Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. VIII. Fragment.
Psalm XC. XCIV. 8. 9. 10. -- Kein Mensch glaubt so innig an Gottes Allwissenheit; keiner
fühlt sich vor Gott und Engeln so offen -- hört, wenn ich so sagen darf, den Himmel in seinem Ge-
sichte laut lesen, als der, welcher an die Physiognomik glaubt.

II. Christus. *)
1.

Welcher aus euch kann mit Sorgen zu seiner Gliedmaß eine Elle hinzusetzen --
So ihr nun auch das Geringste nicht vermöget -- warum sorget ihr für das übrige? Su-
chet zum ersten Gottes Reich und Gerechtigkeit: so wird euch alles übrige zufallen.

Matth. VI. Mit Sorgen kannst du auch an deiner Gestalt nichts ändern. Verbesserung aber
deines innwendigen Menschen verbessert auch dein Aeußerliches. Sorge du nur fürs Jnnwendige,
so ist fürs Aeußere schon gesorgt.

2.

Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen, wie die Gleißner -- denn sie verstel-
len ihr Angesicht, damit sie vor den Leuten scheinen, daß sie fasten. -- Wahrlich ich sa-
ge euch: sie haben ihren Lohn dahin. Du aber, wenn du fastest, so salbe dein Haupt,
und wasche dein Angesicht, auf daß du nicht scheinest vor den Leuten, daß du fastest --
sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist -- und dein Vater, der im Ver-
borgenen ist, wird es dir öffentlich vergelten.
Matth. VI. 16. Man kann vor Menschen Tu-
genden verheelen, wie Laster -- aber keines von beyden vor dem Vater im Verborgenen -- und
[Spaltenumbruch]

vor
ses. Jac. I. 11. 1 Petr. II. 24. Und wer sich in seiner
schönen Gestalt erhebt, und seine Weisheit um ihrer
Schönheit willen verderbt, der wird auf den Boden
geworfen, und zu einem Schauspiel gemacht.
Ezech.
XXVIII. 17. Jes. III. 9. 19. f. X. 21. XVI. 24. Jhre
Leichname werden allem Fleische ein Abscheu feyn.
Doch der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum;
er wird wachsen wie ein Zederbaum am Libanon.
[Spaltenumbruch] Wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch
Frucht tragen, saftig und grün seyn.
Ein rechtschaf-
fen frommes Gesicht blühet in jedem Alter. Keine Fal-
ten, keine Furchen, keine Krankheit, rauben ihm sein
Theion -- das Siegel seiner Unsterblichkeit.
*) Schon mehrere Worte Christi sind hin und wie-
der angeführt worden; die hier nicht wiederholt wer-
den.

III. Abſchnitt. VIII. Fragment.
Pſalm XC. XCIV. 8. 9. 10. — Kein Menſch glaubt ſo innig an Gottes Allwiſſenheit; keiner
fuͤhlt ſich vor Gott und Engeln ſo offen — hoͤrt, wenn ich ſo ſagen darf, den Himmel in ſeinem Ge-
ſichte laut leſen, als der, welcher an die Phyſiognomik glaubt.

II. Chriſtus. *)
1.

Welcher aus euch kann mit Sorgen zu ſeiner Gliedmaß eine Elle hinzuſetzen —
So ihr nun auch das Geringſte nicht vermoͤget — warum ſorget ihr fuͤr das uͤbrige? Su-
chet zum erſten Gottes Reich und Gerechtigkeit: ſo wird euch alles uͤbrige zufallen.

Matth. VI. Mit Sorgen kannſt du auch an deiner Geſtalt nichts aͤndern. Verbeſſerung aber
deines innwendigen Menſchen verbeſſert auch dein Aeußerliches. Sorge du nur fuͤrs Jnnwendige,
ſo iſt fuͤrs Aeußere ſchon geſorgt.

2.

Wenn ihr faſtet, ſollt ihr nicht ſauer ſehen, wie die Gleißner — denn ſie verſtel-
len ihr Angeſicht, damit ſie vor den Leuten ſcheinen, daß ſie faſten. — Wahrlich ich ſa-
ge euch: ſie haben ihren Lohn dahin. Du aber, wenn du faſteſt, ſo ſalbe dein Haupt,
und waſche dein Angeſicht, auf daß du nicht ſcheineſt vor den Leuten, daß du faſteſt —
ſondern vor deinem Vater, der im Verborgenen iſt — und dein Vater, der im Ver-
borgenen iſt, wird es dir oͤffentlich vergelten.
Matth. VI. 16. Man kann vor Menſchen Tu-
genden verheelen, wie Laſter — aber keines von beyden vor dem Vater im Verborgenen — und
[Spaltenumbruch]

