Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Syra.

In der Inselgruppe der Kykladen hat seit dem Beginne dieses
Jahrhunderts die felsige und baumlose Insel Syra (Syros) einen nicht
unbedeutenden Theil des levantinischen Verkehrs an sich gezogen.
Die Gunst der Lage an der Dampferroute nach Piräus, Constantinopel
und Smyrna verschaffte ihrer Hauptstadt Hermupolis oder Nea-Syra
einen hervorragenden Platz unter den griechischen Hafenstädten, und
es gab eine Zeit, in der sie den ersten Rang unter denselben einnahm.
Wenngleich der Verkehr neuestens unter der Anziehungskraft Athens
nach Piräus abgelenkt und Hermupolis bereits überflügelt wurde, so
verdient der Platz dennoch hier genannt zu werden.

Unter 37° 25' nördl. Breite und 24° 56' östl. Länge von Greenwich
gelegen, besitzt die bergige Insel eine Längserstreckung von 23 km
bei einer grössten Breite von 9 km. Der nur gegen Nordosten und Osten
offene Hafen von Hermupolis liegt nächst der Felseninsel Gaidaro, die
einen schönen Leuchtthurm trägt, an der Ostseite der Insel.

In der alten Geschichte ist Syra keine nennenswerthe Rolle zu-
gefallen; Pherekydes, der Lehrer des Pythagoras, soll hier geboren sein.

Am griechischen Befreiungskriege betheiligte sich Syra gar
nicht, sondern bewahrte nur eine strenge Neutralität. Doch fanden
1821 die Flüchtlinge der verwüsteten Inseln Chios und Psara dort
gastliche Aufnahme, und diesem Bevölkerungszuwachse verdankt die
am Hafenquai liegende Stadt Neu-Syra ihre rasche Entstehung. Das
alte Syra (Paläo-Syros), welches fast ausschliesslich von katholischen
Abkömmlingen der venetianischen Ansiedler bewohnt ist, breitet sich
hoch über der neuen Stadt, und von dieser durch eine häuserlose
Zone getrennt, an der Berglehne aus.

Der Anblick der Doppelstadt ist ein höchst malerischer. Amphi-
theatralisch baut sich die untere Stadt an der Rundung des Hafen-
quais auf, hoch überragt von Alt-Syra, dessen zu einer Spitze auf-
gethürmte Häusergruppen das Bild einer bunten Pyramide gewähren.


Syra.

In der Inselgruppe der Kykladen hat seit dem Beginne dieses
Jahrhunderts die felsige und baumlose Insel Syra (Syros) einen nicht
unbedeutenden Theil des levantinischen Verkehrs an sich gezogen.
Die Gunst der Lage an der Dampferroute nach Piräus, Constantinopel
und Smyrna verschaffte ihrer Hauptstadt Hermupolis oder Nea-Syra
einen hervorragenden Platz unter den griechischen Hafenstädten, und
es gab eine Zeit, in der sie den ersten Rang unter denselben einnahm.
Wenngleich der Verkehr neuestens unter der Anziehungskraft Athens
nach Piräus abgelenkt und Hermupolis bereits überflügelt wurde, so
verdient der Platz dennoch hier genannt zu werden.

Unter 37° 25′ nördl. Breite und 24° 56′ östl. Länge von Greenwich
gelegen, besitzt die bergige Insel eine Längserstreckung von 23 km
bei einer grössten Breite von 9 km. Der nur gegen Nordosten und Osten
offene Hafen von Hermupolis liegt nächst der Felseninsel Gaidaro, die
einen schönen Leuchtthurm trägt, an der Ostseite der Insel.

In der alten Geschichte ist Syra keine nennenswerthe Rolle zu-
gefallen; Pherekydes, der Lehrer des Pythagoras, soll hier geboren sein.

Am griechischen Befreiungskriege betheiligte sich Syra gar
nicht, sondern bewahrte nur eine strenge Neutralität. Doch fanden
1821 die Flüchtlinge der verwüsteten Inseln Chios und Psara dort
gastliche Aufnahme, und diesem Bevölkerungszuwachse verdankt die
am Hafenquai liegende Stadt Neu-Syra ihre rasche Entstehung. Das
alte Syra (Paläo-Syros), welches fast ausschliesslich von katholischen
Abkömmlingen der venetianischen Ansiedler bewohnt ist, breitet sich
hoch über der neuen Stadt, und von dieser durch eine häuserlose
Zone getrennt, an der Berglehne aus.

