Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] braungrün und gleissend, von starcken Geruch. Die Blüten wachsen träubleinweise, oder in Aehren Gestalt; eine iede bestehet aus fünff bis sechs röthlichten Staminibus und Fäslein, welche in einem Kelche stehen, der bis an den Boden herunter zerkerbet ist. Der Samen ist dünne, schier gantz rund und breitlicht, steckt in einer Hülse, die bald als wie ein Sternlein formiret ist, und der Blüte zum Kelch gedienet hat. Die Wurtzel ist holtzig und zaserich. Dieses Kraut wächset an altem Mauerwerck, an den Wegen, und an wüsten ungebaueten Orten. Es soll ein Gift seyn, wann man es innerlich gebrauchen wolte: wie dann die Schweine davon sterben, wann sie es fressen. Zur Artzney wird es gar niemahls gebraucht. Es führet viel Oel, phlegma und Sal essentiale.

Chenopodium kommt von khen, anser, die Gans, und pous, pes, ein Fuß, als ob man sprechen wolte, ein Gänsefuß, dieweil die Blätter dieses Krautes die Gestalt eines Gänsefusses haben sollen.

Chermes.

Chermes.

Kermes.

Kermen.

Coccum infectorium.

Granum baphicum & Coccus baphica.

Scarlatum.

Granum sinctorium.

Coccus tinctorium.

frantzösisch, Graine d'ecarlatte.

teutsch, Chermes, Chermesbeer, Kermes, Kermesbeer, Scharlachbeer.

Ist eine Hülse so groß, als eine Wachholderbeere, rund, glatt und gleissend, schön roth, voll Safts von eben solcher Farbe, hat einen weinhaftigen Geruch, und etwas bittern, noch ziemlich angenehmen Geschmack. Es hanget und klebet, wie sonsten eine Excrescentia und Gewächs, an der Rinde, auch unten und oben an den Blättern der Steineiche, die Caspar Bauhinus genennet hat, Ilex aculeata cocciglandifera, und Johanes Bauhinus Ilex coccigera, teutsch, Kermes- oder Scharlachbeerbaum. Das ist ein kleiner Strauch, dessen Blätter als wie die Blätter der Stechpalmen formiret, iedoch viel kleiner sind, am Rande ausgezackt, voll Stacheln und Spitzen. Seine Aeste bringen einen Hauffen Kätzlein mit Blüten, die wie ein zerschnittenes Schälgen sehen, und keine Frucht nicht hinterlassen. Die Früchte wachsen an besondern Orten, und sind ovale ziemlich dicke Eicheln, an dem einen Ende mit einem auswendig rauhen, grauen Hütlein bedeckt. Die Haut an der Eichel ist fast wie Leder, und umgiebet den Kern, der sich in zwey Stücken theilet. Dieses Bäumlein wächst in warmen Landen, z.E. in Spanien [Spaltenumbruch] und in Portugall, in Languedoc und in Provence.

Der Ursprung der Chermesbeeren ist folgender. Es hänget sich eine Gattung kleiner Würme, wie Wantzen, mit überaus zarten Gespinnste überzogen, an diesen Strauch, und sticht denselben an, damit es seine Nahrung daraus ziehen möge; verursachet dadurch eine Beule, daraus endlich eine runde Hülse entstehet, welche etwan ein Paar Linien im Durchschnitt hält, und ganz voll Saftes wird, der eine trefflich lebhafte, rothe Farbe überkommt, wann er gantz reiff geworden. Dieses kleine Gewürm wickelt sich hernach in seine Hülse, und wird zu einem Wurme, aus diesem aber eine Fliege, die endlich davon fleugt. Dieses haben wir dem Herren Fagon, königlichen Ober-Leib-Medico, zu dancken, und wird durch dasjenige bestätiget, welches sich bey dem auftrocken der Kermesbeeren begiebet: da nämlich eine dermassen grosse Menge kleiner Würmlein und Fliegen, die schier gar nicht zu erkennen, heraus kommt, daß es nicht anders siehet, als ob alles inwendige von der Hülse sich in lauter dergleichen klein Gewürm verkehret hätte, daher nichts überbleibt, als eine ledige und leere Haut. Man verstehet stracks, daß diese kleinen Würmlein und Mücken oder Fliegen von den ersten Würmern kommen, welche sie in die Hülse geleget, nachdem sie drein gerathen. Diesem aber vorzukommen, dieweil das beste von den Chermesbeeren auf solche Art verlohren geht, deshalben lassen einige die Hülsen eine kleine Zeit, bevor sie selbige auftrocknen wollen, in Eßig liegen, damit die Würmer von der Säure sterben mögen.

