Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
trächtlicher als diejenige der Eisensorten mit weniger als 1 Proc. Kohle. Stahl mit etwa 1--1.5 Proc. Kohlenstoff lässt sich im gehärteten Zu- stande (in welchem der Kohlenstoffgehalt vollständig gebunden ist) zur Bearbeitung weissen Roheisens mit 3--4 Proc. Kohlenstoff benutzen.
Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt mit zunehmendem Kohlenstoffgehalte.
Aus dem Gesagten folgt, dass Eisen, welches Graphit oder Cement- kohle enthält, durchschnittlich weniger fest ist als solches, dessen Kohlenstoffgehalt im gebundenen Zustande verharrt und nicht erheblich über 1 Proc. hinausgeht; dass ersteres sich durch geringere Sprödigkeit vor dem letztern auszeichnet; dass die Härte des kohlenstoffhaltigen Eisens durch Ausglühen verringert werden kann. In letzterer Be- ziehung darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass die Härte des schmiedbaren Eisens wie der schmiedbaren Metalle überhaupt auch durch fortgesetzte Bearbeitung im kalten Zustande erheblich gesteigert werden kann und dass auch diese durch Bearbeitung künstlich erzeugte Härte durch Ausglühen wieder verschwindet. Verringert sich also durch diesen Process die Härte eines Eisens, so kann nur dann auf die Ent- stehung von Graphit oder Cementkohle geschlossen werden, wenn nicht der vorherige Härtegrad in der erwähnten Weise, d. h. durch Bearbeitung, hervorgerufen worden war.
Da nun Graphit an und für sich unschmelzbar ist, das bei der Graphitbildung zurückbleibende kohlenstoffärmere Eisen aber eine höhere Temperatur zum Schmelzen erfordert, als wenn es an Stelle des Graphits gebundene Kohle enthielte, da ferner für die Wiedervereinigung (Lösung) des Graphits mit dem Eisen immerhin beginnende Schmelzung des letzteren erforderlich sein wird, so erklärt es sich, dass graphit- haltiges Eisen eine höhere Schmelztemperatur besitzt als graphitfreies mit dem nämlichen Gesammtkohlenstoff- gehalte.
Theorie der Eisenkohlenstofflegirungen.
Ausgehend von der Anschauung, dass, wo eine Vereinigung zweier verschiedener Körper zu einem gleichmässigen Ganzen stattfindet, auch nothwendigerweise eine chemische Verbindung im eigentlichen Sinne, d. h. nach den Verhältnissen der Atomgewichte oder ihrer Vielfachen, vorhanden sein müsse, ist man seit dem Aufblühen der metallurgischen Wissenschaft vielfach bemüht gewesen, solche bestimmte chemische Ver- bindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff aufzufinden und die Eigen- schaften des kohlenstoffhaltigen Eisens von der Anwesenheit dieser Ver- bindungen abzuleiten. Man nannte diese Eisenkohlenstoffverbindungen Carburete, und verschiedene Forscher glaubten verschiedene solcher Carburete gefunden zu haben. Die betreffenden Theorien sind in sämmt- lichen älteren Handbüchern der Eisenhüttenkunde mitgetheilt. 1)
1) Eine Zusammenstellung derselben findet der Leser in Dürre, Constitution des Roheisens, Leipzig 1868, S. 9--20.
Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
trächtlicher als diejenige der Eisensorten mit weniger als 1 Proc. Kohle. Stahl mit etwa 1—1.5 Proc. Kohlenstoff lässt sich im gehärteten Zu- stande (in welchem der Kohlenstoffgehalt vollständig gebunden ist) zur Bearbeitung weissen Roheisens mit 3—4 Proc. Kohlenstoff benutzen.
Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt mit zunehmendem Kohlenstoffgehalte.
Aus dem Gesagten folgt, dass Eisen, welches Graphit oder Cement- kohle enthält, durchschnittlich weniger fest ist als solches, dessen Kohlenstoffgehalt im gebundenen Zustande verharrt und nicht erheblich über 1 Proc. hinausgeht; dass ersteres sich durch geringere Sprödigkeit vor dem letztern auszeichnet; dass die Härte des kohlenstoffhaltigen Eisens durch Ausglühen verringert werden kann. In letzterer Be- ziehung darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass die Härte des schmiedbaren Eisens wie der schmiedbaren Metalle überhaupt auch durch fortgesetzte Bearbeitung im kalten Zustande erheblich gesteigert werden kann und dass auch diese durch Bearbeitung künstlich erzeugte Härte durch Ausglühen wieder verschwindet. Verringert sich also durch diesen Process die Härte eines Eisens, so kann nur dann auf die Ent- stehung von Graphit oder Cementkohle geschlossen werden, wenn nicht der vorherige Härtegrad in der erwähnten Weise, d. h. durch Bearbeitung, hervorgerufen worden war.
