Ein Bild von seltener Schönheit entrollt sich an der breiten Mündung des vielbesungenen Tejoflusses, welcher einst den unsterb- lichen Vasco da Gama nie welkendem Ruhme entgegengetragen und dem Dichterfürsten Camoens den letzten Gruss geboten, als er ver- bannt das heissgeliebte Vaterland verliess.
Weit im Landesinnern hat der Tejo die Zaubergärten von Aranjuez umspült und mit den Fluten des Manzanares auch dessen Poesienschatz empfangen, er sah die alte und glänzende Königstadt Lisboa in einer der furchtbarsten Katastrophen in Trümmer sinken und wälzt nun sein Gewässer an dem herrlichen Gebilde des ver- jüngten Lissabon vorbei dem Meere zu.
Auf sieben Hügeln hingestreckt entfaltet die Stadt über der prächtigen Quaifront das Heer ihrer formenreichen Bauten. Im Osten ist um das Castell S. Georg das Gewirre der alten Stadt gelagert, hieran schliesst sich westwärts die in edler Regelmässigkeit angelegte Neustadt, und als deren Glanzpunkt der herrliche Quaiplatz Praca de Commercio mit seiner monumentalen durch zwei Säulen geschmückten Anlegetreppe (Caes das Columnas), seinem stylvollen Triumphbogen, den prächtigen Arcaden, welche entlang den drei von schönen Ge- bäuden eingefassten Seiten des Platzes führen.
Die Mitte der Praca de Commercio nimmt die mit allegorischen Figuren reich gezierte gewaltige Reiterstatue des König Dom Jose I. ein, welche 1775 von den Einwohnern als Zeichen der Dankbarkeit für den raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem furchtbaren Erd- beben (1755) errichtet worden war.
Auf diesem grossen Platze, der heute ein Bild der erhabensten Ruhe bietet, hatte während des Erdbebens eine grosse Menge Volkes aller Schichten vor den zusammenstürzenden Gebäuden Rettung ge- sucht; da öffnete sich plötzlich die Erde und Tausende Menschen verschwanden spurlos in einem gähnenden Schlund über dem alsbald
Lissabon.
Ein Bild von seltener Schönheit entrollt sich an der breiten Mündung des vielbesungenen Tejoflusses, welcher einst den unsterb- lichen Vasco da Gama nie welkendem Ruhme entgegengetragen und dem Dichterfürsten Camoëns den letzten Gruss geboten, als er ver- bannt das heissgeliebte Vaterland verliess.
Weit im Landesinnern hat der Tejo die Zaubergärten von Aranjuez umspült und mit den Fluten des Manzanares auch dessen Poesienschatz empfangen, er sah die alte und glänzende Königstadt Lisboa in einer der furchtbarsten Katastrophen in Trümmer sinken und wälzt nun sein Gewässer an dem herrlichen Gebilde des ver- jüngten Lissabon vorbei dem Meere zu.
Auf sieben Hügeln hingestreckt entfaltet die Stadt über der prächtigen Quaifront das Heer ihrer formenreichen Bauten. Im Osten ist um das Castell S. Georg das Gewirre der alten Stadt gelagert, hieran schliesst sich westwärts die in edler Regelmässigkeit angelegte Neustadt, und als deren Glanzpunkt der herrliche Quaiplatz Praça de Commercio mit seiner monumentalen durch zwei Säulen geschmückten Anlegetreppe (Caes das Columnas), seinem stylvollen Triumphbogen, den prächtigen Arcaden, welche entlang den drei von schönen Ge- bäuden eingefassten Seiten des Platzes führen.
Die Mitte der Praça de Commercio nimmt die mit allegorischen Figuren reich gezierte gewaltige Reiterstatue des König Dom José I. ein, welche 1775 von den Einwohnern als Zeichen der Dankbarkeit für den raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem furchtbaren Erd- beben (1755) errichtet worden war.
