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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Frauenspersonen.
Neuntes Fragment.
Maria Flückiger.
Des III. Ban-
des LXXXVI.
Tafel.

Wenn sie so ist, wie dieß Bild -- kein gemeines Weib; -- aber nicht aus
meiner Welt! Der ganze äußere Umriß -- gemein bäuerisch -- Das Auge nicht
dumm, treffend, verführerisch, für wen? -- gewiß nicht für ein physiognomisches Auge! So
wenig als die Nase! so wenig als der Mund, der besonders was kleinliches hat. Fleisch verführt
Fleisch -- aber die Physiognomik verwahrt vor solchen Verführungen, wie der feine Geschmack
vorm Lesen Erröthung verbreitender Zoten. Ueberhaupt aber gestehe ich, daß mir das ganze Ge-
sicht, von Seite der Zeichnung und der Behandlung, schwach und fade scheint. Die Augen allein
verdienen die Aufmerksamkeit des Physiognomisten. Dieser beynah eckigte Bogen ist des hellen
und schnellen Bemerkers -- nicht eben des Beobachtungsgeistes -- gewiß selten oder nie der be-
scheidenen, innigen, erhabnen Weiblichkeit. Die Nase ist zu schlecht gezeichnet und schattirt, als
daß sich was weiters, als flache Gemeinheit daraus sehen ließe.

Nachste-
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Frauensperſonen.
Neuntes Fragment.
Maria Fluͤckiger.
Des III. Ban-
des LXXXVI.
Tafel.

Wenn ſie ſo iſt, wie dieß Bild — kein gemeines Weib; — aber nicht aus
meiner Welt! Der ganze aͤußere Umriß — gemein baͤueriſch — Das Auge nicht
dumm, treffend, verfuͤhreriſch, fuͤr wen? — gewiß nicht fuͤr ein phyſiognomiſches Auge! So
wenig als die Naſe! ſo wenig als der Mund, der beſonders was kleinliches hat. Fleiſch verfuͤhrt
Fleiſch — aber die Phyſiognomik verwahrt vor ſolchen Verfuͤhrungen, wie der feine Geſchmack
vorm Leſen Erroͤthung verbreitender Zoten. Ueberhaupt aber geſtehe ich, daß mir das ganze Ge-
ſicht, von Seite der Zeichnung und der Behandlung, ſchwach und fade ſcheint. Die Augen allein
verdienen die Aufmerkſamkeit des Phyſiognomiſten. Dieſer beynah eckigte Bogen iſt des hellen
und ſchnellen Bemerkers — nicht eben des Beobachtungsgeiſtes — gewiß ſelten oder nie der be-
ſcheidenen, innigen, erhabnen Weiblichkeit. Die Naſe iſt zu ſchlecht gezeichnet und ſchattirt, als
daß ſich was weiters, als flache Gemeinheit daraus ſehen ließe.

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[307/0495] Frauensperſonen. Neuntes Fragment. Maria Fluͤckiger. Wenn ſie ſo iſt, wie dieß Bild — kein gemeines Weib; — aber nicht aus meiner Welt! Der ganze aͤußere Umriß — gemein baͤueriſch — Das Auge nicht dumm, treffend, verfuͤhreriſch, fuͤr wen? — gewiß nicht fuͤr ein phyſiognomiſches Auge! So wenig als die Naſe! ſo wenig als der Mund, der beſonders was kleinliches hat. Fleiſch verfuͤhrt Fleiſch — aber die Phyſiognomik verwahrt vor ſolchen Verfuͤhrungen, wie der feine Geſchmack vorm Leſen Erroͤthung verbreitender Zoten. Ueberhaupt aber geſtehe ich, daß mir das ganze Ge- ſicht, von Seite der Zeichnung und der Behandlung, ſchwach und fade ſcheint. Die Augen allein verdienen die Aufmerkſamkeit des Phyſiognomiſten. Dieſer beynah eckigte Bogen iſt des hellen und ſchnellen Bemerkers — nicht eben des Beobachtungsgeiſtes — gewiß ſelten oder nie der be- ſcheidenen, innigen, erhabnen Weiblichkeit. Die Naſe iſt zu ſchlecht gezeichnet und ſchattirt, als daß ſich was weiters, als flache Gemeinheit daraus ſehen ließe. Nachſte- Q q 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/495>, abgerufen am 17.11.2024.