Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
XXI.
(6)

Ich muß nun schon mein Liebstes daran wenden,
um zu meinem Zwecke zu gelangen! dachte der Wolf,
und kam zu dem sechsten Schäfer.

Schäfer, wie gefällt dir mein Belz? fragte der Wolf.

Dein Belz? sagte der Schäfer. Laß sehen! Er ist
schön; die Hunde müssen dich nicht oft unter ge-
habt haben.

"Nun so höre, Schäfer; ich bin alt, und werde
"es so lange nicht mehr treiben. Füttere mich zu
"Tode; und ich vermache dir meinen Belz."

Ey sieh doch! sagte der Schäfer. Kömmst du
auch hinter die Schliche der alten Geitzhälse? Nein,
nein; dein Belz würde mich am Ende siebenmal
mehr kosten, als er werth wäre. Ist es dir aber
ein Ernst, mir ein Geschenk zu machen, so gieb
mir ihn gleich itzt -- Hiermit grif der Schäfer nach
der Keule, und der Wolf flohe.



XXII. (7)
G 3
XXI.
(6)

Ich muß nun ſchon mein Liebſtes daran wenden,
um zu meinem Zwecke zu gelangen! dachte der Wolf,
und kam zu dem ſechſten Schäfer.

Schäfer, wie gefällt dir mein Belz? fragte der Wolf.

Dein Belz? ſagte der Schäfer. Laß ſehen! Er iſt
ſchön; die Hunde müſſen dich nicht oft unter ge-
habt haben.

„Nun ſo höre, Schäfer; ich bin alt, und werde
„es ſo lange nicht mehr treiben. Füttere mich zu
„Tode; und ich vermache dir meinen Belz.“

Ey ſieh doch! ſagte der Schäfer. Kömmſt du
auch hinter die Schliche der alten Geitzhälſe? Nein,
nein; dein Belz würde mich am Ende ſiebenmal
mehr koſten, als er werth wäre. Iſt es dir aber
ein Ernſt, mir ein Geſchenk zu machen, ſo gieb
mir ihn gleich itzt — Hiermit grif der Schäfer nach
der Keule, und der Wolf flohe.



XXII. (7)
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0121" n="101"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XXI</hi>.</hi><lb/>
(6)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch muß nun &#x017F;chon mein Lieb&#x017F;tes daran wenden,<lb/>
um zu meinem Zwecke zu gelangen! dachte der Wolf,<lb/>
und kam zu dem &#x017F;ech&#x017F;ten Schäfer.</p><lb/>
          <p>Schäfer, wie gefällt dir mein Belz? fragte der Wolf.</p><lb/>
          <p>Dein Belz? &#x017F;agte der Schäfer. Laß &#x017F;ehen! Er i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chön; die Hunde mü&#x017F;&#x017F;en dich nicht oft unter ge-<lb/>
habt haben.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun &#x017F;o höre, Schäfer; ich bin alt, und werde<lb/>
&#x201E;es &#x017F;o lange nicht mehr treiben. Füttere mich zu<lb/>
&#x201E;Tode; und ich vermache dir meinen Belz.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ey &#x017F;ieh doch! &#x017F;agte der Schäfer. Kömm&#x017F;t du<lb/>
auch hinter die Schliche der alten Geitzhäl&#x017F;e? Nein,<lb/>
nein; dein Belz würde mich am Ende &#x017F;iebenmal<lb/>
mehr ko&#x017F;ten, als er werth wäre. I&#x017F;t es dir aber<lb/>
ein Ern&#x017F;t, mir ein Ge&#x017F;chenk zu machen, &#x017F;o gieb<lb/>
mir ihn gleich itzt &#x2014; Hiermit grif der Schäfer nach<lb/>
der Keule, und der Wolf flohe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">XXII.</hi> (7)</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0121] XXI. (6) Ich muß nun ſchon mein Liebſtes daran wenden, um zu meinem Zwecke zu gelangen! dachte der Wolf, und kam zu dem ſechſten Schäfer. Schäfer, wie gefällt dir mein Belz? fragte der Wolf. Dein Belz? ſagte der Schäfer. Laß ſehen! Er iſt ſchön; die Hunde müſſen dich nicht oft unter ge- habt haben. „Nun ſo höre, Schäfer; ich bin alt, und werde „es ſo lange nicht mehr treiben. Füttere mich zu „Tode; und ich vermache dir meinen Belz.“ Ey ſieh doch! ſagte der Schäfer. Kömmſt du auch hinter die Schliche der alten Geitzhälſe? Nein, nein; dein Belz würde mich am Ende ſiebenmal mehr koſten, als er werth wäre. Iſt es dir aber ein Ernſt, mir ein Geſchenk zu machen, ſo gieb mir ihn gleich itzt — Hiermit grif der Schäfer nach der Keule, und der Wolf flohe. XXII. (7) G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/121
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/121>, abgerufen am 03.12.2024.