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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Historisches und Statistisches.
zu werden, welches also thatsächlich weisses Roheisen oder ein Mittel-
ding zwischen Roheisen und Stahl war.

So lange man keine Gebläse kannte, betrieb man die Oefen mit
natürlichem Luftzuge und baute sie deshalb gern an Bergesabhänge
oder auf Bergesspitzen; wo jedoch die Technik einigermaassen fort-
geschritten war, benutzte man auch schon im frühen Alterthume ein-
fache Gebläse (Bälge), welche durch menschliche Arbeit bewegt wurden.
Die Benutzung der Wasserkraft zum Betriebe der Gebläse datirt erst
aus dem 13. Jahrhunderte und brachte naturgemäss eine durchgreifende
Umgestaltung im Eisenhüttenwesen hervor. Denn während man früher
die Erze an ihrer Fundstätte verhüttet hatte, musste nunmehr das Vor-
handensein der Wasserkraft den Ausschlag für die Wahl des Standortes
der Hüttenanlage geben. Alte Anlagen mussten kalt gelegt und dem
Verfalle übergeben, neue eingerichtet werden. Der ersparten mensch-
lichen Arbeit für den Betrieb des Gebläses standen die bei der Mangel-
haftigkeit der Verkehrsmittel gewiss nicht unbeträchtlichen Kosten für
den weiteren Transport der Schmelzmaterialien gegenüber. Nicht ohne
manches Bedenken werden unsere Vorväter an die neue Betriebsweise
herangetreten sein, und erst dann werden sie sich zu diesem Schritte
entschlossen haben, als sie durch den mehr und mehr wachsenden Bedarf
an Eisen zu einer Ausdehnung ihres Betriebes gezwungen wurden.

Aber noch in anderer Hinsicht knüpften sich schwerwiegende
Folgen an die neue Einrichtung. Die Möglichkeit, grössere Windmengen
und stärkere Windpressungen als bisher durch Benutzung der Elementar-
kraft zu erzeugen, gab Veranlassung, die Schmelzöfen zur besseren
Wärmeausnutzung und Erzielung einer grösseren Production über ihr
bisheriges Maass hinaus zu erhöhen; in den grösseren Ofen aber fand
ein vollständigerer Reductions- und Kohlungsprocess statt, und statt des
Klumpens schmiedbaren Eisens erhielt man Roheisen, dessen flüssiger
Zustand bei der bereits in Blüthe stehenden Technik der Metallgiesserei
auf seine Verwendbarkeit zur Gusswaarendarstellung hinwies. So be-
gann die gewerbsmässige Roheisendarstellung; einen Schritt weiter, und
man fand, dass beim wiederholten Umschmelzen der beim Giessen ent-
stehenden Abfälle diese sich allmählich in schmiedbares Eisen um-
wandelten, wodurch die bis dahin gebräuchliche Darstellung schmied-
baren Eisens aus den Erzen in den Hintergrund gedrängt und die
Bahn für das heutige System der Eisendarstellung im Grossen ge-
brochen wurde.

Wesentliche Fortschritte seit jener Zeit traten dann erst wieder
hervor, als man im 18. Jahrhunderte, durch den überhand nehmenden
Holzmangel gezwungen, anfing, mineralische Brennstoffe statt der bis
dahin ausschliesslich benutzten Holzkohlen für den Eisenhüttenbetrieb
zu verwenden, und als anderntheils durch die Erfindung der Dampf-
maschine nicht allein der Eisenindustrie ein grösseres Feld als bisher
eröffnet, sondern sie auch von jener immerhin lästigen Fessel befreit
wurde, durch welche sie fast ein halbes Jahrtausend an den Lauf
fliessender Gewässer gebannt war. Rascher als früher in Jahrhunderten
schritt jetzt in Jahrzehnten die Eisenindustrie vorwärts, und rasch folgte
eine Erfindung auf die andere.

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zu werden, welches also thatsächlich weisses Roheisen oder ein Mittel-
ding zwischen Roheisen und Stahl war.

So lange man keine Gebläse kannte, betrieb man die Oefen mit
natürlichem Luftzuge und baute sie deshalb gern an Bergesabhänge
oder auf Bergesspitzen; wo jedoch die Technik einigermaassen fort-
geschritten war, benutzte man auch schon im frühen Alterthume ein-
fache Gebläse (Bälge), welche durch menschliche Arbeit bewegt wurden.
Die Benutzung der Wasserkraft zum Betriebe der Gebläse datirt erst
aus dem 13. Jahrhunderte und brachte naturgemäss eine durchgreifende
Umgestaltung im Eisenhüttenwesen hervor. Denn während man früher
die Erze an ihrer Fundstätte verhüttet hatte, musste nunmehr das Vor-
handensein der Wasserkraft den Ausschlag für die Wahl des Standortes
der Hüttenanlage geben. Alte Anlagen mussten kalt gelegt und dem
Verfalle übergeben, neue eingerichtet werden. Der ersparten mensch-
lichen Arbeit für den Betrieb des Gebläses standen die bei der Mangel-
haftigkeit der Verkehrsmittel gewiss nicht unbeträchtlichen Kosten für
den weiteren Transport der Schmelzmaterialien gegenüber. Nicht ohne
manches Bedenken werden unsere Vorväter an die neue Betriebsweise
herangetreten sein, und erst dann werden sie sich zu diesem Schritte
entschlossen haben, als sie durch den mehr und mehr wachsenden Bedarf
an Eisen zu einer Ausdehnung ihres Betriebes gezwungen wurden.

