Siebentes Fragment. Zwey Frauenzimmer; Eins von vornen; Eins im Profile.
G.
Des III. Ban- des LXXXIV. Tafel. G. u. H.
Dasselbe weibliche Gesicht -- weniger schmachtend und jugendlicher, kindischer -- Die unschuldigste Bonhomie im Munde. Aber die Schiefheit des linken Auges, und die auffallende Kleinlichkeit der linken Augenbraune, in Vergleichung mit der rechten -- ferner die Schiefe des Kopfputzes -- (man ziehe nur eine gerade Linie -- nach der Länge und Lage der Nase herauf, man wird sie leicht bemerken) sodann das matte, gedankenlose Hinausstaunen in den uner- meßlichen blauen Himmel ... Alles Sünden wider die Natur! .. und wider die Ehre des Ur- hebers der Natur! .. Verläumdung und Verunstaltung seines harmonischen Werkes.
H.
Kein unbedeutendes, und doch kein außerordentliches Gesicht .. Die Nase weggerechnet, wie perpendikular die Form des Gesichtes -- Die Stirne gemein; sie wäre weniger gemein, wenn die Krümmung von oben herab länger fortgienge; oder wenn die Geradheit der untern zween Drit- tel des Stirnumrisses -- die ganze Stirnlinie ausmachte -- noch mehr aber, wenn diese mehr zu- rückgienge. Wer sich die Mühe nehmen mag, diese wenigen sichern Bemerkungen sich wohl einzu- prägen, der wird seinen physiognomischen Blick in Ansehung der Stirnen gewiß sehr geschärft haben.
Die Entfernung der Augenbraune vom einfältig hinstaunenden Auge, das, an sich betrach- tet, männlicher Verstandeshelle fähig wäre, schwächt den Eindruck von Verstand. Die Nase voll Ausdruck von Adel, Reinheit, Größe. Um den Mund herum ausnehmende Treue, Einfalt, Liebe, Frömmigkeit -- Kraft im Kinne und Ohre.
Achtes
XI. Abſchnitt. VII. Fragment.
Siebentes Fragment. Zwey Frauenzimmer; Eins von vornen; Eins im Profile.
G.
Des III. Ban- des LXXXIV. Tafel. G. u. H.
Daſſelbe weibliche Geſicht — weniger ſchmachtend und jugendlicher, kindiſcher — Die unſchuldigſte Bonhomie im Munde. Aber die Schiefheit des linken Auges, und die auffallende Kleinlichkeit der linken Augenbraune, in Vergleichung mit der rechten — ferner die Schiefe des Kopfputzes — (man ziehe nur eine gerade Linie — nach der Laͤnge und Lage der Naſe herauf, man wird ſie leicht bemerken) ſodann das matte, gedankenloſe Hinausſtaunen in den uner- meßlichen blauen Himmel ... Alles Suͤnden wider die Natur! .. und wider die Ehre des Ur- hebers der Natur! .. Verlaͤumdung und Verunſtaltung ſeines harmoniſchen Werkes.
H.
Kein unbedeutendes, und doch kein außerordentliches Geſicht .. Die Naſe weggerechnet, wie perpendikular die Form des Geſichtes — Die Stirne gemein; ſie waͤre weniger gemein, wenn die Kruͤmmung von oben herab laͤnger fortgienge; oder wenn die Geradheit der untern zween Drit- tel des Stirnumriſſes — die ganze Stirnlinie ausmachte — noch mehr aber, wenn dieſe mehr zu- ruͤckgienge. Wer ſich die Muͤhe nehmen mag, dieſe wenigen ſichern Bemerkungen ſich wohl einzu- praͤgen, der wird ſeinen phyſiognomiſchen Blick in Anſehung der Stirnen gewiß ſehr geſchaͤrft haben.
Die Entfernung der Augenbraune vom einfaͤltig hinſtaunenden Auge, das, an ſich betrach- tet, maͤnnlicher Verſtandeshelle faͤhig waͤre, ſchwaͤcht den Eindruck von Verſtand. Die Naſe voll Ausdruck von Adel, Reinheit, Groͤße. Um den Mund herum ausnehmende Treue, Einfalt, Liebe, Froͤmmigkeit — Kraft im Kinne und Ohre.
Achtes
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XI. Abſchnitt. VII. Fragment.
Siebentes Fragment.
Zwey Frauenzimmer; Eins von vornen; Eins im Profile.
G.
Daſſelbe weibliche Geſicht — weniger ſchmachtend und jugendlicher, kindiſcher —
Die unſchuldigſte Bonhomie im Munde. Aber die Schiefheit des linken Auges, und
die auffallende Kleinlichkeit der linken Augenbraune, in Vergleichung mit der rechten — ferner die
Schiefe des Kopfputzes — (man ziehe nur eine gerade Linie — nach der Laͤnge und Lage der Naſe
herauf, man wird ſie leicht bemerken) ſodann das matte, gedankenloſe Hinausſtaunen in den uner-
meßlichen blauen Himmel ... Alles Suͤnden wider die Natur! .. und wider die Ehre des Ur-
hebers der Natur! .. Verlaͤumdung und Verunſtaltung ſeines harmoniſchen Werkes.
H.
Kein unbedeutendes, und doch kein außerordentliches Geſicht .. Die Naſe weggerechnet,
wie perpendikular die Form des Geſichtes — Die Stirne gemein; ſie waͤre weniger gemein, wenn
die Kruͤmmung von oben herab laͤnger fortgienge; oder wenn die Geradheit der untern zween Drit-
tel des Stirnumriſſes — die ganze Stirnlinie ausmachte — noch mehr aber, wenn dieſe mehr zu-
ruͤckgienge. Wer ſich die Muͤhe nehmen mag, dieſe wenigen ſichern Bemerkungen ſich wohl einzu-
praͤgen, der wird ſeinen phyſiognomiſchen Blick in Anſehung der Stirnen gewiß ſehr geſchaͤrft haben.
Die Entfernung der Augenbraune vom einfaͤltig hinſtaunenden Auge, das, an ſich betrach-
tet, maͤnnlicher Verſtandeshelle faͤhig waͤre, ſchwaͤcht den Eindruck von Verſtand. Die Naſe voll
Ausdruck von Adel, Reinheit, Groͤße. Um den Mund herum ausnehmende Treue, Einfalt, Liebe,
Froͤmmigkeit — Kraft im Kinne und Ohre.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/486>, abgerufen am 03.03.2025.
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