Die Ostseite des grossen Oceans ist geschlossen und einförmig, seine Küste hafenarm, und schon in geringer Entfernung von dieser erheben die Anden ihre schneebedeckten Häupter. So bleibt nur wenig Raum für reiche Küstenlandschaften, und die Verbindung mit dem Innern ist schwierig und theuer.
Von allen Häfen der ganzen langgestreckten Westküste Amerikas sind nur zwei von grösserer Bedeutung: Valparaiso und S. Francisco.
Im Jahre 1536 durch den spanischen Officier Juan de Saa- vedra als Hafen für die landeinwärts angelegte Hauptstadt Santiago gegründet, erhielt Valparaiso vom Gründer den Namen seines bei Cuenca in Spanien gelegenen Geburtsortes. Die Anlage der Haupt- städte einige leguas landeinwärts geschah der Seeräuber wegen, welche es nicht wagten, sich so weit von ihren Schiffen zu entfernen, und sich mit der Plünderung der Häfen begnügten, so lange diese Punkte nicht befestigt waren. Man ist heute bei der Ankunft in Valparaiso erstaunt, gerade diesen Punkt der Erde "Val paraiso", Thal des Paradieses, genannt zu finden, da diese Bezeichnung weder zum landschaftlichen Bilde der Stadt, die von kahlen, zerklüfteten Hügeln eingefasst ist, noch zur Vorstellung eines behaglichen oder beschaulichen Lebens der dort Ansässigen, noch auch nur mit Bezug auf einen etwa sehr sicheren Ankerplatz passend ist. Von der Beute- sucht kühner Abenteurer, den Kriegen des Landes und von dem zer- störenden Wirken feindlicher Naturgewalten wiederholt und schwer mitgenommen, ist Valparaiso stets ein Mittelpunkt fieberhafter Thätig- keit und ruhelosen Schaffens gewesen. Die einst kleine und unbe- deutende Stadt ist in den letzten 60 Jahren mächtig emporgeblüht; dem Meere, das früher die Abhänge der Cerros bespülte, wurde durch Anschüttungen ein weites Terrain abgewonnen und wo jetzt schöne Strassen führen, lagen einst Schiffe vor Anker.
Valparaiso.
Die Ostseite des grossen Oceans ist geschlossen und einförmig, seine Küste hafenarm, und schon in geringer Entfernung von dieser erheben die Anden ihre schneebedeckten Häupter. So bleibt nur wenig Raum für reiche Küstenlandschaften, und die Verbindung mit dem Innern ist schwierig und theuer.
Von allen Häfen der ganzen langgestreckten Westküste Amerikas sind nur zwei von grösserer Bedeutung: Valparaiso und S. Francisco.
Im Jahre 1536 durch den spanischen Officier Juan de Saa- vedra als Hafen für die landeinwärts angelegte Hauptstadt Santiago gegründet, erhielt Valparaiso vom Gründer den Namen seines bei Cuenca in Spanien gelegenen Geburtsortes. Die Anlage der Haupt- städte einige leguas landeinwärts geschah der Seeräuber wegen, welche es nicht wagten, sich so weit von ihren Schiffen zu entfernen, und sich mit der Plünderung der Häfen begnügten, so lange diese Punkte nicht befestigt waren. Man ist heute bei der Ankunft in Valparaiso erstaunt, gerade diesen Punkt der Erde „Val paraiso“, Thal des Paradieses, genannt zu finden, da diese Bezeichnung weder zum landschaftlichen Bilde der Stadt, die von kahlen, zerklüfteten Hügeln eingefasst ist, noch zur Vorstellung eines behaglichen oder beschaulichen Lebens der dort Ansässigen, noch auch nur mit Bezug auf einen etwa sehr sicheren Ankerplatz passend ist. Von der Beute- sucht kühner Abenteurer, den Kriegen des Landes und von dem zer- störenden Wirken feindlicher Naturgewalten wiederholt und schwer mitgenommen, ist Valparaiso stets ein Mittelpunkt fieberhafter Thätig- keit und ruhelosen Schaffens gewesen. Die einst kleine und unbe- deutende Stadt ist in den letzten 60 Jahren mächtig emporgeblüht; dem Meere, das früher die Abhänge der Cerros bespülte, wurde durch Anschüttungen ein weites Terrain abgewonnen und wo jetzt schöne Strassen führen, lagen einst Schiffe vor Anker.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0325"n="[309]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Valparaiso.</hi></head><lb/><p>Die Ostseite des grossen Oceans ist geschlossen und einförmig,<lb/>
seine Küste hafenarm, und schon in geringer Entfernung von dieser<lb/>