Auf diesem grossen Platze, der heute ein Bild der erhabensten Ruhe bietet, hatte während des Erdbebens eine grosse Menge Volkes aller Schichten vor den zusammenstürzenden Gebäuden Rettung ge- sucht; da öffnete sich plötzlich die Erde und Tausende Menschen verschwanden spurlos in einem gähnenden Schlund über dem alsbald
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0548"n="[528]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Lissabon.</hi></head><lb/><p>Ein Bild von seltener Schönheit entrollt sich an der breiten<lb/>
Mündung des vielbesungenen Tejoflusses, welcher einst den unsterb-<lb/>
lichen Vasco da Gama nie welkendem Ruhme entgegengetragen und<lb/>
dem Dichterfürsten Camoëns den letzten Gruss geboten, als er ver-<lb/>
bannt das heissgeliebte Vaterland verliess.</p><lb/><p>Weit im Landesinnern hat der Tejo die Zaubergärten von<lb/>
Aranjuez umspült und mit den Fluten des Manzanares auch dessen<lb/>
Poesienschatz empfangen, er sah die alte und glänzende Königstadt<lb/>
Lisboa in einer der furchtbarsten Katastrophen in Trümmer sinken<lb/>
und wälzt nun sein Gewässer an dem herrlichen Gebilde des ver-<lb/>
jüngten Lissabon vorbei dem Meere zu.</p><lb/><p>Auf sieben Hügeln hingestreckt entfaltet die Stadt über der<lb/>
prächtigen Quaifront das Heer ihrer formenreichen Bauten. Im Osten<lb/>
ist um das Castell S. Georg das Gewirre der alten Stadt gelagert,<lb/>
hieran schliesst sich westwärts die in edler Regelmässigkeit angelegte<lb/>
Neustadt, und als deren Glanzpunkt der herrliche Quaiplatz Praça de<lb/>
Commercio mit seiner monumentalen durch zwei Säulen geschmückten<lb/>
Anlegetreppe (Caes das Columnas), seinem stylvollen Triumphbogen,<lb/>
den prächtigen Arcaden, welche entlang den drei von schönen Ge-<lb/>
bäuden eingefassten Seiten des Platzes führen.</p><lb/><p>Die Mitte der Praça de Commercio nimmt die mit allegorischen<lb/>
Figuren reich gezierte gewaltige Reiterstatue des König Dom José I.<lb/>
ein, welche 1775 von den Einwohnern als Zeichen der Dankbarkeit<lb/>
für den raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem furchtbaren Erd-<lb/>
beben (1755) errichtet worden war.</p><lb/><p>Auf diesem grossen Platze, der heute ein Bild der erhabensten<lb/>
Ruhe bietet, hatte während des Erdbebens eine grosse Menge Volkes<lb/>
aller Schichten vor den zusammenstürzenden Gebäuden Rettung ge-<lb/>
sucht; da öffnete sich plötzlich die Erde und Tausende Menschen<lb/>
verschwanden spurlos in einem gähnenden Schlund über dem alsbald<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[528]/0548]
Lissabon.
Ein Bild von seltener Schönheit entrollt sich an der breiten
Mündung des vielbesungenen Tejoflusses, welcher einst den unsterb-
lichen Vasco da Gama nie welkendem Ruhme entgegengetragen und
dem Dichterfürsten Camoëns den letzten Gruss geboten, als er ver-
bannt das heissgeliebte Vaterland verliess.
Weit im Landesinnern hat der Tejo die Zaubergärten von
Aranjuez umspült und mit den Fluten des Manzanares auch dessen
Poesienschatz empfangen, er sah die alte und glänzende Königstadt
Lisboa in einer der furchtbarsten Katastrophen in Trümmer sinken
und wälzt nun sein Gewässer an dem herrlichen Gebilde des ver-
jüngten Lissabon vorbei dem Meere zu.
Auf sieben Hügeln hingestreckt entfaltet die Stadt über der
prächtigen Quaifront das Heer ihrer formenreichen Bauten. Im Osten
ist um das Castell S. Georg das Gewirre der alten Stadt gelagert,
hieran schliesst sich westwärts die in edler Regelmässigkeit angelegte
Neustadt, und als deren Glanzpunkt der herrliche Quaiplatz Praça de
Commercio mit seiner monumentalen durch zwei Säulen geschmückten
Anlegetreppe (Caes das Columnas), seinem stylvollen Triumphbogen,
den prächtigen Arcaden, welche entlang den drei von schönen Ge-
bäuden eingefassten Seiten des Platzes führen.
Die Mitte der Praça de Commercio nimmt die mit allegorischen
Figuren reich gezierte gewaltige Reiterstatue des König Dom José I.
ein, welche 1775 von den Einwohnern als Zeichen der Dankbarkeit
für den raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem furchtbaren Erd-
beben (1755) errichtet worden war.
Auf diesem grossen Platze, der heute ein Bild der erhabensten
Ruhe bietet, hatte während des Erdbebens eine grosse Menge Volkes
aller Schichten vor den zusammenstürzenden Gebäuden Rettung ge-
sucht; da öffnete sich plötzlich die Erde und Tausende Menschen
verschwanden spurlos in einem gähnenden Schlund über dem alsbald
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [528]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/548>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.