vor
ſes. Jac. I. 11. 1 Petr. II. 24. Und wer ſich in ſeiner
ſchoͤnen Geſtalt erhebt, und ſeine Weisheit um ihrer
Schoͤnheit willen verderbt, der wird auf den Boden
geworfen, und zu einem Schauſpiel gemacht.
Ezech.
XXVIII. 17. Jeſ. III. 9. 19. f. X. 21. XVI. 24. Jhre
Leichname werden allem Fleiſche ein Abſcheu feyn.
Doch der Gerechte wird gruͤnen wie ein Palmbaum;
er wird wachſen wie ein Zederbaum am Libanon.
[Spaltenumbruch] Wenn ſie gleich alt werden, werden ſie dennoch
Frucht tragen, ſaftig und gruͤn ſeyn.
Ein rechtſchaf-
fen frommes Geſicht bluͤhet in jedem Alter. Keine Fal-
ten, keine Furchen, keine Krankheit, rauben ihm ſein
Θειον — das Siegel ſeiner Unſterblichkeit.
*) Schon mehrere Worte Chriſti ſind hin und wie-
der angefuͤhrt worden; die hier nicht wiederholt wer-
den.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0232" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/>
P&#x017F;alm <hi rendition="#aq">XC. XCIV.</hi> 8. 9. 10. &#x2014; Kein Men&#x017F;ch glaubt &#x017F;o innig an Gottes Allwi&#x017F;&#x017F;enheit; keiner<lb/>
fu&#x0364;hlt &#x017F;ich vor Gott und Engeln &#x017F;o offen &#x2014; ho&#x0364;rt, wenn ich &#x017F;o &#x017F;agen darf, den Himmel in &#x017F;einem Ge-<lb/>
&#x017F;ichte laut le&#x017F;en, als der, welcher an die Phy&#x017F;iognomik glaubt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tus.</hi> </hi> <note place="foot" n="*)">Schon mehrere Worte Chri&#x017F;ti &#x017F;ind hin und wie-<lb/>
der angefu&#x0364;hrt worden; die hier nicht wiederholt wer-<lb/>
den.</note>
              </head><lb/>
              <div n="5">
                <head>1.</head><lb/>
                <p><hi rendition="#fr">Welcher aus euch kann mit Sorgen zu &#x017F;einer Gliedmaß eine Elle hinzu&#x017F;etzen &#x2014;<lb/>
So ihr nun auch das Gering&#x017F;te nicht vermo&#x0364;get &#x2014; warum &#x017F;orget ihr fu&#x0364;r das u&#x0364;brige? Su-<lb/>
chet zum er&#x017F;ten Gottes Reich und Gerechtigkeit: &#x017F;o wird euch alles u&#x0364;brige zufallen.</hi><lb/>
Matth. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Mit Sorgen kann&#x017F;t du auch an deiner Ge&#x017F;talt nichts a&#x0364;ndern. Verbe&#x017F;&#x017F;erung aber<lb/>
deines innwendigen Men&#x017F;chen verbe&#x017F;&#x017F;ert auch dein Aeußerliches. Sorge du nur fu&#x0364;rs Jnnwendige,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t fu&#x0364;rs Aeußere &#x017F;chon ge&#x017F;orgt.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>2.</head><lb/>
                <p><hi rendition="#fr">Wenn ihr fa&#x017F;tet, &#x017F;ollt ihr nicht &#x017F;auer &#x017F;ehen, wie die Gleißner &#x2014; denn &#x017F;ie ver&#x017F;tel-<lb/>
len ihr Ange&#x017F;icht, damit &#x017F;ie vor den Leuten &#x017F;cheinen, daß &#x017F;ie fa&#x017F;ten. &#x2014; Wahrlich ich &#x017F;a-<lb/>
ge euch: &#x017F;ie haben ihren Lohn dahin. Du aber, wenn du fa&#x017F;te&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;albe dein Haupt,<lb/>
und wa&#x017F;che dein Ange&#x017F;icht, auf daß du nicht &#x017F;cheine&#x017F;t vor den Leuten, daß du fa&#x017F;te&#x017F;t &#x2014;<lb/>
&#x017F;ondern vor deinem Vater, der im Verborgenen i&#x017F;t &#x2014; und dein Vater, der im Ver-<lb/>
borgenen i&#x017F;t, wird es dir o&#x0364;ffentlich vergelten.</hi> Matth. <hi rendition="#aq">VI.</hi> 16. Man kann vor Men&#x017F;chen Tu-<lb/>
genden verheelen, wie La&#x017F;ter &#x2014; aber keines von beyden vor dem Vater im Verborgenen &#x2014; und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vor</fw><lb/><cb/>
