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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
mehrere Jahre in französischen Besitz, bis der Wiener Congress 1814
die alte Angehörigkeit zu Oesterreich wieder bestätigte.

Im Jahre 1822 wurde Fiume, das schon von 1779--1809 reichs-
unmittelbares Gebiet der ungarischen Krone (Separatum corpus Sacrae
regni Hungariae Coronae)
gewesen war, diesem Königreiche wieder
einverleibt, und nach mancherlei Wandlungen wurde die Reichs-
unmittelbarkeit durch das Diplom vom November 1868 endgiltig be-
siegelt.

Sogleich nach dem sogenannten politischen Ausgleiche, welcher
1867 aus der österreichischen Monarchie ein "Oesterreich-Ungarn"
geschaffen hatte, war es eine der ersten national-ökonomischen Auf-
gaben der neuen ungarischen Regierung, den Seeverkehr von Fiume
zu beleben und aus diesem Hafen ein wichtiges Handelsemporium zu
gestalten. Nach den Plänen des durch ähnliche Werke hervorra-
genden französischen Hydrotechnikers Pascal wurde 1872 der Bau des
neuen Hafens begonnen.

Wie aus dem Plane zu ersehen, ist durch einen nahezu 1000 m
langen Wellenbrecher ein grosses gegen den Seegang vollkommen ge-
schütztes Bassin gewonnen worden, in welchem die drei breiten zur
Anlage von Magazinen geeigneten Molen Zichy, Rudolf und Nr. IV
am Bahnhofquai eingefügt sind. Ausserdem blieb der alte Molo Adamich
erhalten. In dieser Anordnung verfügt der Hafen über eine innere
Quaientwicklung von 3000 m bei 36 Hektaren Fläche.

Einen besonderen Annex der Anlage bildet der westlich von
Fiume erbaute Petroleumhafen, dessen Pumpwerke es gestatten, das
ankommende rohe Steinöl direct in die zunächst gelegene Raffinerie,
die täglich 1000 Fässer Petroleum verarbeitet, zu leiten.

Ein kleinerer Hafen ist an der Ausmündung des Fiumeracanales
in Ausführung begriffen. Letzterer war ehemals der eigentliche Binnen-
hafen für kleinere Schiffe.

Von den grossen Hafenbauten sind zur Zeit nur noch ein Theil
des Wellenbrechers und der Molo IV zu vollenden. Als Mangel könnte
das bisherige Fehlen eines Trockendocks in Fiume hervorgehoben
werden.

Die für einen so wichtigen Hafen wie Fiume unentbehrliche
Quarantaineanstalt ward in der östlich der Stadt liegenden freundlichen
Bucht von Martinschizza belassen, wo Kaiser Franz I. 1833 ein gross-
artiges Pestlazareth gegründet hatte.

Die k. k. Kriegsmarine unterhält westlich der Stadt die 1857
eröffnete Marine-Akademie, ein herrliches, für 130 Zöglinge berechnetes

Das Mittelmeerbecken.
mehrere Jahre in französischen Besitz, bis der Wiener Congress 1814
die alte Angehörigkeit zu Oesterreich wieder bestätigte.

Im Jahre 1822 wurde Fiume, das schon von 1779—1809 reichs-
unmittelbares Gebiet der ungarischen Krone (Separatum corpus Sacrae
regni Hungariae Coronae)
gewesen war, diesem Königreiche wieder
einverleibt, und nach mancherlei Wandlungen wurde die Reichs-
unmittelbarkeit durch das Diplom vom November 1868 endgiltig be-
siegelt.

Sogleich nach dem sogenannten politischen Ausgleiche, welcher
1867 aus der österreichischen Monarchie ein „Oesterreich-Ungarn“
geschaffen hatte, war es eine der ersten national-ökonomischen Auf-
gaben der neuen ungarischen Regierung, den Seeverkehr von Fiume
zu beleben und aus diesem Hafen ein wichtiges Handelsemporium zu
gestalten. Nach den Plänen des durch ähnliche Werke hervorra-
genden französischen Hydrotechnikers Pascal wurde 1872 der Bau des
neuen Hafens begonnen.

Wie aus dem Plane zu ersehen, ist durch einen nahezu 1000 m
langen Wellenbrecher ein grosses gegen den Seegang vollkommen ge-
schütztes Bassin gewonnen worden, in welchem die drei breiten zur
Anlage von Magazinen geeigneten Molen Zichy, Rudolf und Nr. IV
am Bahnhofquai eingefügt sind. Ausserdem blieb der alte Molo Adamich
erhalten. In dieser Anordnung verfügt der Hafen über eine innere
Quaientwicklung von 3000 m bei 36 Hektaren Fläche.

