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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Wenn dieser Priester in seiner Religion nicht
eben so unwissend war, als es der Dichter zu seyn
scheinet, so konnte er einen solchen Rath unmög-
lich geben. Sie duldet durchaus keine Bilder
in ihren Moscheen. Cronegk verräth sich in
mehrern Stücken, daß ihm eine sehr unrichtige
Vorstellung von dem mahomedanischen Glauben
beygewohnet. Der gröbste Fehler aber ist, daß
er eine Religion überall des Polytheismus schul-
dig macht, die fast mehr als jede andere auf die
Einheit Gottes dringet. Die Moschee heißt
ihm "ein Sitz der falschen Götter," und den
Priester selbst läßt er ausrufen:

"So wollt ihr euch noch nicht mit Rach und
Strafe rüsten,
"Ihr Götter? Blitzt, vertilgt, das freche Volk
der Christen!

Der sorgsame Schauspieler hat in seiner Tracht
das Costume, vom Scheitel bis zur Zehe, genau
zu beobachten gesucht; und er muß solche Unge-
reimtheiten sagen!

Beym Tasso kömmt das Marienbild aus der
Moschee weg, ohne daß man eigentlich weiß,
ob es von Menschenhänden entwendet worden,
oder ob eine höhere Macht dabey im Spiele ge-
wesen. Cronegk macht den Olint zum Thäter.
Zwar verwandelt er das Marienbild in "ein

Bild

Wenn dieſer Prieſter in ſeiner Religion nicht
eben ſo unwiſſend war, als es der Dichter zu ſeyn
ſcheinet, ſo konnte er einen ſolchen Rath unmoͤg-
lich geben. Sie duldet durchaus keine Bilder
in ihren Moſcheen. Cronegk verraͤth ſich in
mehrern Stuͤcken, daß ihm eine ſehr unrichtige
Vorſtellung von dem mahomedaniſchen Glauben
beygewohnet. Der groͤbſte Fehler aber iſt, daß
er eine Religion uͤberall des Polytheismus ſchul-
dig macht, die faſt mehr als jede andere auf die
Einheit Gottes dringet. Die Moſchee heißt
ihm 〟ein Sitz der falſchen Goͤtter,〟 und den
Prieſter ſelbſt laͤßt er ausrufen:

〟So wollt ihr euch noch nicht mit Rach und
Strafe ruͤſten,
〟Ihr Goͤtter? Blitzt, vertilgt, das freche Volk
der Chriſten!

Der ſorgſame Schauſpieler hat in ſeiner Tracht
das Coſtume, vom Scheitel bis zur Zehe, genau
zu beobachten geſucht; und er muß ſolche Unge-
reimtheiten ſagen!

Beym Taſſo koͤmmt das Marienbild aus der
Moſchee weg, ohne daß man eigentlich weiß,
ob es von Menſchenhaͤnden entwendet worden,
oder ob eine hoͤhere Macht dabey im Spiele ge-
weſen. Cronegk macht den Olint zum Thaͤter.
Zwar verwandelt er das Marienbild in 〟ein

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[4/0018] Wenn dieſer Prieſter in ſeiner Religion nicht eben ſo unwiſſend war, als es der Dichter zu ſeyn ſcheinet, ſo konnte er einen ſolchen Rath unmoͤg- lich geben. Sie duldet durchaus keine Bilder in ihren Moſcheen. Cronegk verraͤth ſich in mehrern Stuͤcken, daß ihm eine ſehr unrichtige Vorſtellung von dem mahomedaniſchen Glauben beygewohnet. Der groͤbſte Fehler aber iſt, daß er eine Religion uͤberall des Polytheismus ſchul- dig macht, die faſt mehr als jede andere auf die Einheit Gottes dringet. Die Moſchee heißt ihm 〟ein Sitz der falſchen Goͤtter,〟 und den Prieſter ſelbſt laͤßt er ausrufen: 〟So wollt ihr euch noch nicht mit Rach und Strafe ruͤſten, 〟Ihr Goͤtter? Blitzt, vertilgt, das freche Volk der Chriſten! Der ſorgſame Schauſpieler hat in ſeiner Tracht das Coſtume, vom Scheitel bis zur Zehe, genau zu beobachten geſucht; und er muß ſolche Unge- reimtheiten ſagen! Beym Taſſo koͤmmt das Marienbild aus der Moſchee weg, ohne daß man eigentlich weiß, ob es von Menſchenhaͤnden entwendet worden, oder ob eine hoͤhere Macht dabey im Spiele ge- weſen. Cronegk macht den Olint zum Thaͤter. Zwar verwandelt er das Marienbild in 〟ein Bild

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/18>, abgerufen am 27.04.2024.