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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Gebäude, das, in einem prächtigen Parke gelegen, eine Musteranstalt
für die Heranbildung des Officiersnachwuchses der k. k. Flotte ist.

Auf dem Gebiete der maritimen Kriegstechnik hat Fiume durch
die unübertroffenen Erzeugnisse der Whitehead'schen Fisch-Torpedo-
fabrik, welche ihre äusserst zerstörenden submarinen Angriffswaffen
allen Seemächten der Erde liefert, einen Weltruf sich geschaffen.

Ueberhaupt besitzt das nur 20 km2 umfassende reichsunmittelbare
Gebiet von Fiume eine verhältnissmässig bedeutende Zahl industrieller
Etablissements grösserer Art, von welchen hier noch die Reisschäl-
mühle, die königliche Tabakfabrik, die Fabrik chemischer Producte
und die grosse, in der tief eingerissenen, wildromantischen Schlucht der
Recina gelegene Papierfabrik Smith & Meynier erwähnt seien.

Die Bewohner von Fiume sind Italiener, Croaten und Magyaren,
der meiste Verkehr vollzieht sich aber in italienischer Sprache. Es
ist eine betriebsame und liebenswerthe Bevölkerung, welche die uralte
Stätte der Tersattica bewohnt.

Was die commercielle Bedeutung Fiumes betrifft, so besteht
sie hauptsächlich darin, dass dieser Hafen das einzige Ausfallsthor
Ungarns zur See bildet; die Länder der Stefanskrone, sowie die im
Süden angrenzenden Gebiete von Bosnien und Serbien sind sein
natürliches Handelsgebiet. Betrachten wir nun, wie durch das mo-
derne Verkehrsmittel der Eisenbahnen das Hinterland für Fiume
nutzbar gemacht wurde.

Seine erste Eisenbahnverbindung erhielt der Hafen durch
den Flügel der Südbahn nach St. Peter, der auf die Linie Wien-
Triest ausmündet. Bei der überlegenen Stellung, welche Triest in jeder
Beziehung besass, war diese Bahn für Fiume von keinem zu grossen
Nutzen. Es musste erst eine unmittelbare Verbindung nach Ungarn
erhalten, um in seinem ureigenen Handelsgebiete mit Triest in Con-
currenz treten zu können, und das seit 1867 wieder selbständige
Ungarn nahm die Lösung dieser Angelegenheit sofort in die Hand.

Heute gravitiren, dank der Erbauung eines wohldurchdachten
Eisenbahnnetzes, alle Comitate von Oedenburg bis in das getreidereiche
Alföld, sowie das holz- und pflaumenreiche Slavonien und Nord-
bosnien nach Fiume. Auch die Save und ein Theil der Donauschiff-
fahrt dienen Fiume, und ist deren Ausnützung noch einer bedeutenden
Steigerung fähig.

So erscheint Fiume als ein wirklich unglaublich rasch erblühender
Handelsplatz.


Das Mittelmeerbecken.
Gebäude, das, in einem prächtigen Parke gelegen, eine Musteranstalt
für die Heranbildung des Officiersnachwuchses der k. k. Flotte ist.

Auf dem Gebiete der maritimen Kriegstechnik hat Fiume durch
die unübertroffenen Erzeugnisse der Whitehead’schen Fisch-Torpedo-
fabrik, welche ihre äusserst zerstörenden submarinen Angriffswaffen
allen Seemächten der Erde liefert, einen Weltruf sich geschaffen.

Ueberhaupt besitzt das nur 20 km2 umfassende reichsunmittelbare
Gebiet von Fiume eine verhältnissmässig bedeutende Zahl industrieller
Etablissements grösserer Art, von welchen hier noch die Reisschäl-
mühle, die königliche Tabakfabrik, die Fabrik chemischer Producte
und die grosse, in der tief eingerissenen, wildromantischen Schlucht der
Recina gelegene Papierfabrik Smith & Meynier erwähnt seien.

Die Bewohner von Fiume sind Italiener, Croaten und Magyaren,
der meiste Verkehr vollzieht sich aber in italienischer Sprache. Es
ist eine betriebsame und liebenswerthe Bevölkerung, welche die uralte
Stätte der Tersattica bewohnt.

