Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Halifax und St. John.
entstehende Halifax sogleich als Sammelpunkt für die gegen Canada
aufzubietenden Streitkräfte bestimmt, und eine ähnliche Rolle fiel dem
Hafen während des Unabhängigkeitskampfes und in der Zeit der
napoleonischen Kriege zu.

Erst nach Aufrichtung der amerikanischen Union ward hier, wie
überhaupt in Canada, die commercielle Thätigkeit durch die Einwan-
derung vieler Tausende königstreuer Elemente (die exilirten Loyalists)
belebt und begann Halifax -- seither zur Hauptstadt von Neu-Schott-
land erhoben -- als Handelsplatz aufzustreben.

Die Stadt bedeckt die flachen Böschungen einer Halbinsel, welche
durch den tief eindringenden "Nordwestarm" gebildet ist. Die breiten,
geraden und senkrecht sich kreuzenden Strassenzüge charakterisiren
die Stadt als eine neue Schöpfung; noch mehr erwecken diesen Ein-
druck aber die mitunter reizend stylisirten hölzernen Häuser, aus
welchen das Gros der Baulichkeiten besteht. Im sogenannten "brick
district" (Ziegeldistrict), dem Geschäftstheil der Stadt, dürfen übrigens
keine neuen Holzhäuser mehr gebaut werden. Halifax besitzt jedoch
auch schöne und imposante Steinbauten, wie die City-Hall, den Bahn-
hof, das Post- und Zollamt, mehrere Kirchen u. dgl.

Die unter 44° 39' nördl. Breite und 63° 34' westl. von Green-
wich und 75 m über dem Meere liegende Citadelle überragt die Stadt
und kreuzt das Feuer mit der gewaltigen Redoute der Georgsinsel,
welche letztere dem sehr belebten Quai gegenüberliegt.

Längs des Quai führt die langgestreckte Water-Street, die Haupt-
handelsstrasse von Halifax, an welcher die Werften und Waaren-
häuser liegen und der grosse Seeverkehr pulsirt. Dort sind die Anlege-
plätze der Oceandampfer und der Ferryboote, welche die Verbindung mit
dem industriellen Vororte Dartmouth besorgen, der gegenüber der Stadt
auf der östlichen Hafenseite freundlich an der Küste lagert. Am Quai
liegt weiter nördlich das weitläufige 1758 gegründete Seearsenal
(Navy Yard) der englischen Flottenstation, das zu den grössten ähn-
lichen Etablissements am amerikanischen Continente zählt und neuestens
einen Trockendock in Granitbau erhielt, der Schiffe bis zu 170 m
Länge aufnehmen kann.

Anschliessend an das Arsenal erblickt man das hübsche Gebäude
der Intercolonial-Eisenbahn, deren Endstation Halifax bildet. Der
Schienenstrang führt von hier längs der Küste nördlich, übersetzt
auf einer Pfeilerbrücke die Enge des Bedford-Basins, berührt Dart-
mouth und zieht dann weiter gegen Canada.


Halifax und St. John.
entstehende Halifax sogleich als Sammelpunkt für die gegen Canada
aufzubietenden Streitkräfte bestimmt, und eine ähnliche Rolle fiel dem
Hafen während des Unabhängigkeitskampfes und in der Zeit der
napoleonischen Kriege zu.

Erst nach Aufrichtung der amerikanischen Union ward hier, wie
überhaupt in Canada, die commercielle Thätigkeit durch die Einwan-
derung vieler Tausende königstreuer Elemente (die exilirten Loyalists)
belebt und begann Halifax — seither zur Hauptstadt von Neu-Schott-
land erhoben — als Handelsplatz aufzustreben.

Die Stadt bedeckt die flachen Böschungen einer Halbinsel, welche
durch den tief eindringenden „Nordwestarm“ gebildet ist. Die breiten,
geraden und senkrecht sich kreuzenden Strassenzüge charakterisiren
die Stadt als eine neue Schöpfung; noch mehr erwecken diesen Ein-
druck aber die mitunter reizend stylisirten hölzernen Häuser, aus
welchen das Gros der Baulichkeiten besteht. Im sogenannten „brick
district“ (Ziegeldistrict), dem Geschäftstheil der Stadt, dürfen übrigens
keine neuen Holzhäuser mehr gebaut werden. Halifax besitzt jedoch
auch schöne und imposante Steinbauten, wie die City-Hall, den Bahn-
hof, das Post- und Zollamt, mehrere Kirchen u. dgl.

