anlautenden Casusendungen. Gegenüber der Uebereinstimmung der anderen Sprachen in -ai- kann man in dem n nur eine litauische Neubildung vermuthen. An ein Eindringen vom acc. plur. darf schwerlich gedacht werden, eine befrie- digende Erkärung weiss ich aber nicht zu geben, umsoweniger, als aus den An- gaben nicht zu entnehmen ist, wo und in welchem Umfange die Formen mit n noch vorkommen. Nur auf eins möchte ich aufmerksam machen: in der älteren Sprache, zum Theil auch jetzt noch im Hochlitauischen, in Ostlitauen aber sehr verbreitet (vgl. Geitler, Lit. Studien p. 57) ist die Verbindung des acc. plur. mit der Postposition -na (abgekürzt -n) zur Bezeichnung der Richtung, von den Sprechenden, wie es scheint, geradezu als Casusform empfunden (von Bara- nowski nach Geitlers Angabe als cas. impositivus bezeichnet). Es entsteht auf diese Weise ein loc. plur. der Richtung auf ein scheinbares Suffix -sna (darbus-na = darbuns- aus darbans-, acc. plur. + na) neben einem loc. plur. der Ruhe auf -su, -se, und es scheint mir nicht undenkbar, dass dieser sich an jenen angelehnt und von ihm das -uns-, -us- angenommen habe. Da sich a- und u-stämme im acc. plur. nicht unterscheiden, werden beide Stammclassen davon betroffen. Es wird dieser Vorgang um so leichter eingetreten sein, als sich bei den übrigen Stämmen der Vocal des acc. plur. in der Verbindung mit -na vom Vocal des loc. plur. nicht unterscheidet: ausser der Verbindung mit dem -na heisst z. B. der acc. plur. von dena denas, loc. deno-se(u), aber mit -na denos-na, da bei der Stellung im Inlaut die alte Länge in der Accusativsilbe unverkürzt bleibt. Von i-stämmen stehen mir keine Beispiele der Verbindung mit -na zu Gebote, der Unterschied könnte auch hier nur ein quantitativer sein, also * akys-na und aki- se(su). Man könnte also die Gleichung aufstellen, denosna: denosu = darbusna: darbusu, letzteres also die ersetzende Analogiebildung für das der slavischen Form entsprechende *darbesu.
III. Die Casus des Duals.
Da im Germanischen der Dual der Nomina nicht erhalten ist, könnten wir denselben hier übergehen, wenn nicht hervorzuheben wäre, dass die Casus des Slavisch-litauischen eine überraschende Gleichheit mit denen der arischen Sprachen zeigen.
Nom.-acc. dualis sind im Slavischen und Litauischen völlig gleich ge- bildet bei den
i-stämmen: slav. nosti, lit. nakti, verkürzt aus * nakti, also = arischem -i (z. B. skrt. avi);
u-st.: slav. syny = * s;n;, lit. s;nu, aus s;n; verkürzt, also = ar. -;, s;n;;
fem. a-st.: slav. race = * rankai, lit. ranki = * ranke (vgl. im Pron. te-dvi) = * rankai, also wie ar. -e.
Die einzige Abweichung zwischen Slavisch und Litauisch findet sich in den
a. Declination der Nomina.
anlautenden Casusendungen. Gegenüber der Uebereinstimmung der anderen Sprachen in -ai- kann man in dem n nur eine litauische Neubildung vermuthen. An ein Eindringen vom acc. plur. darf schwerlich gedacht werden, eine befrie- digende Erkärung weiss ich aber nicht zu geben, umsoweniger, als aus den An- gaben nicht zu entnehmen ist, wo und in welchem Umfange die Formen mit n noch vorkommen. Nur auf eins möchte ich aufmerksam machen: in der älteren Sprache, zum Theil auch jetzt noch im Hochlitauischen, in Ostlitauen aber sehr verbreitet (vgl. Geitler, Lit. Studien p. 57) ist die Verbindung des acc. plur. mit der Postposition -na (abgekürzt -n) zur Bezeichnung der Richtung, von den Sprechenden, wie es scheint, geradezu als Casusform empfunden (von Bara- nowski nach Geitlers Angabe als cas. impositivus bezeichnet). Es entsteht auf diese Weise ein loc. plur. der Richtung auf ein scheinbares Suffix -sna (darbůs-na = darbuns- aus darbans-, acc. plur. + na) neben einem loc. plur. der Ruhe auf -su, -se, und es scheint mir nicht undenkbar, dass dieser sich an jenen angelehnt und von ihm das -uns-, -ůs- angenommen habe. Da sich a- und u-stämme im acc. plur. nicht unterscheiden, werden beide Stammclassen davon betroffen. Es wird dieser Vorgang um so leichter eingetreten sein, als sich bei den übrigen Stämmen der Vocal des acc. plur. in der Verbindung mit -na vom Vocal des loc. plur. nicht unterscheidet: ausser der Verbindung mit dem -na heisst z. B. der acc. plur. von dëna dënăs, loc. dëno-se(u), aber mit -na dënos-na, da bei der Stellung im Inlaut die alte Länge in der Accusativsilbe unverkürzt bleibt. Von i-stämmen stehen mir keine Beispiele der Verbindung mit -na zu Gebote, der Unterschied könnte auch hier nur ein quantitativer sein, also * akys-na und aki- se(su). Man könnte also die Gleichung aufstellen, dënosna: dënosu = darbůsna: darbůsu, letzteres also die ersetzende Analogiebildung für das der slavischen Form entsprechende *darbësu.
