Der Schrecken ist hier mehr in Gebärden als Mienen ausgedrückt.
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Zehntes Fragment. Etwas über Kleidung, Stimme, Gang, Gebärdung, Stellung.
Stimme, Gang, Stellung, Gebärdung, Kleidung -- alles an dem Menschen ist physiognomisch -- alles, was der Mensch berührt, und was durch seine Hände geht, was in seinen Kreis tritt -- nimmt etwas von ihm an. Jn allem erspiegelt er sich, drückt er sich ab, vervielfältigt er sein Bild, und Büffon hat recht, wenn er sagt: "Ein kluger Mensch muß seine Kleider als einen Theil von sich "selbst ansehen." Jch kann mich aber da nicht hineinlassen: Nur das einzige in Ansehung der Klei- dung und des Putzes sage ich: Unreinlichkeit und Uebelordnung in der Kleidung ist wohl ein entscheidendes Zeichen eines wo nicht unedlen, doch unfeinen Menschen, dem es an wahrem Ge- schmacke fehlt. Aber sogleich muß ich auch das beyfügen: Die gewöhnlichen theils kostbaren und blendenden -- theils lächerlichen und abgeschmackten Aufzüge unsers Frauenvolkes sind wohl eben so sehr ein entscheidender Beweis von der Gesunkenheit des wahren Geschmacks und vom Mangel an Kraft, blinden und tauben Modegesetzen zu widerstehen. Jch für mein Theil (nicht als Christ
und
Phys. Fragm.IVVersuch. G g g
Leidenſchaftliche Charakter.
Der Schrecken iſt hier mehr in Gebaͤrden als Mienen ausgedruͤckt.
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Zehntes Fragment. Etwas uͤber Kleidung, Stimme, Gang, Gebaͤrdung, Stellung.
Stimme, Gang, Stellung, Gebaͤrdung, Kleidung — alles an dem Menſchen iſt phyſiognomiſch — alles, was der Menſch beruͤhrt, und was durch ſeine Haͤnde geht, was in ſeinen Kreis tritt — nimmt etwas von ihm an. Jn allem erſpiegelt er ſich, druͤckt er ſich ab, vervielfaͤltigt er ſein Bild, und Buͤffon hat recht, wenn er ſagt: „Ein kluger Menſch muß ſeine Kleider als einen Theil von ſich „ſelbſt anſehen.“ Jch kann mich aber da nicht hineinlaſſen: Nur das einzige in Anſehung der Klei- dung und des Putzes ſage ich: Unreinlichkeit und Uebelordnung in der Kleidung iſt wohl ein entſcheidendes Zeichen eines wo nicht unedlen, doch unfeinen Menſchen, dem es an wahrem Ge- ſchmacke fehlt. Aber ſogleich muß ich auch das beyfuͤgen: Die gewoͤhnlichen theils koſtbaren und blendenden — theils laͤcherlichen und abgeſchmackten Aufzuͤge unſers Frauenvolkes ſind wohl eben ſo ſehr ein entſcheidender Beweis von der Geſunkenheit des wahren Geſchmacks und vom Mangel an Kraft, blinden und tauben Modegeſetzen zu widerſtehen. Jch fuͤr mein Theil (nicht als Chriſt
und
Phyſ. Fragm.IVVerſuch. G g g
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Leidenſchaftliche Charakter.
Der Schrecken iſt hier mehr in Gebaͤrden als Mienen ausgedruͤckt.
[Abbildung]
Zehntes Fragment.
Etwas uͤber Kleidung, Stimme, Gang, Gebaͤrdung, Stellung.
Stimme, Gang, Stellung, Gebaͤrdung, Kleidung — alles an dem Menſchen iſt phyſiognomiſch —
alles, was der Menſch beruͤhrt, und was durch ſeine Haͤnde geht, was in ſeinen Kreis tritt — nimmt
etwas von ihm an. Jn allem erſpiegelt er ſich, druͤckt er ſich ab, vervielfaͤltigt er ſein Bild, und
Buͤffon hat recht, wenn er ſagt: „Ein kluger Menſch muß ſeine Kleider als einen Theil von ſich
„ſelbſt anſehen.“ Jch kann mich aber da nicht hineinlaſſen: Nur das einzige in Anſehung der Klei-
dung und des Putzes ſage ich: Unreinlichkeit und Uebelordnung in der Kleidung iſt wohl ein
entſcheidendes Zeichen eines wo nicht unedlen, doch unfeinen Menſchen, dem es an wahrem Ge-
ſchmacke fehlt. Aber ſogleich muß ich auch das beyfuͤgen: Die gewoͤhnlichen theils koſtbaren und
blendenden — theils laͤcherlichen und abgeſchmackten Aufzuͤge unſers Frauenvolkes ſind wohl eben
ſo ſehr ein entſcheidender Beweis von der Geſunkenheit des wahren Geſchmacks und vom Mangel
an Kraft, blinden und tauben Modegeſetzen zu widerſtehen. Jch fuͤr mein Theil (nicht als Chriſt
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Phyſ. Fragm. IV Verſuch. G g g
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/525>, abgerufen am 17.11.2024.
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