Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Leichte Trübung. Woher dies plötzliche Verstummen? Und diese Wolken, kummerschwer, Die mir dein Angesicht vermummen, Das erst so froh gestrahlt, woher? "Siehst du den blauen Berg dort ragen, Der Felsen in die Lüfte hebt, An welchen selbst die Gemsen zagen, Und der erschrockne Jäger bebt? -- Von seinem Gipfel schleudre du Ein Steinchen spielend in die Tiefen: Du störst der Lüfte schwanke Ruh, Und Nebel steigen, die dort schliefen. So warfst du, seine Kraft nicht ahnend, Ein Wörtchen mir in meine Brust, Ein Wörtchen, leise, aber mahnend, Und sieh, nun stieg der trübe Wust Von Nebelbildern alter Kränkung Aus ihrer stillen Nachtversenkung." Leichte Trübung. Woher dies ploͤtzliche Verſtummen? Und dieſe Wolken, kummerſchwer, Die mir dein Angeſicht vermummen, Das erſt ſo froh geſtrahlt, woher? „Siehſt du den blauen Berg dort ragen, Der Felſen in die Luͤfte hebt, An welchen ſelbſt die Gemſen zagen, Und der erſchrockne Jaͤger bebt? — Von ſeinem Gipfel ſchleudre du Ein Steinchen ſpielend in die Tiefen: Du ſtoͤrſt der Luͤfte ſchwanke Ruh, Und Nebel ſteigen, die dort ſchliefen. So warfſt du, ſeine Kraft nicht ahnend, Ein Woͤrtchen mir in meine Bruſt, Ein Woͤrtchen, leiſe, aber mahnend, Und ſieh, nun ſtieg der truͤbe Wuſt Von Nebelbildern alter Kraͤnkung Aus ihrer ſtillen Nachtverſenkung.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0089" n="[75]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Leichte Trübung</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>oher dies ploͤtzliche Verſtummen?</l><lb/> <l>Und dieſe Wolken, kummerſchwer,</l><lb/> <l>Die mir dein Angeſicht vermummen,</l><lb/> <l>Das erſt ſo froh geſtrahlt, woher?</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>„Siehſt du den blauen Berg dort ragen,</l><lb/> <l>Der Felſen in die Luͤfte hebt,</l><lb/> <l>An welchen ſelbſt die Gemſen zagen,</l><lb/> <l>Und der erſchrockne Jaͤger bebt? —</l><lb/> <l>Von ſeinem Gipfel ſchleudre du</l><lb/> <l>Ein Steinchen ſpielend in die Tiefen:</l><lb/> <l>Du ſtoͤrſt der Luͤfte ſchwanke Ruh,</l><lb/> <l>Und Nebel ſteigen, die dort ſchliefen.</l><lb/> <l>So warfſt du, ſeine Kraft nicht ahnend,</l><lb/> <l>Ein Woͤrtchen mir in meine Bruſt,</l><lb/> <l>Ein Woͤrtchen, leiſe, aber mahnend,</l><lb/> <l>Und ſieh, nun ſtieg der truͤbe Wuſt</l><lb/> <l>Von Nebelbildern alter Kraͤnkung</l><lb/> <l>Aus ihrer ſtillen Nachtverſenkung.“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[75]/0089]
Leichte Trübung.
Woher dies ploͤtzliche Verſtummen?
Und dieſe Wolken, kummerſchwer,
Die mir dein Angeſicht vermummen,
Das erſt ſo froh geſtrahlt, woher?
„Siehſt du den blauen Berg dort ragen,
Der Felſen in die Luͤfte hebt,
An welchen ſelbſt die Gemſen zagen,
Und der erſchrockne Jaͤger bebt? —
Von ſeinem Gipfel ſchleudre du
Ein Steinchen ſpielend in die Tiefen:
Du ſtoͤrſt der Luͤfte ſchwanke Ruh,
Und Nebel ſteigen, die dort ſchliefen.
So warfſt du, ſeine Kraft nicht ahnend,
Ein Woͤrtchen mir in meine Bruſt,
Ein Woͤrtchen, leiſe, aber mahnend,
Und ſieh, nun ſtieg der truͤbe Wuſt
Von Nebelbildern alter Kraͤnkung
Aus ihrer ſtillen Nachtverſenkung.“
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