Die Bauren sammlen die Kermesbeeren, wann sie zeitig worden sind, und bringen sie den Apotheckern, die ziehen den Saft oder die pulpa heraus, davon man den Alkermes Syrup machet; gleichwie ich in meiner Pharmacopoea universali geschrieben habe.

Es wird auch diese Pulpa und Saft, oder das Marck aus den Chermesbeeren getrocknet: dasselbe heist hernachmahls Pastel d'Ecarlatte, und wird von den Färbern gebrauchet.

Ingleichen wird eine gar grosse Menge gantzer Kermesbeeren, zum Gebrauch in der Artzney aufgetreuget, nicht weniger zur Färberey. Die von Montpellier kommen, sind denen vorzuziehen, welche sie aus Portugall herbringen: dann sie sind viel dicker, und haben eine weit lebhaftere Farbe: sie müssen erwehlet werden, wann sie frisch und gantz sind, fein voll und nicht leichte. Die reiffen und frisch gesammleten Chermesbeeren führen viel Oel und Saltz, das eines Theils flüchtig, zum Theil aber fix ist.

Sie stärcken das Hertz, trocknen und halten an: sie stärcken auch den Magen, und ersetzen die verlohrnen Kräfte, verhüten die Mißgeburt, und werden insgemein getrocknet und zu Pulver gestossen gebrauchet; da es doch besser wäre, daß man sich des Saftes oder der Kermes confection bedienete, indem dieser Hülse durchs treugen ihre beste Kraft entgangen ist.

Die Eichel an diesem Strauche ist anziehend und wider die Colic gut, so von Blähungen entstanden, wann sie zerflossen eines Quintleins schwer gebraucht wird.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] braungrün und gleissend, von starcken Geruch. Die Blüten wachsen träubleinweise, oder in Aehren Gestalt; eine iede bestehet aus fünff bis sechs röthlichten Staminibus und Fäslein, welche in einem Kelche stehen, der bis an den Boden herunter zerkerbet ist. Der Samen ist dünne, schier gantz rund und breitlicht, steckt in einer Hülse, die bald als wie ein Sternlein formiret ist, und der Blüte zum Kelch gedienet hat. Die Wurtzel ist holtzig und zaserich. Dieses Kraut wächset an altem Mauerwerck, an den Wegen, und an wüsten ungebaueten Orten. Es soll ein Gift seyn, wann man es innerlich gebrauchen wolte: wie dann die Schweine davon sterben, wann sie es fressen. Zur Artzney wird es gar niemahls gebraucht. Es führet viel Oel, phlegma und Sal essentiale.

Chenopodium kommt von χὴν, anser, die Gans, und ποῦς, pes, ein Fuß, als ob man sprechen wolte, ein Gänsefuß, dieweil die Blätter dieses Krautes die Gestalt eines Gänsefusses haben sollen.

Chermes.

Chermes.

Kermes.

Kermen.

Coccum infectorium.

Granum baphicum & Coccus baphica.

Scarlatum.

Granum sinctorium.

Coccus tinctorium.

frantzösisch, Graine d'écarlatte.

teutsch, Chermes, Chermesbeer, Kermes, Kermesbeer, Scharlachbeer.

Ist eine Hülse so groß, als eine Wachholderbeere, rund, glatt und gleissend, schön roth, voll Safts von eben solcher Farbe, hat einen weinhaftigen Geruch, und etwas bittern, noch ziemlich angenehmen Geschmack. Es hanget und klebet, wie sonsten eine Excrescentia und Gewächs, an der Rinde, auch unten und oben an den Blättern der Steineiche, die Caspar Bauhinus genennet hat, Ilex aculeata cocciglandifera, und Johanes Bauhinus Ilex coccigera, teutsch, Kermes- oder Scharlachbeerbaum. Das ist ein kleiner Strauch, dessen Blätter als wie die Blätter der Stechpalmen formiret, iedoch viel kleiner sind, am Rande ausgezackt, voll Stacheln und Spitzen. Seine Aeste bringen einen Hauffen Kätzlein mit Blüten, die wie ein zerschnittenes Schälgen sehen, und keine Frucht nicht hinterlassen. Die Früchte wachsen an besondern Orten, und sind ovale ziemlich dicke Eicheln, an dem einen Ende mit einem auswendig rauhen, grauen Hütlein bedeckt. Die Haut an der Eichel ist fast wie Leder, und umgiebet den Kern, der sich in zwey Stücken theilet. Dieses Bäumlein wächst in warmen Landen, z.E. in Spanien [Spaltenumbruch] und in Portugall, in Languedoc und in Provence.

