Glaubet mir, Freunde; die grosse Welt ist nicht für den Weisen, ist nicht für den Dichter! Man kennet da ihren wahren Werth nicht, und ach! sie sind oft schwach genug, ihn mit einem nichtigen zu vertauschen.
In den ersten Zeiten war die Schwalbe ein eben so tonreicher, melodischer Vogel, als die Nachtigall. Sie ward es aber bald müde, in den einsamen Bü- schen zu wohnen, und da von niemand, als dem fleissigen Landmanne und der unschuldigen Schäfe- rinn gehöret und bewundert zu werden. Sie ver- ließ ihre demüthigere Freundin, und zog in die Stadt. -- Was geschah? Weil man in der Stadt nicht Zeit hatte, ihr göttliches Lied zu hören, so verlernte sie es nach und nach, und lernte dafür -- bauen.
XXV. Der
XXIV. DieSchwalbe.
Glaubet mir, Freunde; die groſſe Welt iſt nicht für den Weiſen, iſt nicht für den Dichter! Man kennet da ihren wahren Werth nicht, und ach! ſie ſind oft ſchwach genug, ihn mit einem nichtigen zu vertauſchen.
In den erſten Zeiten war die Schwalbe ein eben ſo tonreicher, melodiſcher Vogel, als die Nachtigall. Sie ward es aber bald müde, in den einſamen Bü- ſchen zu wohnen, und da von niemand, als dem fleiſſigen Landmanne und der unſchuldigen Schäfe- rinn gehöret und bewundert zu werden. Sie ver- ließ ihre demüthigere Freundin, und zog in die Stadt. — Was geſchah? Weil man in der Stadt nicht Zeit hatte, ihr göttliches Lied zu hören, ſo verlernte ſie es nach und nach, und lernte dafür — bauen.
XXV. Der
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XXIV.
Die Schwalbe.
Glaubet mir, Freunde; die groſſe Welt iſt nicht
für den Weiſen, iſt nicht für den Dichter! Man
kennet da ihren wahren Werth nicht, und ach! ſie
ſind oft ſchwach genug, ihn mit einem nichtigen zu
vertauſchen.
In den erſten Zeiten war die Schwalbe ein eben
ſo tonreicher, melodiſcher Vogel, als die Nachtigall.
Sie ward es aber bald müde, in den einſamen Bü-
ſchen zu wohnen, und da von niemand, als dem
fleiſſigen Landmanne und der unſchuldigen Schäfe-
rinn gehöret und bewundert zu werden. Sie ver-
ließ ihre demüthigere Freundin, und zog in die
Stadt. — Was geſchah? Weil man in der Stadt
nicht Zeit hatte, ihr göttliches Lied zu hören, ſo
verlernte ſie es nach und nach, und lernte dafür —
bauen.
XXV. Der
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/124>, abgerufen am 04.03.2025.
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