widerstehen? Ja, o Mensch, wer bist du, der du mit Gott zankest? Sagt auch ein Werk zu dem, der es gemacht hat, warum hast du mich also gemacht?*)
Oder hat nicht der Töpfer Gewalt über den Laim, eben aus einem Laimschol- len das eine Geschirr zwar zu Ehren, das andere aber zu Unehren zu machen? Wenn aber Gott, als er den Zorn erzeigen und sein Vermögen kund thun wollen, mit großer Langmüthigkeit die Gefäße des Zorns, die zur Verderbniß zugerichtet sind, getragen hat, auf daß er kund thäte den Reichthum seiner Herrlichkeit gegen die Gefäße der Barmherzigkeit, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat.
Jch thue nichts davon, und nichts dazu -- als -- Gott hat alles unter den Ungehor- sam und Verfall beschlossen, auf daß er sich aller erbarme! -- O welch eine Tiefe des Reichthums, der Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte, und wie unergründlich seine Wege! -- Denn wer hat des Herrn Gemüth er- kannt, oder wer ist sein Rathgeber gewesen, oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß es ihm sollte wieder vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und in ihm sind alle Dinge! Jhm sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
IV. Trost an Zerfallene aus der Schrift.
Siehe Bruder! dein Angesicht ist zerfallen, wie dein Herz. Du erschrickst vor deinem ei- genen Blicke. Wehmuth und Schaam nagt dir im Mark deiner Gebeine -- du fühlst es im stil- len Augenblicke, hingestreckt auf dein Lager, oder am Arm eines Freundes, der dich bewundert und lobt. Du ergrimmst über dich selber -- und denkst dich mit tödtendem Gram in die Unschuld und Einfalt deiner Jugend zurück ... Verzage nicht, Bruder! es ist Rath und Hülfe vorhan-
den.
*)Jst dein Auge böse, darum, daß ich gut bin? Habe ich nicht Gewalt, mit dem Meinigen zu thun, was ich will? Also werden die letzten die ersten, und die ersten die letzten seyn. Denn viel sind Berufne, aber wenig Auserwählte. Christus.
D d 3
Schriftſtellen.
widerſtehen? Ja, o Menſch, wer biſt du, der du mit Gott zankeſt? Sagt auch ein Werk zu dem, der es gemacht hat, warum haſt du mich alſo gemacht?*)
Oder hat nicht der Toͤpfer Gewalt uͤber den Laim, eben aus einem Laimſchol- len das eine Geſchirr zwar zu Ehren, das andere aber zu Unehren zu machen? Wenn aber Gott, als er den Zorn erzeigen und ſein Vermoͤgen kund thun wollen, mit großer Langmuͤthigkeit die Gefaͤße des Zorns, die zur Verderbniß zugerichtet ſind, getragen hat, auf daß er kund thaͤte den Reichthum ſeiner Herrlichkeit gegen die Gefaͤße der Barmherzigkeit, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat.
Jch thue nichts davon, und nichts dazu — als — Gott hat alles unter den Ungehor- ſam und Verfall beſchloſſen, auf daß er ſich aller erbarme! — O welch eine Tiefe des Reichthums, der Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unerforſchlich ſind ſeine Gerichte, und wie unergruͤndlich ſeine Wege! — Denn wer hat des Herrn Gemuͤth er- kannt, oder wer iſt ſein Rathgeber geweſen, oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß es ihm ſollte wieder vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und in ihm ſind alle Dinge! Jhm ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
IV. Troſt an Zerfallene aus der Schrift.
Siehe Bruder! dein Angeſicht iſt zerfallen, wie dein Herz. Du erſchrickſt vor deinem ei- genen Blicke. Wehmuth und Schaam nagt dir im Mark deiner Gebeine — du fuͤhlſt es im ſtil- len Augenblicke, hingeſtreckt auf dein Lager, oder am Arm eines Freundes, der dich bewundert und lobt. Du ergrimmſt uͤber dich ſelber — und denkſt dich mit toͤdtendem Gram in die Unſchuld und Einfalt deiner Jugend zuruͤck ... Verzage nicht, Bruder! es iſt Rath und Huͤlfe vorhan-
den.
*)Jſt dein Auge boͤſe, darum, daß ich gut bin? Habe ich nicht Gewalt, mit dem Meinigen zu thun, was ich will? Alſo werden die letzten die erſten, und die erſten die letzten ſeyn. Denn viel ſind Berufne, aber wenig Auserwaͤhlte. Chriſtus.