Der Ursprung der Chermesbeeren ist folgender. Es hänget sich eine Gattung kleiner Würme, wie Wantzen, mit überaus zarten Gespinnste überzogen, an diesen Strauch, und sticht denselben an, damit es seine Nahrung daraus ziehen möge; verursachet dadurch eine Beule, daraus endlich eine runde Hülse entstehet, welche etwan ein Paar Linien im Durchschnitt hält, und ganz voll Saftes wird, der eine trefflich lebhafte, rothe Farbe überkommt, wann er gantz reiff geworden. Dieses kleine Gewürm wickelt sich hernach in seine Hülse, und wird zu einem Wurme, aus diesem aber eine Fliege, die endlich davon fleugt. Dieses haben wir dem Herren Fagon, königlichen Ober-Leib-Medico, zu dancken, und wird durch dasjenige bestätiget, welches sich bey dem auftrocken der Kermesbeeren begiebet: da nämlich eine dermassen grosse Menge kleiner Würmlein und Fliegen, die schier gar nicht zu erkennen, heraus kommt, daß es nicht anders siehet, als ob alles inwendige von der Hülse sich in lauter dergleichen klein Gewürm verkehret hätte, daher nichts überbleibt, als eine ledige und leere Haut. Man verstehet stracks, daß diese kleinen Würmlein und Mücken oder Fliegen von den ersten Würmern kommen, welche sie in die Hülse geleget, nachdem sie drein gerathen. Diesem aber vorzukommen, dieweil das beste von den Chermesbeeren auf solche Art verlohren geht, deshalben lassen einige die Hülsen eine kleine Zeit, bevor sie selbige auftrocknen wollen, in Eßig liegen, damit die Würmer von der Säure sterben mögen.

Die Bauren sammlen die Kermesbeeren, wann sie zeitig worden sind, und bringen sie den Apotheckern, die ziehen den Saft oder die pulpa heraus, davon man den Alkermes Syrup machet; gleichwie ich in meiner Pharmacopœa universali geschrieben habe.

Es wird auch diese Pulpa und Saft, oder das Marck aus den Chermesbeeren getrocknet: dasselbe heist hernachmahls Pastel d'Ecarlatte, und wird von den Färbern gebrauchet.

Ingleichen wird eine gar grosse Menge gantzer Kermesbeeren, zum Gebrauch in der Artzney aufgetreuget, nicht weniger zur Färberey. Die von Montpellier kommen, sind denen vorzuziehen, welche sie aus Portugall herbringen: dann sie sind viel dicker, und haben eine weit lebhaftere Farbe: sie müssen erwehlet werden, wann sie frisch und gantz sind, fein voll und nicht leichte. Die reiffen und frisch gesammleten Chermesbeeren führen viel Oel und Saltz, das eines Theils flüchtig, zum Theil aber fix ist.

Sie stärcken das Hertz, trocknen und halten an: sie stärcken auch den Magen, und ersetzen die verlohrnen Kräfte, verhüten die Mißgeburt, und werden insgemein getrocknet und zu Pulver gestossen gebrauchet; da es doch besser wäre, daß man sich des Saftes oder der Kermes confection bedienete, indem dieser Hülse durchs treugen ihre beste Kraft entgangen ist.