<note xml:id="a06" prev="#a05" place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">&#x017F;es.</hi> Jac. <hi rendition="#aq">I.</hi> 11. 1 Petr. <hi rendition="#aq">II.</hi> 24. <hi rendition="#fr">Und wer &#x017F;ich in &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Ge&#x017F;talt erhebt, und &#x017F;eine Weisheit um ihrer<lb/>
Scho&#x0364;nheit willen verderbt, der wird auf den Boden<lb/>
geworfen, und zu einem Schau&#x017F;piel gemacht.</hi> Ezech.<lb/><hi rendition="#aq">XXVIII.</hi> 17. Je&#x017F;. <hi rendition="#aq">III.</hi> 9. 19. f. <hi rendition="#aq">X. 21. XVI.</hi> 24. <hi rendition="#fr">Jhre<lb/>
Leichname werden allem Flei&#x017F;che ein Ab&#x017F;cheu feyn.<lb/>
Doch der Gerechte wird gru&#x0364;nen wie ein Palmbaum;<lb/>
er wird wach&#x017F;en wie ein Zederbaum am Libanon.<lb/><cb/>
Wenn &#x017F;ie gleich alt werden, werden &#x017F;ie dennoch<lb/>
Frucht tragen, &#x017F;aftig und gru&#x0364;n &#x017F;eyn.</hi> Ein recht&#x017F;chaf-<lb/>
fen frommes Ge&#x017F;icht blu&#x0364;het in jedem Alter. Keine Fal-<lb/>
ten, keine Furchen, keine Krankheit, rauben ihm &#x017F;ein<lb/>
&#x0398;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x2014; das Siegel &#x017F;einer Un&#x017F;terblichkeit.</note><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0232] III. Abſchnitt. VIII. Fragment. Pſalm XC. XCIV. 8. 9. 10. — Kein Menſch glaubt ſo innig an Gottes Allwiſſenheit; keiner fuͤhlt ſich vor Gott und Engeln ſo offen — hoͤrt, wenn ich ſo ſagen darf, den Himmel in ſeinem Ge- ſichte laut leſen, als der, welcher an die Phyſiognomik glaubt. II. Chriſtus. *) 1. Welcher aus euch kann mit Sorgen zu ſeiner Gliedmaß eine Elle hinzuſetzen — So ihr nun auch das Geringſte nicht vermoͤget — warum ſorget ihr fuͤr das uͤbrige? Su- chet zum erſten Gottes Reich und Gerechtigkeit: ſo wird euch alles uͤbrige zufallen. Matth. VI. Mit Sorgen kannſt du auch an deiner Geſtalt nichts aͤndern. Verbeſſerung aber deines innwendigen Menſchen verbeſſert auch dein Aeußerliches. Sorge du nur fuͤrs Jnnwendige, ſo iſt fuͤrs Aeußere ſchon geſorgt. 2. Wenn ihr faſtet, ſollt ihr nicht ſauer ſehen, wie die Gleißner — denn ſie verſtel- len ihr Angeſicht, damit ſie vor den Leuten ſcheinen, daß ſie faſten. — Wahrlich ich ſa- ge euch: ſie haben ihren Lohn dahin. Du aber, wenn du faſteſt, ſo ſalbe dein Haupt, und waſche dein Angeſicht, auf daß du nicht ſcheineſt vor den Leuten, daß du faſteſt — ſondern vor deinem Vater, der im Verborgenen iſt — und dein Vater, der im Ver- borgenen iſt, wird es dir oͤffentlich vergelten. Matth. VI. 16. Man kann vor Menſchen Tu- genden verheelen, wie Laſter — aber keines von beyden vor dem Vater im Verborgenen — und vor *) *) Schon mehrere Worte Chriſti ſind hin und wie- der angefuͤhrt worden; die hier nicht wiederholt wer- den. *) ſes. Jac. I. 11. 1 Petr. II. 24. Und wer ſich in ſeiner ſchoͤnen Geſtalt erhebt, und ſeine Weisheit um ihrer Schoͤnheit willen verderbt, der wird auf den Boden geworfen, und zu einem Schauſpiel gemacht. Ezech. XXVIII. 17. Jeſ. III. 9. 19. f. X. 21. XVI. 24. Jhre Leichname werden allem Fleiſche ein Abſcheu feyn. Doch der Gerechte wird gruͤnen wie ein Palmbaum; er wird wachſen wie ein Zederbaum am Libanon. Wenn ſie gleich alt werden, werden ſie dennoch Frucht tragen, ſaftig und gruͤn ſeyn. Ein rechtſchaf- fen frommes Geſicht bluͤhet in jedem Alter. Keine Fal- ten, keine Furchen, keine Krankheit, rauben ihm ſein Θειον — das Siegel ſeiner Unſterblichkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/232
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/232>, abgerufen am 18.12.2024.