Die unter 44° 39′ nördl. Breite und 63° 34′ westl. von Green-
wich und 75 m über dem Meere liegende Citadelle überragt die Stadt
und kreuzt das Feuer mit der gewaltigen Redoute der Georgsinsel,
welche letztere dem sehr belebten Quai gegenüberliegt.

Längs des Quai führt die langgestreckte Water-Street, die Haupt-
handelsstrasse von Halifax, an welcher die Werften und Waaren-
häuser liegen und der grosse Seeverkehr pulsirt. Dort sind die Anlege-
plätze der Oceandampfer und der Ferryboote, welche die Verbindung mit
dem industriellen Vororte Dartmouth besorgen, der gegenüber der Stadt
auf der östlichen Hafenseite freundlich an der Küste lagert. Am Quai
liegt weiter nördlich das weitläufige 1758 gegründete Seearsenal
(Navy Yard) der englischen Flottenstation, das zu den grössten ähn-
lichen Etablissements am amerikanischen Continente zählt und neuestens
einen Trockendock in Granitbau erhielt, der Schiffe bis zu 170 m
Länge aufnehmen kann.

Anschliessend an das Arsenal erblickt man das hübsche Gebäude
der Intercolonial-Eisenbahn, deren Endstation Halifax bildet. Der
Schienenstrang führt von hier längs der Küste nördlich, übersetzt
auf einer Pfeilerbrücke die Enge des Bedford-Basins, berührt Dart-
mouth und zieht dann weiter gegen Canada.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="23"/><fw place="top" type="header">Halifax und St. John.</fw><lb/>
entstehende Halifax sogleich als Sammelpunkt für die gegen Canada<lb/>
aufzubietenden Streitkräfte bestimmt, und eine ähnliche Rolle fiel dem<lb/>
Hafen während des Unabhängigkeitskampfes und in der Zeit der<lb/>
napoleonischen Kriege zu.</p><lb/>
          <p>Erst nach Aufrichtung der amerikanischen Union ward hier, wie<lb/>
überhaupt in Canada, die commercielle Thätigkeit durch die Einwan-<lb/>
derung vieler Tausende königstreuer Elemente (die exilirten Loyalists)<lb/>
belebt und begann Halifax &#x2014; seither zur Hauptstadt von Neu-Schott-<lb/>
land erhoben &#x2014; als Handelsplatz aufzustreben.</p><lb/>
          <p>Die Stadt bedeckt die flachen Böschungen einer Halbinsel, welche<lb/>
durch den tief eindringenden &#x201E;Nordwestarm&#x201C; gebildet ist. Die breiten,<lb/>
geraden und senkrecht sich kreuzenden Strassenzüge charakterisiren<lb/>
die Stadt als eine neue Schöpfung; noch mehr erwecken diesen Ein-<lb/>
druck aber die mitunter reizend stylisirten hölzernen Häuser, aus<lb/>
welchen das Gros der Baulichkeiten besteht. Im sogenannten &#x201E;brick<lb/>
district&#x201C; (Ziegeldistrict), dem Geschäftstheil der Stadt, dürfen übrigens<lb/>
keine neuen Holzhäuser mehr gebaut werden. Halifax besitzt jedoch<lb/>
auch schöne und imposante Steinbauten, wie die City-Hall, den Bahn-<lb/>
hof, das Post- und Zollamt, mehrere Kirchen u. dgl.</p><lb/>
          <p>Die unter 44° 39&#x2032; nördl. Breite und 63° 34&#x2032; westl. von Green-<lb/>
wich und 75 <hi rendition="#i">m</hi> über dem Meere liegende Citadelle überragt die Stadt<lb/>
und kreuzt das Feuer mit der gewaltigen Redoute der Georgsinsel,<lb/>
welche letztere dem sehr belebten Quai gegenüberliegt.</p><lb/>
          <p>Längs des Quai führt die langgestreckte Water-Street, die Haupt-<lb/>
handelsstrasse von Halifax, an welcher die Werften und Waaren-<lb/>
häuser liegen und der grosse Seeverkehr pulsirt. Dort sind die Anlege-<lb/>
plätze der Oceandampfer und der Ferryboote, welche die Verbindung mit<lb/>
dem industriellen Vororte Dartmouth besorgen, der gegenüber der Stadt<lb/>