erheben die Anden ihre schneebedeckten Häupter. So bleibt nur wenig<lb/>
Raum für reiche Küstenlandschaften, und die Verbindung mit dem<lb/>
Innern ist schwierig und theuer.</p><lb/><p>Von allen Häfen der ganzen langgestreckten Westküste Amerikas<lb/>
sind nur zwei von grösserer Bedeutung: Valparaiso und S. Francisco.</p><lb/><p>Im Jahre 1536 durch den spanischen Officier Juan de Saa-<lb/>
vedra als Hafen für die landeinwärts angelegte Hauptstadt Santiago<lb/>
gegründet, erhielt <hirendition="#g">Valparaiso</hi> vom Gründer den Namen seines bei<lb/>
Cuenca in Spanien gelegenen Geburtsortes. Die Anlage der Haupt-<lb/>
städte einige leguas landeinwärts geschah der Seeräuber wegen,<lb/>
welche es nicht wagten, sich so weit von ihren Schiffen zu entfernen,<lb/>
und sich mit der Plünderung der Häfen begnügten, so lange diese<lb/>
Punkte nicht befestigt waren. Man ist heute bei der Ankunft in<lb/>
Valparaiso erstaunt, gerade diesen Punkt der Erde „Val paraiso“,<lb/>
Thal des Paradieses, genannt zu finden, da diese Bezeichnung weder<lb/>
zum landschaftlichen Bilde der Stadt, die von kahlen, zerklüfteten<lb/>
Hügeln eingefasst ist, noch zur Vorstellung eines behaglichen oder<lb/>
beschaulichen Lebens der dort Ansässigen, noch auch nur mit Bezug<lb/>
auf einen etwa sehr sicheren Ankerplatz passend ist. Von der Beute-<lb/>
sucht kühner Abenteurer, den Kriegen des Landes und von dem zer-<lb/>
störenden Wirken feindlicher Naturgewalten wiederholt und schwer<lb/>
mitgenommen, ist Valparaiso stets ein Mittelpunkt fieberhafter Thätig-<lb/>
keit und ruhelosen Schaffens gewesen. Die einst kleine und unbe-<lb/>
deutende Stadt ist in den letzten 60 Jahren mächtig emporgeblüht;<lb/>
dem Meere, das früher die Abhänge der Cerros bespülte, wurde durch<lb/>
Anschüttungen ein weites Terrain abgewonnen und wo jetzt schöne<lb/>
Strassen führen, lagen einst Schiffe vor Anker.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[309]/0325]
Valparaiso.
Die Ostseite des grossen Oceans ist geschlossen und einförmig,
seine Küste hafenarm, und schon in geringer Entfernung von dieser
erheben die Anden ihre schneebedeckten Häupter. So bleibt nur wenig
Raum für reiche Küstenlandschaften, und die Verbindung mit dem
Innern ist schwierig und theuer.
Von allen Häfen der ganzen langgestreckten Westküste Amerikas
sind nur zwei von grösserer Bedeutung: Valparaiso und S. Francisco.
Im Jahre 1536 durch den spanischen Officier Juan de Saa-
vedra als Hafen für die landeinwärts angelegte Hauptstadt Santiago
gegründet, erhielt Valparaiso vom Gründer den Namen seines bei
Cuenca in Spanien gelegenen Geburtsortes. Die Anlage der Haupt-
städte einige leguas landeinwärts geschah der Seeräuber wegen,
welche es nicht wagten, sich so weit von ihren Schiffen zu entfernen,
und sich mit der Plünderung der Häfen begnügten, so lange diese
Punkte nicht befestigt waren. Man ist heute bei der Ankunft in
Valparaiso erstaunt, gerade diesen Punkt der Erde „Val paraiso“,
Thal des Paradieses, genannt zu finden, da diese Bezeichnung weder
zum landschaftlichen Bilde der Stadt, die von kahlen, zerklüfteten
Hügeln eingefasst ist, noch zur Vorstellung eines behaglichen oder
beschaulichen Lebens der dort Ansässigen, noch auch nur mit Bezug
auf einen etwa sehr sicheren Ankerplatz passend ist. Von der Beute-
sucht kühner Abenteurer, den Kriegen des Landes und von dem zer-
störenden Wirken feindlicher Naturgewalten wiederholt und schwer
mitgenommen, ist Valparaiso stets ein Mittelpunkt fieberhafter Thätig-
keit und ruhelosen Schaffens gewesen. Die einst kleine und unbe-
deutende Stadt ist in den letzten 60 Jahren mächtig emporgeblüht;
dem Meere, das früher die Abhänge der Cerros bespülte, wurde durch
Anschüttungen ein weites Terrain abgewonnen und wo jetzt schöne
Strassen führen, lagen einst Schiffe vor Anker.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [309]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/325>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.