Der Anblick der Doppelstadt ist ein höchst malerischer. Amphi-
theatralisch baut sich die untere Stadt an der Rundung des Hafen-
quais auf, hoch überragt von Alt-Syra, dessen zu einer Spitze auf-
gethürmte Häusergruppen das Bild einer bunten Pyramide gewähren.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0108" n="[88]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Syra.</hi> </head><lb/>
          <p>In der Inselgruppe der Kykladen hat seit dem Beginne dieses<lb/>
Jahrhunderts die felsige und baumlose Insel Syra (Syros) einen nicht<lb/>
unbedeutenden Theil des levantinischen Verkehrs an sich gezogen.<lb/>
Die Gunst der Lage an der Dampferroute nach Piräus, Constantinopel<lb/>
und Smyrna verschaffte ihrer Hauptstadt Hermupolis oder Nea-Syra<lb/>
einen hervorragenden Platz unter den griechischen Hafenstädten, und<lb/>
es gab eine Zeit, in der sie den ersten Rang unter denselben einnahm.<lb/>
Wenngleich der Verkehr neuestens unter der Anziehungskraft Athens<lb/>
nach Piräus abgelenkt und Hermupolis bereits überflügelt wurde, so<lb/>
verdient der Platz dennoch hier genannt zu werden.</p><lb/>
          <p>Unter 37° 25&#x2032; nördl. Breite und 24° 56&#x2032; östl. Länge von Greenwich<lb/>
gelegen, besitzt die bergige Insel eine Längserstreckung von 23 <hi rendition="#i">km</hi><lb/>
bei einer grössten Breite von 9 <hi rendition="#i">km</hi>. Der nur gegen Nordosten und Osten<lb/>
offene Hafen von Hermupolis liegt nächst der Felseninsel Gaidaro, die<lb/>
einen schönen Leuchtthurm trägt, an der Ostseite der Insel.</p><lb/>
          <p>In der alten Geschichte ist Syra keine nennenswerthe Rolle zu-<lb/>
gefallen; Pherekydes, der Lehrer des Pythagoras, soll hier geboren sein.</p><lb/>
          <p>Am griechischen Befreiungskriege betheiligte sich Syra gar<lb/>
nicht, sondern bewahrte nur eine strenge Neutralität. Doch fanden<lb/>
1821 die Flüchtlinge der verwüsteten Inseln Chios und Psara dort<lb/>
gastliche Aufnahme, und diesem Bevölkerungszuwachse verdankt die<lb/>
am Hafenquai liegende Stadt Neu-Syra ihre rasche Entstehung. Das<lb/>
alte Syra (Paläo-Syros), welches fast ausschliesslich von katholischen<lb/>
Abkömmlingen der venetianischen Ansiedler bewohnt ist, breitet sich<lb/>
hoch über der neuen Stadt, und von dieser durch eine häuserlose<lb/>
Zone getrennt, an der Berglehne aus.</p><lb/>
          <p>Der Anblick der Doppelstadt ist ein höchst malerischer. Amphi-<lb/>
theatralisch baut sich die untere Stadt an der Rundung des Hafen-<lb/>
quais auf, hoch überragt von Alt-Syra, dessen zu einer Spitze auf-<lb/>
gethürmte Häusergruppen das Bild einer bunten Pyramide gewähren.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[88]/0108] Syra. In der Inselgruppe der Kykladen hat seit dem Beginne dieses Jahrhunderts die felsige und baumlose Insel Syra (Syros) einen nicht unbedeutenden Theil des levantinischen Verkehrs an sich gezogen. Die Gunst der Lage an der Dampferroute nach Piräus, Constantinopel und Smyrna verschaffte ihrer Hauptstadt Hermupolis oder Nea-Syra einen hervorragenden Platz unter den griechischen Hafenstädten, und es gab eine Zeit, in der sie den ersten Rang unter denselben einnahm. Wenngleich der Verkehr neuestens unter der Anziehungskraft Athens nach Piräus abgelenkt und Hermupolis bereits überflügelt wurde, so verdient der Platz dennoch hier genannt zu werden. Unter 37° 25′ nördl. Breite und 24° 56′ östl. Länge von Greenwich gelegen, besitzt die bergige Insel eine Längserstreckung von 23 km bei einer grössten Breite von 9 km. Der nur gegen Nordosten und Osten offene Hafen von Hermupolis liegt nächst der Felseninsel Gaidaro, die einen schönen Leuchtthurm trägt, an der Ostseite der Insel. In der alten Geschichte ist Syra keine nennenswerthe Rolle zu- gefallen; Pherekydes, der Lehrer des Pythagoras, soll hier geboren sein. Am griechischen Befreiungskriege betheiligte sich Syra gar nicht, sondern bewahrte nur eine strenge Neutralität. Doch fanden 1821 die Flüchtlinge der verwüsteten Inseln Chios und Psara dort gastliche Aufnahme, und diesem Bevölkerungszuwachse verdankt die am Hafenquai liegende Stadt Neu-Syra ihre rasche Entstehung. Das alte Syra (Paläo-Syros), welches fast ausschliesslich von katholischen Abkömmlingen der venetianischen Ansiedler bewohnt ist, breitet sich hoch über der neuen Stadt, und von dieser durch eine häuserlose Zone getrennt, an der Berglehne aus. Der Anblick der Doppelstadt ist ein höchst malerischer. Amphi- theatralisch baut sich die untere Stadt an der Rundung des Hafen- quais auf, hoch überragt von Alt-Syra, dessen zu einer Spitze auf- gethürmte Häusergruppen das Bild einer bunten Pyramide gewähren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/108
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [88]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/108>, abgerufen am 21.12.2024.