auf der östlichen Hafenseite freundlich an der Küste lagert. Am Quai<lb/>
liegt weiter nördlich das weitläufige 1758 gegründete Seearsenal<lb/>
(Navy Yard) der englischen Flottenstation, das zu den grössten ähn-<lb/>
lichen Etablissements am amerikanischen Continente zählt und neuestens<lb/>
einen Trockendock in Granitbau erhielt, der Schiffe bis zu 170 <hi rendition="#i">m</hi><lb/>
Länge aufnehmen kann.</p><lb/>
          <p>Anschliessend an das Arsenal erblickt man das hübsche Gebäude<lb/>
der Intercolonial-Eisenbahn, deren Endstation Halifax bildet. Der<lb/>
Schienenstrang führt von hier längs der Küste nördlich, übersetzt<lb/>
auf einer Pfeilerbrücke die Enge des Bedford-Basins, berührt Dart-<lb/>
mouth und zieht dann weiter gegen Canada.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0039] Halifax und St. John. entstehende Halifax sogleich als Sammelpunkt für die gegen Canada aufzubietenden Streitkräfte bestimmt, und eine ähnliche Rolle fiel dem Hafen während des Unabhängigkeitskampfes und in der Zeit der napoleonischen Kriege zu. Erst nach Aufrichtung der amerikanischen Union ward hier, wie überhaupt in Canada, die commercielle Thätigkeit durch die Einwan- derung vieler Tausende königstreuer Elemente (die exilirten Loyalists) belebt und begann Halifax — seither zur Hauptstadt von Neu-Schott- land erhoben — als Handelsplatz aufzustreben. Die Stadt bedeckt die flachen Böschungen einer Halbinsel, welche durch den tief eindringenden „Nordwestarm“ gebildet ist. Die breiten, geraden und senkrecht sich kreuzenden Strassenzüge charakterisiren die Stadt als eine neue Schöpfung; noch mehr erwecken diesen Ein- druck aber die mitunter reizend stylisirten hölzernen Häuser, aus welchen das Gros der Baulichkeiten besteht. Im sogenannten „brick district“ (Ziegeldistrict), dem Geschäftstheil der Stadt, dürfen übrigens keine neuen Holzhäuser mehr gebaut werden. Halifax besitzt jedoch auch schöne und imposante Steinbauten, wie die City-Hall, den Bahn- hof, das Post- und Zollamt, mehrere Kirchen u. dgl. Die unter 44° 39′ nördl. Breite und 63° 34′ westl. von Green- wich und 75 m über dem Meere liegende Citadelle überragt die Stadt und kreuzt das Feuer mit der gewaltigen Redoute der Georgsinsel, welche letztere dem sehr belebten Quai gegenüberliegt. Längs des Quai führt die langgestreckte Water-Street, die Haupt- handelsstrasse von Halifax, an welcher die Werften und Waaren- häuser liegen und der grosse Seeverkehr pulsirt. Dort sind die Anlege- plätze der Oceandampfer und der Ferryboote, welche die Verbindung mit dem industriellen Vororte Dartmouth besorgen, der gegenüber der Stadt auf der östlichen Hafenseite freundlich an der Küste lagert. Am Quai liegt weiter nördlich das weitläufige 1758 gegründete Seearsenal (Navy Yard) der englischen Flottenstation, das zu den grössten ähn- lichen Etablissements am amerikanischen Continente zählt und neuestens einen Trockendock in Granitbau erhielt, der Schiffe bis zu 170 m Länge aufnehmen kann. Anschliessend an das Arsenal erblickt man das hübsche Gebäude der Intercolonial-Eisenbahn, deren Endstation Halifax bildet. Der Schienenstrang führt von hier längs der Küste nördlich, übersetzt auf einer Pfeilerbrücke die Enge des Bedford-Basins, berührt Dart- mouth und zieht dann weiter gegen Canada.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/39
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/39>, abgerufen am 26.04.2024.