/133>, abgerufen am 04.03.2025.
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