Die Eichel an diesem Strauche ist anziehend und wider die Colic gut, so von Blähungen entstanden, wann sie zerflossen eines Quintleins schwer gebraucht wird.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <p><pb facs="#f0169"/><cb type="start"/>
braungrün und gleissend, von starcken Geruch. Die Blüten wachsen träubleinweise, oder in Aehren Gestalt; eine iede bestehet aus fünff bis sechs röthlichten <hi rendition="#i">Staminibus</hi> und Fäslein, welche in einem Kelche stehen, der bis an den Boden herunter zerkerbet ist. Der Samen ist dünne, schier gantz rund und breitlicht, steckt in einer Hülse, die bald als wie ein Sternlein formiret ist, und der Blüte zum Kelch gedienet hat. Die Wurtzel ist holtzig und zaserich. Dieses Kraut wächset an <hi rendition="#fr">altem Mauerwerck,</hi> an den <hi rendition="#fr">Wegen,</hi> und an <hi rendition="#fr">wüsten ungebaueten Orten.</hi> Es soll ein Gift seyn, wann man es innerlich gebrauchen wolte: wie dann die Schweine davon sterben, wann sie es fressen. Zur Artzney wird es gar niemahls gebraucht. Es führet viel Oel, <hi rendition="#i">phlegma</hi> und <hi rendition="#i">Sal essentiale.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">Chenopodium</hi> kommt von <hi rendition="#i">&#x03C7;&#x1F74;&#x03BD;, anser,</hi> die <hi rendition="#fr">Gans,</hi> und <hi rendition="#i">&#x03C0;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C2;, pes,</hi> ein <hi rendition="#fr">Fuß,</hi> als ob man sprechen wolte, ein Gänsefuß, dieweil die Blätter dieses Krautes die Gestalt eines Gänsefusses haben sollen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="lexiconEntry">
          <head>Chermes.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Chermes.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Kermes.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Kermen.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Coccum infectorium.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Granum baphicum &amp; Coccus baphica.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Scarlatum.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Granum sinctorium.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#i">Coccus tinctorium.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Graine d'écarlatte.</hi></hi></p><lb/>
          <p>teutsch, <hi rendition="#fr">Chermes, Chermesbeer, Kermes, Kermesbeer, Scharlachbeer.</hi></p><lb/>
          <p>Ist eine Hülse so groß, als eine Wachholderbeere, rund, glatt und gleissend, schön roth, voll Safts von eben solcher Farbe, hat einen weinhaftigen Geruch, und etwas bittern, noch ziemlich angenehmen Geschmack. Es hanget und klebet, wie sonsten eine <hi rendition="#i">Excrescentia</hi> und Gewächs, an der Rinde, auch unten und oben an den Blättern der Steineiche, die <hi rendition="#i">Caspar Bauhinus</hi> genennet hat, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Ilex aculeata cocciglandifera</hi>,</hi> und <hi rendition="#i">Johanes Bauhinus</hi> <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Ilex coccigera</hi></hi>, teutsch, <hi rendition="#fr">Kermes-</hi> oder <hi rendition="#fr">Scharlachbeerbaum.</hi> Das ist ein kleiner Strauch, dessen Blätter als wie die Blätter der Stechpalmen formiret, iedoch viel kleiner sind, am Rande ausgezackt, voll Stacheln und Spitzen. Seine Aeste bringen einen Hauffen Kätzlein mit Blüten, die wie ein zerschnittenes Schälgen sehen, und keine Frucht nicht hinterlassen. Die Früchte wachsen an besondern Orten, und sind ovale ziemlich dicke Eicheln, an dem einen Ende mit einem auswendig rauhen, grauen Hütlein bedeckt. Die Haut an der Eichel ist fast wie Leder, und umgiebet den Kern, der sich in zwey Stücken theilet. Dieses Bäumlein wächst in warmen Landen, z.E. in <hi rendition="#fr">Spanien</hi> <cb/>
und in <hi rendition="#fr">Portugall,</hi> in <hi rendition="#fr">Languedoc</hi> und in <hi rendition="#fr">Provence.</hi></p><lb/>
