Im Gegensatze zur hafenarmen Nordküste Kleinasiens ist die Westküste überaus reich gegliedert. Mehrere imposante Golfe mit vor- trefflichen Häfen schneiden hier tief ins Land und finden in langge- streckten Thälern, den uralten Handelswegen nach dem Innern, einen natürlichen Verkehrsanschluss; zahlreiche fruchtbare Inseln, die Spo- raden, sind der Küste vorgelagert und bilden mit dieser ein System wohlgeschützter Wasserstrassen, ebenso wie das Gros der Kykladen ein solches für den Verkehr im Aegäischen Meere geschaffen hat. Durch diese Vortheile war die kleinasiatische Westküste auserkoren, schon frühzeitig Handel und Schiffahrt und als deren Folge eine höhere Entwicklung des Culturlebens in allen seinen Erscheinungen an sich zu fesseln und eine dominirende Stellung gegenüber den anderen Ge- bieten Kleinasiens zu erringen.
Diese Suprematie, deren Schwerpunkt im Laufe der Jahr- tausende nach Sardes, Pergamos, Ephesos und Smyrna zu liegen kam, blieb der Küste bis zum heutigen Tage gewahrt. Seit nahezu zwei Jahrtausenden ist Smyrna der Centralpunkt dieses Gebietes und da- durch auch der wichtigste Platz in ganz Kleinasien, wie denn über- haupt das ganze Vilayet Smyrna (Aidin ist der officielle Name dieses Gourvernements) alle anderen türkischen Provinzen Kleinasiens, wenn auch nicht an Flächeninhalt, so doch durch seine volkswirtschaft- liche Bedeutung überragt. Zutreffend charakterisirt Dr. Karl v. Scherzer in seinem Werke "Smyrna" die Ueberlegenheit des Vilayets mit den Worten: "Was sich des Guten, Schönen, Nützlichen, Lehrreichen und Interessanten in Kleinasien findet, ist in der Provinz Smyrna reprä- sentirt und potenzirt; von den herrlichen Denkmälern des Alterthums bis zu den Eisenbahnen und Fabriken, vom leichten Zelt der No- maden und dem ,Schiff der Wüste' bis zu den Panzerfregatten, die sich auf der Rhede schaukeln." Smyrna, von den Orientalen "Blume
Smyrna.
Im Gegensatze zur hafenarmen Nordküste Kleinasiens ist die Westküste überaus reich gegliedert. Mehrere imposante Golfe mit vor- trefflichen Häfen schneiden hier tief ins Land und finden in langge- streckten Thälern, den uralten Handelswegen nach dem Innern, einen natürlichen Verkehrsanschluss; zahlreiche fruchtbare Inseln, die Spo- raden, sind der Küste vorgelagert und bilden mit dieser ein System wohlgeschützter Wasserstrassen, ebenso wie das Gros der Kykladen ein solches für den Verkehr im Aegäischen Meere geschaffen hat. Durch diese Vortheile war die kleinasiatische Westküste auserkoren, schon frühzeitig Handel und Schiffahrt und als deren Folge eine höhere Entwicklung des Culturlebens in allen seinen Erscheinungen an sich zu fesseln und eine dominirende Stellung gegenüber den anderen Ge- bieten Kleinasiens zu erringen.
Diese Suprematie, deren Schwerpunkt im Laufe der Jahr- tausende nach Sardes, Pergamos, Ephesos und Smyrna zu liegen kam, blieb der Küste bis zum heutigen Tage gewahrt. Seit nahezu zwei Jahrtausenden ist Smyrna der Centralpunkt dieses Gebietes und da- durch auch der wichtigste Platz in ganz Kleinasien, wie denn über- haupt das ganze Vilayet Smyrna (Aïdin ist der officielle Name dieses Gourvernements) alle anderen türkischen Provinzen Kleinasiens, wenn auch nicht an Flächeninhalt, so doch durch seine volkswirtschaft- liche Bedeutung überragt. Zutreffend charakterisirt Dr. Karl v. Scherzer in seinem Werke „Smyrna“ die Ueberlegenheit des Vilayets mit den Worten: „Was sich des Guten, Schönen, Nützlichen, Lehrreichen und Interessanten in Kleinasien findet, ist in der Provinz Smyrna reprä- sentirt und potenzirt; von den herrlichen Denkmälern des Alterthums bis zu den Eisenbahnen und Fabriken, vom leichten Zelt der No- maden und dem ‚Schiff der Wüste‘ bis zu den Panzerfregatten, die sich auf der Rhede schaukeln.“ Smyrna, von den Orientalen „Blume
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0220"n="[200]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Smyrna.</hi></head><lb/><p>Im Gegensatze zur hafenarmen Nordküste Kleinasiens ist die<lb/>
Westküste überaus reich gegliedert. Mehrere imposante Golfe mit vor-<lb/>
