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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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ausgehen. Ebenso wie im Ausland eine Norm nicht
dafür festzustellen war, welche Parteien für die end-
gültige Bewilligung des Frauenstimmrechts ausschlag-
gebend waren, ebensowenig ist vorauszusehen, welche
Partei in Deutschland in jedem Einzelfalle das Züng-
lein an der Wage zugunsten des Frauenwahlrechts
bilden wird. Die sich nach Friedensschluß bildende
bewegte innerpolitische Atmosphäre wird eine in-
tensive Mitwirkung der Frauen in den Parteien her-
beiführen, wozu ebenso die gehobene politische An-
teilnahme der Frauen, wie das einsetzende Werben
der Parteien bei bevorstehenden Wahlen beitragen
werden. Hierbei werden die Stimmrechtlerinnen mehr
als zuvor für ihre eigene Sache wirken können, und
das um so erfolgreicher, je intensiver die weiblichen
Mitglieder der verschiedenen Parteien vorher in der
Frauenstimmrechtsbewegung und allgemein politisch
geschult wurden. Sonst werden die Parteien durch
den Eintritt der Frauen wohl einen zahlenmäßigen
aber ebensowenig einen qualitativen Gewinn zu ver-
zeichnen haben, als die Frauen ihrerseits einen Er-
folg ihrer besonderen Bestrebungen. Den Stimm-
rechtlerinnen, die sich in einer Partei betätigen, wer-
den Gewissenskonflikte nicht erspart bleiben. Sie
werden es kaum über sich gewinnen, Kandidaten zu
unterstützen, die Gegner des Frauenstimmrechts sind.
Indem sie sich in solchen Fällen passiv verhalten,
reformieren sie am schnellsten jede Partei, die der
Hilfstruppe weiblicher Mitglieder bedarf. Anderer-
seits wird das Abwägen zwischen berechtigter, sach-
licher Opposition und Parteidisziplin in einzelnen
Frauenfragen an die politische Reife der Frauen
nicht geringe Anforderungen stellen. Diese Fragen
sind individuell von den einzelnen Persönlichkeiten
und grundsätzlich von den weiblichen Parteiorgani-
sationen zu entscheiden. Die allgemeinen Stimm-

ausgehen. Ebenso wie im Ausland eine Norm nicht
dafür festzustellen war, welche Parteien für die end-
gültige Bewilligung des Frauenstimmrechts ausschlag-
gebend waren, ebensowenig ist vorauszusehen, welche
Partei in Deutschland in jedem Einzelfalle das Züng-
lein an der Wage zugunsten des Frauenwahlrechts
bilden wird. Die sich nach Friedensschluß bildende
bewegte innerpolitische Atmosphäre wird eine in-
tensive Mitwirkung der Frauen in den Parteien her-
beiführen, wozu ebenso die gehobene politische An-
teilnahme der Frauen, wie das einsetzende Werben
der Parteien bei bevorstehenden Wahlen beitragen
werden. Hierbei werden die Stimmrechtlerinnen mehr
als zuvor für ihre eigene Sache wirken können, und
das um so erfolgreicher, je intensiver die weiblichen
Mitglieder der verschiedenen Parteien vorher in der
Frauenstimmrechtsbewegung und allgemein politisch
geschult wurden. Sonst werden die Parteien durch
den Eintritt der Frauen wohl einen zahlenmäßigen
aber ebensowenig einen qualitativen Gewinn zu ver-
zeichnen haben, als die Frauen ihrerseits einen Er-
folg ihrer besonderen Bestrebungen. Den Stimm-
rechtlerinnen, die sich in einer Partei betätigen, wer-
den Gewissenskonflikte nicht erspart bleiben. Sie
werden es kaum über sich gewinnen, Kandidaten zu
unterstützen, die Gegner des Frauenstimmrechts sind.
Indem sie sich in solchen Fällen passiv verhalten,
reformieren sie am schnellsten jede Partei, die der
Hilfstruppe weiblicher Mitglieder bedarf. Anderer-
seits wird das Abwägen zwischen berechtigter, sach-
licher Opposition und Parteidisziplin in einzelnen
Frauenfragen an die politische Reife der Frauen
nicht geringe Anforderungen stellen. Diese Fragen
sind individuell von den einzelnen Persönlichkeiten
und grundsätzlich von den weiblichen Parteiorgani-
sationen zu entscheiden. Die allgemeinen Stimm-

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[47/0047] ausgehen. Ebenso wie im Ausland eine Norm nicht dafür festzustellen war, welche Parteien für die end- gültige Bewilligung des Frauenstimmrechts ausschlag- gebend waren, ebensowenig ist vorauszusehen, welche Partei in Deutschland in jedem Einzelfalle das Züng- lein an der Wage zugunsten des Frauenwahlrechts bilden wird. Die sich nach Friedensschluß bildende bewegte innerpolitische Atmosphäre wird eine in- tensive Mitwirkung der Frauen in den Parteien her- beiführen, wozu ebenso die gehobene politische An- teilnahme der Frauen, wie das einsetzende Werben der Parteien bei bevorstehenden Wahlen beitragen werden. Hierbei werden die Stimmrechtlerinnen mehr als zuvor für ihre eigene Sache wirken können, und das um so erfolgreicher, je intensiver die weiblichen Mitglieder der verschiedenen Parteien vorher in der Frauenstimmrechtsbewegung und allgemein politisch geschult wurden. Sonst werden die Parteien durch den Eintritt der Frauen wohl einen zahlenmäßigen aber ebensowenig einen qualitativen Gewinn zu ver- zeichnen haben, als die Frauen ihrerseits einen Er- folg ihrer besonderen Bestrebungen. Den Stimm- rechtlerinnen, die sich in einer Partei betätigen, wer- den Gewissenskonflikte nicht erspart bleiben. Sie werden es kaum über sich gewinnen, Kandidaten zu unterstützen, die Gegner des Frauenstimmrechts sind. Indem sie sich in solchen Fällen passiv verhalten, reformieren sie am schnellsten jede Partei, die der Hilfstruppe weiblicher Mitglieder bedarf. Anderer- seits wird das Abwägen zwischen berechtigter, sach- licher Opposition und Parteidisziplin in einzelnen Frauenfragen an die politische Reife der Frauen nicht geringe Anforderungen stellen. Diese Fragen sind individuell von den einzelnen Persönlichkeiten und grundsätzlich von den weiblichen Parteiorgani- sationen zu entscheiden. Die allgemeinen Stimm-

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/47>, abgerufen am 26.04.2024.