          <p>Der Ursprung der Chermesbeeren ist folgender. Es hänget sich eine Gattung kleiner Würme, wie Wantzen, mit überaus zarten Gespinnste überzogen, an diesen Strauch, und sticht denselben an, damit es seine Nahrung daraus ziehen möge; verursachet dadurch eine Beule, daraus endlich eine runde Hülse entstehet, welche etwan ein Paar Linien im Durchschnitt hält, und ganz voll Saftes wird, der eine trefflich lebhafte, rothe Farbe überkommt, wann er gantz reiff geworden. Dieses kleine Gewürm wickelt sich hernach in seine Hülse, und wird zu einem Wurme, aus diesem aber eine Fliege, die endlich davon fleugt. Dieses haben wir dem Herren <hi rendition="#i">Fagon,</hi> königlichen Ober-Leib-<hi rendition="#i">Medico,</hi> zu dancken, und wird durch dasjenige bestätiget, welches sich bey dem auftrocken der Kermesbeeren begiebet: da nämlich eine dermassen grosse Menge kleiner Würmlein und Fliegen, die schier gar nicht zu erkennen, heraus kommt, daß es nicht anders siehet, als ob alles inwendige von der Hülse sich in lauter dergleichen klein Gewürm verkehret hätte, daher nichts überbleibt, als eine ledige und leere Haut. Man verstehet stracks, daß diese kleinen Würmlein und Mücken oder Fliegen von den ersten Würmern kommen, welche sie in die Hülse geleget, nachdem sie drein gerathen. Diesem aber vorzukommen, dieweil das beste von den Chermesbeeren auf solche Art verlohren geht, deshalben lassen einige die Hülsen eine kleine Zeit, bevor sie selbige auftrocknen wollen, in Eßig liegen, damit die Würmer von der Säure sterben mögen.</p><lb/>
          <p>Die Bauren sammlen die Kermesbeeren, wann sie zeitig worden sind, und bringen sie den Apotheckern, die ziehen den Saft oder die <hi rendition="#i">pulpa</hi> heraus, davon man den <hi rendition="#i">Alkermes</hi> Syrup machet; gleichwie ich in meiner <hi rendition="#i">Pharmacop&#x0153;a universali</hi> geschrieben habe.</p><lb/>
          <p>Es wird auch diese <hi rendition="#i">Pulpa</hi> und Saft, oder das Marck aus den Chermesbeeren getrocknet: dasselbe heist hernachmahls <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Pastel d'Ecarlatte</hi>,</hi> und wird von den Färbern gebrauchet.</p><lb/>
          <p>Ingleichen wird eine gar grosse Menge gantzer Kermesbeeren, zum Gebrauch in der Artzney aufgetreuget, nicht weniger zur Färberey. Die von Montpellier kommen, sind denen vorzuziehen, welche sie aus Portugall herbringen: dann sie sind viel dicker, und haben eine weit lebhaftere Farbe: sie müssen erwehlet werden, wann sie frisch und gantz sind, fein voll und nicht leichte. Die reiffen und frisch gesammleten Chermesbeeren führen viel Oel und Saltz, das eines Theils flüchtig, zum Theil aber fix ist.</p><lb/>
          <p>Sie stärcken das Hertz, trocknen und halten an: sie stärcken auch den Magen, und ersetzen die verlohrnen Kräfte, verhüten die Mißgeburt, und werden insgemein getrocknet und zu Pulver gestossen gebrauchet; da es doch besser wäre, daß man sich des Saftes oder der <hi rendition="#i">Kermes confection</hi> bedienete, indem dieser Hülse durchs treugen ihre beste Kraft entgangen ist.</p><lb/>
          <p>Die Eichel an diesem Strauche ist anziehend und wider die Colic gut, so von Blähungen entstanden, wann sie zerflossen eines Quintleins schwer gebraucht wird.</p>
          <cb type="end"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] braungrün und gleissend, von starcken Geruch. Die Blüten wachsen träubleinweise, oder in Aehren Gestalt; eine iede bestehet aus fünff bis sechs röthlichten Staminibus und Fäslein, welche in einem Kelche stehen, der bis an den Boden herunter zerkerbet ist. Der Samen ist dünne, schier gantz rund und breitlicht, steckt in einer Hülse, die bald als wie ein Sternlein formiret ist, und der Blüte zum Kelch gedienet hat. Die Wurtzel ist holtzig und zaserich. Dieses Kraut wächset an altem Mauerwerck, an den Wegen, und an wüsten ungebaueten Orten. Es soll ein Gift seyn, wann man es innerlich gebrauchen wolte: wie dann die Schweine davon sterben, wann sie es fressen. Zur Artzney wird es gar niemahls gebraucht. Es führet viel Oel, phlegma und Sal essentiale. Chenopodium kommt von χὴν, anser, die Gans, und ποῦς, pes, ein Fuß, als ob man sprechen wolte, ein Gänsefuß, dieweil die Blätter dieses Krautes die Gestalt eines Gänsefusses haben sollen. Chermes. Chermes. Kermes. Kermen. Coccum infectorium. Granum baphicum & Coccus baphica. Scarlatum. Granum sinctorium. Coccus tinctorium. frantzösisch, Graine d'écarlatte. teutsch, Chermes, Chermesbeer, Kermes, Kermesbeer, Scharlachbeer. Ist