III. Die Casus des Duals.
Da im Germanischen der Dual der Nomina nicht erhalten ist, könnten wir denselben hier übergehen, wenn nicht hervorzuheben wäre, dass die Casus des Slavisch-litauischen eine überraschende Gleichheit mit denen der arischen Sprachen zeigen.
Nom.-acc. dualis sind im Slavischen und Litauischen völlig gleich ge- bildet bei den
i-stämmen: slav. noštī, lit. naktì, verkürzt aus * naktī, also = arischem -ī (z. B. skrt. avī);
u-st.: slav. syny = * s؛n؛, lit. s؛nù, aus s؛n؛ verkürzt, also = ar. -؛, s؛n؛;
fem. ā-st.: slav. rącě = * rankai, lit. rankì = * rankë (vgl. im Pron. të́-dvi) = * rankai, also wie ar. -ē.
Die einzige Abweichung zwischen Slavisch und Litauisch findet sich in den
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a. Declination der Nomina.
anlautenden Casusendungen. Gegenüber der Uebereinstimmung der anderen
Sprachen in -ai- kann man in dem n nur eine litauische Neubildung vermuthen.
An ein Eindringen vom acc. plur. darf schwerlich gedacht werden, eine befrie-
digende Erkärung weiss ich aber nicht zu geben, umsoweniger, als aus den An-
gaben nicht zu entnehmen ist, wo und in welchem Umfange die Formen mit n
noch vorkommen. Nur auf eins möchte ich aufmerksam machen: in der älteren
Sprache, zum Theil auch jetzt noch im Hochlitauischen, in Ostlitauen aber sehr
verbreitet (vgl. Geitler, Lit. Studien p. 57) ist die Verbindung des acc. plur. mit
der Postposition -na (abgekürzt -n) zur Bezeichnung der Richtung, von den
Sprechenden, wie es scheint, geradezu als Casusform empfunden (von Bara-
nowski nach Geitlers Angabe als cas. impositivus bezeichnet). Es entsteht auf diese
Weise ein loc. plur. der Richtung auf ein scheinbares Suffix -sna (darbůs-na =
darbuns- aus darbans-, acc. plur. + na) neben einem loc. plur. der Ruhe auf
-su, -se, und es scheint mir nicht undenkbar, dass dieser sich an jenen angelehnt
und von ihm das -uns-, -ůs- angenommen habe. Da sich a- und u-stämme im
acc. plur. nicht unterscheiden, werden beide Stammclassen davon betroffen.
Es wird dieser Vorgang um so leichter eingetreten sein, als sich bei den übrigen
Stämmen der Vocal des acc. plur. in der Verbindung mit -na vom Vocal des loc.
plur. nicht unterscheidet: ausser der Verbindung mit dem -na heisst z. B. der
acc. plur. von dëna dënăs, loc. dëno-se(u), aber mit -na dënos-na, da bei der
Stellung im Inlaut die alte Länge in der Accusativsilbe unverkürzt bleibt. Von
i-stämmen stehen mir keine Beispiele der Verbindung mit -na zu Gebote, der
Unterschied könnte auch hier nur ein quantitativer sein, also * akys-na und aki-
se(su). Man könnte also die Gleichung aufstellen, dënosna: dënosu = darbůsna:
darbůsu, letzteres also die ersetzende Analogiebildung für das der slavischen
Form entsprechende *darbësu.
III. Die Casus des Duals.
Da im Germanischen der Dual der Nomina nicht erhalten ist, könnten wir
denselben hier übergehen, wenn nicht hervorzuheben wäre, dass die Casus des
Slavisch-litauischen eine überraschende Gleichheit mit denen der arischen
Sprachen zeigen.
Nom.-acc. dualis sind im Slavischen und Litauischen völlig gleich ge-
bildet bei den
i-stämmen: slav. noštī, lit. naktì, verkürzt aus * naktī, also = arischem -ī
(z. B. skrt. avī);
u-st.: slav. syny = * s؛n؛, lit. s؛nù, aus s؛n؛ verkürzt, also = ar. -؛, s؛n؛;
fem. ā-st.: slav. rącě = * rankai, lit. rankì = * rankë (vgl. im Pron. të́-dvi)
= * rankai, also wie ar. -ē.
Die einzige Abweichung zwischen Slavisch und Litauisch findet sich in den
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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/142>, abgerufen am 01.01.2025.
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