Aber noch in anderer Hinsicht knüpften sich schwerwiegende
Folgen an die neue Einrichtung. Die Möglichkeit, grössere Windmengen
und stärkere Windpressungen als bisher durch Benutzung der Elementar-
kraft zu erzeugen, gab Veranlassung, die Schmelzöfen zur besseren
Wärmeausnutzung und Erzielung einer grösseren Production über ihr
bisheriges Maass hinaus zu erhöhen; in den grösseren Ofen aber fand
ein vollständigerer Reductions- und Kohlungsprocess statt, und statt des
Klumpens schmiedbaren Eisens erhielt man Roheisen, dessen flüssiger
Zustand bei der bereits in Blüthe stehenden Technik der Metallgiesserei
auf seine Verwendbarkeit zur Gusswaarendarstellung hinwies. So be-
gann die gewerbsmässige Roheisendarstellung; einen Schritt weiter, und
man fand, dass beim wiederholten Umschmelzen der beim Giessen ent-
stehenden Abfälle diese sich allmählich in schmiedbares Eisen um-
wandelten, wodurch die bis dahin gebräuchliche Darstellung schmied-
baren Eisens aus den Erzen in den Hintergrund gedrängt und die
Bahn für das heutige System der Eisendarstellung im Grossen ge-
brochen wurde.

Wesentliche Fortschritte seit jener Zeit traten dann erst wieder
hervor, als man im 18. Jahrhunderte, durch den überhand nehmenden
Holzmangel gezwungen, anfing, mineralische Brennstoffe statt der bis
dahin ausschliesslich benutzten Holzkohlen für den Eisenhüttenbetrieb
zu verwenden, und als anderntheils durch die Erfindung der Dampf-
maschine nicht allein der Eisenindustrie ein grösseres Feld als bisher
eröffnet, sondern sie auch von jener immerhin lästigen Fessel befreit
wurde, durch welche sie fast ein halbes Jahrtausend an den Lauf
fliessender Gewässer gebannt war. Rascher als früher in Jahrhunderten
schritt jetzt in Jahrzehnten die Eisenindustrie vorwärts, und rasch folgte
eine Erfindung auf die andere.

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[8/0036] Historisches und Statistisches. zu werden, welches also thatsächlich weisses Roheisen oder ein Mittel- ding zwischen Roheisen und Stahl war. So lange man keine Gebläse kannte, betrieb man die Oefen mit natürlichem Luftzuge und baute sie deshalb gern an Bergesabhänge oder auf Bergesspitzen; wo jedoch die Technik einigermaassen fort- geschritten war, benutzte man auch schon im frühen Alterthume ein- fache Gebläse (Bälge), welche durch menschliche Arbeit bewegt wurden. Die Benutzung der Wasserkraft zum Betriebe der Gebläse datirt erst aus dem 13. Jahrhunderte und brachte naturgemäss eine durchgreifende Umgestaltung im Eisenhüttenwesen hervor. Denn während man früher die Erze an ihrer Fundstätte verhüttet hatte, musste nunmehr das Vor- handensein der Wasserkraft den Ausschlag für die Wahl des Standortes der Hüttenanlage geben. Alte Anlagen mussten kalt gelegt und dem Verfalle übergeben, neue eingerichtet werden. Der ersparten mensch- lichen Arbeit für den Betrieb des Gebläses standen die bei der Mangel- haftigkeit der Verkehrsmittel gewiss nicht unbeträchtlichen Kosten für den weiteren Transport der Schmelzmaterialien gegenüber. Nicht ohne manches Bedenken werden unsere Vorväter an die neue Betriebsweise herangetreten sein, und erst dann werden sie sich zu diesem Schritte entschlossen haben, als sie durch den mehr und mehr wachsenden Bedarf an Eisen zu einer Ausdehnung ihres Betriebes gezwungen wurden. Aber noch in anderer Hinsicht knüpften sich schwerwiegende Folgen an die neue Einrichtung. Die Möglichkeit, grössere Windmengen und stärkere Windpressungen als bisher durch Benutzung der Elementar- kraft zu erzeugen, gab Veranlassung, die Schmelzöfen zur besseren Wärmeausnutzung und Erzielung einer grösseren Production über ihr bisheriges Maass hinaus zu erhöhen; in den grösseren Ofen aber fand ein vollständigerer Reductions- und Kohlungsprocess statt, und statt des Klumpens schmiedbaren Eisens erhielt man Roheisen, dessen flüssiger Zustand bei der bereits in Blüthe stehenden Technik der Metallgiesserei auf seine Verwendbarkeit zur Gusswaarendarstellung hinwies. So be- gann die gewerbsmässige Roheisendarstellung; einen Schritt weiter, und man fand, dass beim wiederholten Umschmelzen der beim Giessen ent- stehenden Abfälle diese sich allmählich in schmiedbares Eisen um- wandelten, wodurch die bis dahin gebräuchliche Darstellung schmied- baren Eisens aus den Erzen in den Hintergrund gedrängt und die Bahn für das heutige System der Eisendarstellung im Grossen ge- brochen wurde. Wesentliche Fortschritte seit jener Zeit traten dann erst wieder hervor, als man im 18. Jahrhunderte, durch den überhand nehmenden Holzmangel gezwungen, anfing, mineralische Brennstoffe statt der bis dahin ausschliesslich benutzten Holzkohlen für den Eisenhüttenbetrieb zu verwenden, und als anderntheils durch die Erfindung der Dampf- maschine nicht allein der Eisenindustrie ein grösseres Feld als bisher eröffnet, sondern sie auch von jener immerhin lästigen Fessel befreit wurde, durch welche sie fast ein halbes Jahrtausend an den Lauf fliessender Gewässer gebannt war. Rascher als früher in Jahrhunderten schritt jetzt in Jahrzehnten die Eisenindustrie vorwärts, und rasch folgte eine Erfindung auf die andere.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/36>, abgerufen am 26.04.2024.