Was die commercielle Bedeutung Fiumes betrifft, so besteht
sie hauptsächlich darin, dass dieser Hafen das einzige Ausfallsthor
Ungarns zur See bildet; die Länder der Stefanskrone, sowie die im
Süden angrenzenden Gebiete von Bosnien und Serbien sind sein
natürliches Handelsgebiet. Betrachten wir nun, wie durch das mo-
derne Verkehrsmittel der Eisenbahnen das Hinterland für Fiume
nutzbar gemacht wurde.

Seine erste Eisenbahnverbindung erhielt der Hafen durch
den Flügel der Südbahn nach St. Peter, der auf die Linie Wien-
Triest ausmündet. Bei der überlegenen Stellung, welche Triest in jeder
Beziehung besass, war diese Bahn für Fiume von keinem zu grossen
Nutzen. Es musste erst eine unmittelbare Verbindung nach Ungarn
erhalten, um in seinem ureigenen Handelsgebiete mit Triest in Con-
currenz treten zu können, und das seit 1867 wieder selbständige
Ungarn nahm die Lösung dieser Angelegenheit sofort in die Hand.

Heute gravitiren, dank der Erbauung eines wohldurchdachten
Eisenbahnnetzes, alle Comitate von Oedenburg bis in das getreidereiche
Alföld, sowie das holz- und pflaumenreiche Slavonien und Nord-
bosnien nach Fiume. Auch die Save und ein Theil der Donauschiff-
fahrt dienen Fiume, und ist deren Ausnützung noch einer bedeutenden
Steigerung fähig.

So erscheint Fiume als ein wirklich unglaublich rasch erblühender
Handelsplatz.


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[26/0046] Das Mittelmeerbecken. Gebäude, das, in einem prächtigen Parke gelegen, eine Musteranstalt für die Heranbildung des Officiersnachwuchses der k. k. Flotte ist. Auf dem Gebiete der maritimen Kriegstechnik hat Fiume durch die unübertroffenen Erzeugnisse der Whitehead’schen Fisch-Torpedo- fabrik, welche ihre äusserst zerstörenden submarinen Angriffswaffen allen Seemächten der Erde liefert, einen Weltruf sich geschaffen. Ueberhaupt besitzt das nur 20 km2 umfassende reichsunmittelbare Gebiet von Fiume eine verhältnissmässig bedeutende Zahl industrieller Etablissements grösserer Art, von welchen hier noch die Reisschäl- mühle, die königliche Tabakfabrik, die Fabrik chemischer Producte und die grosse, in der tief eingerissenen, wildromantischen Schlucht der Recina gelegene Papierfabrik Smith & Meynier erwähnt seien. Die Bewohner von Fiume sind Italiener, Croaten und Magyaren, der meiste Verkehr vollzieht sich aber in italienischer Sprache. Es ist eine betriebsame und liebenswerthe Bevölkerung, welche die uralte Stätte der Tersattica bewohnt. Was die commercielle Bedeutung Fiumes betrifft, so besteht sie hauptsächlich darin, dass dieser Hafen das einzige Ausfallsthor Ungarns zur See bildet; die Länder der Stefanskrone, sowie die im Süden angrenzenden Gebiete von Bosnien und Serbien sind sein natürliches Handelsgebiet. Betrachten wir nun, wie durch das mo- derne Verkehrsmittel der Eisenbahnen das Hinterland für Fiume nutzbar gemacht wurde. Seine erste Eisenbahnverbindung erhielt der Hafen durch den Flügel der Südbahn nach St. Peter, der auf die Linie Wien- Triest ausmündet. Bei der überlegenen Stellung, welche Triest in jeder Beziehung besass, war diese Bahn für Fiume von keinem zu grossen Nutzen. Es musste erst eine unmittelbare Verbindung nach Ungarn erhalten, um in seinem ureigenen Handelsgebiete mit Triest in Con- currenz treten zu können, und das seit 1867 wieder selbständige Ungarn nahm die Lösung dieser Angelegenheit sofort in die Hand. Heute gravitiren, dank der Erbauung eines wohldurchdachten Eisenbahnnetzes, alle Comitate von Oedenburg bis in das getreidereiche Alföld, sowie das holz- und pflaumenreiche Slavonien und Nord- bosnien nach Fiume. Auch die Save und ein Theil der Donauschiff- fahrt dienen Fiume, und ist deren Ausnützung noch einer bedeutenden Steigerung fähig. So erscheint Fiume als ein wirklich unglaublich rasch erblühender Handelsplatz.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/46>, abgerufen am 27.04.2024.