Einen besonderen Annex der Anlage bildet der westlich von
Fiume erbaute Petroleumhafen, dessen Pumpwerke es gestatten, das
ankommende rohe Steinöl direct in die zunächst gelegene Raffinerie,
die täglich 1000 Fässer Petroleum verarbeitet, zu leiten.

Ein kleinerer Hafen ist an der Ausmündung des Fiumeracanales
in Ausführung begriffen. Letzterer war ehemals der eigentliche Binnen-
hafen für kleinere Schiffe.

Von den grossen Hafenbauten sind zur Zeit nur noch ein Theil
des Wellenbrechers und der Molo IV zu vollenden. Als Mangel könnte
das bisherige Fehlen eines Trockendocks in Fiume hervorgehoben
werden.

Die für einen so wichtigen Hafen wie Fiume unentbehrliche
Quarantaineanstalt ward in der östlich der Stadt liegenden freundlichen
Bucht von Martinschizza belassen, wo Kaiser Franz I. 1833 ein gross-
artiges Pestlazareth gegründet hatte.

Die k. k. Kriegsmarine unterhält westlich der Stadt die 1857
eröffnete Marine-Akademie, ein herrliches, für 130 Zöglinge berechnetes

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[24/0044] Das Mittelmeerbecken. mehrere Jahre in französischen Besitz, bis der Wiener Congress 1814 die alte Angehörigkeit zu Oesterreich wieder bestätigte. Im Jahre 1822 wurde Fiume, das schon von 1779—1809 reichs- unmittelbares Gebiet der ungarischen Krone (Separatum corpus Sacrae regni Hungariae Coronae) gewesen war, diesem Königreiche wieder einverleibt, und nach mancherlei Wandlungen wurde die Reichs- unmittelbarkeit durch das Diplom vom November 1868 endgiltig be- siegelt. Sogleich nach dem sogenannten politischen Ausgleiche, welcher 1867 aus der österreichischen Monarchie ein „Oesterreich-Ungarn“ geschaffen hatte, war es eine der ersten national-ökonomischen Auf- gaben der neuen ungarischen Regierung, den Seeverkehr von Fiume zu beleben und aus diesem Hafen ein wichtiges Handelsemporium zu gestalten. Nach den Plänen des durch ähnliche Werke hervorra- genden französischen Hydrotechnikers Pascal wurde 1872 der Bau des neuen Hafens begonnen. Wie aus dem Plane zu ersehen, ist durch einen nahezu 1000 m langen Wellenbrecher ein grosses gegen den Seegang vollkommen ge- schütztes Bassin gewonnen worden, in welchem die drei breiten zur Anlage von Magazinen geeigneten Molen Zichy, Rudolf und Nr. IV am Bahnhofquai eingefügt sind. Ausserdem blieb der alte Molo Adamich erhalten. In dieser Anordnung verfügt der Hafen über eine innere Quaientwicklung von 3000 m bei 36 Hektaren Fläche. Einen besonderen Annex der Anlage bildet der westlich von Fiume erbaute Petroleumhafen, dessen Pumpwerke es gestatten, das ankommende rohe Steinöl direct in die zunächst gelegene Raffinerie, die täglich 1000 Fässer Petroleum verarbeitet, zu leiten. Ein kleinerer Hafen ist an der Ausmündung des Fiumeracanales in Ausführung begriffen. Letzterer war ehemals der eigentliche Binnen- hafen für kleinere Schiffe. Von den grossen Hafenbauten sind zur Zeit nur noch ein Theil des Wellenbrechers und der Molo IV zu vollenden. Als Mangel könnte das bisherige Fehlen eines Trockendocks in Fiume hervorgehoben werden. Die für einen so wichtigen Hafen wie Fiume unentbehrliche Quarantaineanstalt ward in der östlich der Stadt liegenden freundlichen Bucht von Martinschizza belassen, wo Kaiser Franz I. 1833 ein gross- artiges Pestlazareth gegründet hatte. Die k. k. Kriegsmarine unterhält westlich der Stadt die 1857 eröffnete Marine-Akademie, ein herrliches, für 130 Zöglinge berechnetes

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/44>, abgerufen am 26.04.2024.