trefflichen Häfen schneiden hier tief ins Land und finden in langge-<lb/>
streckten Thälern, den uralten Handelswegen nach dem Innern, einen<lb/>
natürlichen Verkehrsanschluss; zahlreiche fruchtbare Inseln, die Spo-<lb/>
raden, sind der Küste vorgelagert und bilden mit dieser ein System<lb/>
wohlgeschützter Wasserstrassen, ebenso wie das Gros der Kykladen<lb/>
ein solches für den Verkehr im Aegäischen Meere geschaffen hat. Durch<lb/>
diese Vortheile war die kleinasiatische Westküste auserkoren, schon<lb/>
frühzeitig Handel und Schiffahrt und als deren Folge eine höhere<lb/>
Entwicklung des Culturlebens in allen seinen Erscheinungen an sich<lb/>
zu fesseln und eine dominirende Stellung gegenüber den anderen Ge-<lb/>
bieten Kleinasiens zu erringen.</p><lb/><p>Diese Suprematie, deren Schwerpunkt im Laufe der Jahr-<lb/>
tausende nach Sardes, Pergamos, Ephesos und Smyrna zu liegen kam,<lb/>
blieb der Küste bis zum heutigen Tage gewahrt. Seit nahezu zwei<lb/>
Jahrtausenden ist Smyrna der Centralpunkt dieses Gebietes und da-<lb/>
durch auch der wichtigste Platz in ganz Kleinasien, wie denn über-<lb/>
haupt das ganze Vilayet Smyrna (Aïdin ist der officielle Name dieses<lb/>
Gourvernements) alle anderen türkischen Provinzen Kleinasiens, wenn<lb/>
auch nicht an Flächeninhalt, so doch durch seine volkswirtschaft-<lb/>
liche Bedeutung überragt. Zutreffend charakterisirt Dr. Karl v. Scherzer<lb/>
in seinem Werke „Smyrna“ die Ueberlegenheit des Vilayets mit den<lb/>
Worten: „Was sich des Guten, Schönen, Nützlichen, Lehrreichen und<lb/>
Interessanten in Kleinasien findet, ist in der Provinz Smyrna reprä-<lb/>
sentirt und potenzirt; von den herrlichen Denkmälern des Alterthums<lb/>
bis zu den Eisenbahnen und Fabriken, vom leichten Zelt der No-<lb/>
maden und dem ‚Schiff der Wüste‘ bis zu den Panzerfregatten, die<lb/>
sich auf der Rhede schaukeln.“ Smyrna, von den Orientalen „Blume<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[200]/0220]
Smyrna.
Im Gegensatze zur hafenarmen Nordküste Kleinasiens ist die
Westküste überaus reich gegliedert. Mehrere imposante Golfe mit vor-
trefflichen Häfen schneiden hier tief ins Land und finden in langge-
streckten Thälern, den uralten Handelswegen nach dem Innern, einen
natürlichen Verkehrsanschluss; zahlreiche fruchtbare Inseln, die Spo-
raden, sind der Küste vorgelagert und bilden mit dieser ein System
wohlgeschützter Wasserstrassen, ebenso wie das Gros der Kykladen
ein solches für den Verkehr im Aegäischen Meere geschaffen hat. Durch
diese Vortheile war die kleinasiatische Westküste auserkoren, schon
frühzeitig Handel und Schiffahrt und als deren Folge eine höhere
Entwicklung des Culturlebens in allen seinen Erscheinungen an sich
zu fesseln und eine dominirende Stellung gegenüber den anderen Ge-
bieten Kleinasiens zu erringen.
Diese Suprematie, deren Schwerpunkt im Laufe der Jahr-
tausende nach Sardes, Pergamos, Ephesos und Smyrna zu liegen kam,
blieb der Küste bis zum heutigen Tage gewahrt. Seit nahezu zwei
Jahrtausenden ist Smyrna der Centralpunkt dieses Gebietes und da-
durch auch der wichtigste Platz in ganz Kleinasien, wie denn über-
haupt das ganze Vilayet Smyrna (Aïdin ist der officielle Name dieses
Gourvernements) alle anderen türkischen Provinzen Kleinasiens, wenn
auch nicht an Flächeninhalt, so doch durch seine volkswirtschaft-
liche Bedeutung überragt. Zutreffend charakterisirt Dr. Karl v. Scherzer
in seinem Werke „Smyrna“ die Ueberlegenheit des Vilayets mit den
Worten: „Was sich des Guten, Schönen, Nützlichen, Lehrreichen und
Interessanten in Kleinasien findet, ist in der Provinz Smyrna reprä-
sentirt und potenzirt; von den herrlichen Denkmälern des Alterthums
bis zu den Eisenbahnen und Fabriken, vom leichten Zelt der No-
maden und dem ‚Schiff der Wüste‘ bis zu den Panzerfregatten, die
sich auf der Rhede schaukeln.“ Smyrna, von den Orientalen „Blume
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [200]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/220>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.