Da nun Graphit an und für sich unschmelzbar ist, das bei der Graphitbildung zurückbleibende kohlenstoffärmere Eisen aber eine höhere Temperatur zum Schmelzen erfordert, als wenn es an Stelle des Graphits gebundene Kohle enthielte, da ferner für die Wiedervereinigung (Lösung) des Graphits mit dem Eisen immerhin beginnende Schmelzung des letzteren erforderlich sein wird, so erklärt es sich, dass graphit- haltiges Eisen eine höhere Schmelztemperatur besitzt als graphitfreies mit dem nämlichen Gesammtkohlenstoff- gehalte.
Theorie der Eisenkohlenstofflegirungen.
Ausgehend von der Anschauung, dass, wo eine Vereinigung zweier verschiedener Körper zu einem gleichmässigen Ganzen stattfindet, auch nothwendigerweise eine chemische Verbindung im eigentlichen Sinne, d. h. nach den Verhältnissen der Atomgewichte oder ihrer Vielfachen, vorhanden sein müsse, ist man seit dem Aufblühen der metallurgischen Wissenschaft vielfach bemüht gewesen, solche bestimmte chemische Ver- bindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff aufzufinden und die Eigen- schaften des kohlenstoffhaltigen Eisens von der Anwesenheit dieser Ver- bindungen abzuleiten. Man nannte diese Eisenkohlenstoffverbindungen Carburete, und verschiedene Forscher glaubten verschiedene solcher Carburete gefunden zu haben. Die betreffenden Theorien sind in sämmt- lichen älteren Handbüchern der Eisenhüttenkunde mitgetheilt. 1)
1) Eine Zusammenstellung derselben findet der Leser in Dürre, Constitution des Roheisens, Leipzig 1868, S. 9—20.
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Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
trächtlicher als diejenige der Eisensorten mit weniger als 1 Proc. Kohle.
Stahl mit etwa 1—1.5 Proc. Kohlenstoff lässt sich im gehärteten Zu-
stande (in welchem der Kohlenstoffgehalt vollständig gebunden ist) zur
Bearbeitung weissen Roheisens mit 3—4 Proc. Kohlenstoff benutzen.
Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt mit zunehmendem
Kohlenstoffgehalte.
Aus dem Gesagten folgt, dass Eisen, welches Graphit oder Cement-
kohle enthält, durchschnittlich weniger fest ist als solches, dessen
Kohlenstoffgehalt im gebundenen Zustande verharrt und nicht erheblich
über 1 Proc. hinausgeht; dass ersteres sich durch geringere Sprödigkeit
vor dem letztern auszeichnet; dass die Härte des kohlenstoffhaltigen
Eisens durch Ausglühen verringert werden kann. In letzterer Be-
ziehung darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass die Härte des
schmiedbaren Eisens wie der schmiedbaren Metalle überhaupt auch
durch fortgesetzte Bearbeitung im kalten Zustande erheblich gesteigert
werden kann und dass auch diese durch Bearbeitung künstlich erzeugte
Härte durch Ausglühen wieder verschwindet. Verringert sich also durch
diesen Process die Härte eines Eisens, so kann nur dann auf die Ent-
stehung von Graphit oder Cementkohle geschlossen werden, wenn nicht
der vorherige Härtegrad in der erwähnten Weise, d. h. durch Bearbeitung,
hervorgerufen worden war.
Da nun Graphit an und für sich unschmelzbar ist, das bei der
Graphitbildung zurückbleibende kohlenstoffärmere Eisen aber eine höhere
Temperatur zum Schmelzen erfordert, als wenn es an Stelle des Graphits
gebundene Kohle enthielte, da ferner für die Wiedervereinigung (Lösung)
des Graphits mit dem Eisen immerhin beginnende Schmelzung des
letzteren erforderlich sein wird, so erklärt es sich, dass graphit-
haltiges Eisen eine höhere Schmelztemperatur besitzt als
graphitfreies mit dem nämlichen Gesammtkohlenstoff-
gehalte.
Theorie der Eisenkohlenstofflegirungen.
Ausgehend von der Anschauung, dass, wo eine Vereinigung zweier
verschiedener Körper zu einem gleichmässigen Ganzen stattfindet, auch
nothwendigerweise eine chemische Verbindung im eigentlichen Sinne,
d. h. nach den Verhältnissen der Atomgewichte oder ihrer Vielfachen,
vorhanden sein müsse, ist man seit dem Aufblühen der metallurgischen
Wissenschaft vielfach bemüht gewesen, solche bestimmte chemische Ver-
bindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff aufzufinden und die Eigen-
schaften des kohlenstoffhaltigen Eisens von der Anwesenheit dieser Ver-
bindungen abzuleiten. Man nannte diese Eisenkohlenstoffverbindungen
Carburete, und verschiedene Forscher glaubten verschiedene solcher
Carburete gefunden zu haben. Die betreffenden Theorien sind in sämmt-
lichen älteren Handbüchern der Eisenhüttenkunde mitgetheilt. 1)
1) Eine Zusammenstellung derselben findet der Leser in Dürre, Constitution
des Roheisens, Leipzig 1868, S. 9—20.
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/286>, abgerufen am 22.12.2024.
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