eine Hülse so groß, als eine Wachholderbeere, rund, glatt und gleissend, schön roth, voll Safts von eben solcher Farbe, hat einen weinhaftigen Geruch, und etwas bittern, noch ziemlich angenehmen Geschmack. Es hanget und klebet, wie sonsten eine Excrescentia und Gewächs, an der Rinde, auch unten und oben an den Blättern der Steineiche, die Caspar Bauhinus genennet hat, Ilex aculeata cocciglandifera, und Johanes Bauhinus Ilex coccigera, teutsch, Kermes- oder Scharlachbeerbaum. Das ist ein kleiner Strauch, dessen Blätter als wie die Blätter der Stechpalmen formiret, iedoch viel kleiner sind, am Rande ausgezackt, voll Stacheln und Spitzen. Seine Aeste bringen einen Hauffen Kätzlein mit Blüten, die wie ein zerschnittenes Schälgen sehen, und keine Frucht nicht hinterlassen. Die Früchte wachsen an besondern Orten, und sind ovale ziemlich dicke Eicheln, an dem einen Ende mit einem auswendig rauhen, grauen Hütlein bedeckt. Die Haut an der Eichel ist fast wie Leder, und umgiebet den Kern, der sich in zwey Stücken theilet. Dieses Bäumlein wächst in warmen Landen, z.E. in Spanien und in Portugall, in Languedoc und in Provence. Der Ursprung der Chermesbeeren ist folgender. Es hänget sich eine Gattung kleiner Würme, wie Wantzen, mit überaus zarten Gespinnste überzogen, an diesen Strauch, und sticht denselben an, damit es seine Nahrung daraus ziehen möge; verursachet dadurch eine Beule, daraus endlich eine runde Hülse entstehet, welche etwan ein Paar Linien im Durchschnitt hält, und ganz voll Saftes wird, der eine trefflich lebhafte, rothe Farbe überkommt, wann er gantz reiff geworden. Dieses kleine Gewürm wickelt sich hernach in seine Hülse, und wird zu einem Wurme, aus diesem aber eine Fliege, die endlich davon fleugt. Dieses haben wir dem Herren Fagon, königlichen Ober-Leib-Medico, zu dancken, und wird durch dasjenige bestätiget, welches sich bey dem auftrocken der Kermesbeeren begiebet: da nämlich eine dermassen grosse Menge kleiner Würmlein und Fliegen, die schier gar nicht zu erkennen, heraus kommt, daß es nicht anders siehet, als ob alles inwendige von der Hülse sich in lauter dergleichen klein Gewürm verkehret hätte, daher nichts überbleibt, als eine ledige und leere Haut. Man verstehet stracks, daß diese kleinen Würmlein und Mücken oder Fliegen von den ersten Würmern kommen, welche sie in die Hülse geleget, nachdem sie drein gerathen. Diesem aber vorzukommen, dieweil das beste von den Chermesbeeren auf solche Art verlohren geht, deshalben lassen einige die Hülsen eine kleine Zeit, bevor sie selbige auftrocknen wollen, in Eßig liegen, damit die Würmer von der Säure sterben mögen. Die Bauren sammlen die Kermesbeeren, wann sie zeitig worden sind, und bringen sie den Apotheckern, die ziehen den Saft oder die pulpa heraus, davon man den Alkermes Syrup machet; gleichwie ich in meiner Pharmacopœa universali geschrieben habe. Es wird auch diese Pulpa und Saft, oder das Marck aus den Chermesbeeren getrocknet: dasselbe heist hernachmahls Pastel d'Ecarlatte, und wird von den Färbern gebrauchet. Ingleichen wird eine gar grosse Menge gantzer Kermesbeeren, zum Gebrauch in der Artzney aufgetreuget, nicht weniger zur Färberey. Die von Montpellier kommen, sind denen vorzuziehen, welche sie aus Portugall herbringen: dann sie sind viel dicker, und haben eine weit lebhaftere Farbe: sie müssen erwehlet werden, wann sie frisch und gantz sind, fein voll und nicht leichte. Die reiffen und frisch gesammleten Chermesbeeren führen viel Oel und Saltz, das eines Theils flüchtig, zum Theil aber fix ist. Sie stärcken das Hertz, trocknen und halten an: sie stärcken auch den Magen, und ersetzen die verlohrnen Kräfte, verhüten die Mißgeburt, und werden insgemein getrocknet und zu Pulver gestossen gebrauchet; da es doch besser wäre, daß man sich des Saftes oder der Kermes confection bedienete, indem dieser Hülse durchs treugen ihre beste Kraft entgangen ist. Die Eichel an diesem Strauche ist anziehend und wider die Colic gut, so von Blähungen entstanden, wann sie zerflossen eines Quintleins schwer gebraucht wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/169
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/169>, abgerufen am 21.11.2024.