D d 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0243"n="213"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Schriftſtellen.</hi></hi></fw><lb/><hirendition="#fr">widerſtehen? Ja, o Menſch, wer biſt du, der du mit Gott zankeſt? Sagt auch ein<lb/>
Werk zu dem, der es gemacht hat, warum haſt du mich alſo gemacht?</hi><noteplace="foot"n="*)"><cit><quote><hirendition="#fr">Jſt dein Auge boͤſe, darum, daß ich gut bin?<lb/>
Habe ich nicht Gewalt, mit dem Meinigen zu thun, was ich will?<lb/>
Alſo werden die letzten die erſten, und die erſten die letzten ſeyn. Denn viel ſind Berufne, aber<lb/>
wenig Auserwaͤhlte.<lb/><hirendition="#et">Chriſtus.</hi></hi></quote></cit></note></p><lb/><p><hirendition="#fr">Oder hat nicht der Toͤpfer Gewalt uͤber den Laim, eben aus einem Laimſchol-<lb/>
len das eine Geſchirr zwar zu Ehren, das andere aber zu Unehren zu machen? Wenn<lb/>
aber Gott, als er den Zorn erzeigen und ſein Vermoͤgen kund thun wollen, mit großer<lb/>
Langmuͤthigkeit die Gefaͤße des Zorns, die zur Verderbniß zugerichtet ſind, getragen<lb/>
hat, auf daß er kund thaͤte den Reichthum ſeiner Herrlichkeit gegen die Gefaͤße der<lb/>
Barmherzigkeit, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat.</hi></p><lb/><p>Jch thue nichts davon, und nichts dazu — als —<hirendition="#fr">Gott hat alles unter den Ungehor-<lb/>ſam und Verfall beſchloſſen, auf daß er ſich aller erbarme! — O welch eine Tiefe des<lb/>
Reichthums, der Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unerforſchlich ſind ſeine<lb/>
Gerichte, und wie unergruͤndlich ſeine Wege! — Denn wer hat des Herrn Gemuͤth er-<lb/>
kannt, oder wer iſt ſein Rathgeber geweſen, oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß<lb/>
es ihm ſollte wieder vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und in ihm ſind<lb/>
alle Dinge! Jhm ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!</hi></p></div></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Troſt an Zerfallene aus der Schrift.</hi></head><lb/><p>Siehe Bruder! dein Angeſicht iſt zerfallen, wie dein Herz. Du erſchrickſt vor deinem ei-<lb/>
genen Blicke. Wehmuth und Schaam nagt dir im Mark deiner Gebeine — du fuͤhlſt es im ſtil-<lb/>
len Augenblicke, hingeſtreckt auf dein Lager, oder am Arm eines Freundes, der dich bewundert<lb/>
und lobt. Du ergrimmſt uͤber dich ſelber — und denkſt dich mit toͤdtendem Gram in die Unſchuld<lb/>
und Einfalt deiner Jugend zuruͤck ... Verzage nicht, Bruder! es iſt Rath und Huͤlfe vorhan-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">den.</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[213/0243]
Schriftſtellen.
widerſtehen? Ja, o Menſch, wer biſt du, der du mit Gott zankeſt? Sagt auch ein
Werk zu dem, der es gemacht hat, warum haſt du mich alſo gemacht? *)
Oder hat nicht der Toͤpfer Gewalt uͤber den Laim, eben aus einem Laimſchol-
len das eine Geſchirr zwar zu Ehren, das andere aber zu Unehren zu machen? Wenn
aber Gott, als er den Zorn erzeigen und ſein Vermoͤgen kund thun wollen, mit großer
Langmuͤthigkeit die Gefaͤße des Zorns, die zur Verderbniß zugerichtet ſind, getragen
hat, auf daß er kund thaͤte den Reichthum ſeiner Herrlichkeit gegen die Gefaͤße der
Barmherzigkeit, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat.
Jch thue nichts davon, und nichts dazu — als — Gott hat alles unter den Ungehor-
ſam und Verfall beſchloſſen, auf daß er ſich aller erbarme! — O welch eine Tiefe des
Reichthums, der Weisheit und der Erkenntniß Gottes! Wie unerforſchlich ſind ſeine
Gerichte, und wie unergruͤndlich ſeine Wege! — Denn wer hat des Herrn Gemuͤth er-
kannt, oder wer iſt ſein Rathgeber geweſen, oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß
es ihm ſollte wieder vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und in ihm ſind
alle Dinge! Jhm ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!
IV.
Troſt an Zerfallene aus der Schrift.
Siehe Bruder! dein Angeſicht iſt zerfallen, wie dein Herz. Du erſchrickſt vor deinem ei-
genen Blicke. Wehmuth und Schaam nagt dir im Mark deiner Gebeine — du fuͤhlſt es im ſtil-
len Augenblicke, hingeſtreckt auf dein Lager, oder am Arm eines Freundes, der dich bewundert
und lobt. Du ergrimmſt uͤber dich ſelber — und denkſt dich mit toͤdtendem Gram in die Unſchuld
und Einfalt deiner Jugend zuruͤck ... Verzage nicht, Bruder! es iſt Rath und Huͤlfe vorhan-
den.
*) Jſt dein Auge boͤſe, darum, daß ich gut bin?
Habe ich nicht Gewalt, mit dem Meinigen zu thun, was ich will?
Alſo werden die letzten die erſten, und die erſten die letzten ſeyn. Denn viel ſind Berufne, aber
wenig Auserwaͤhlte.
Chriſtus.
D d 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/243>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.