So selten man frey offne, kühn bogigte Augen finden wird, die der Schwärmerey ergeben sind, so selten solche Augen, wie diese -- die nicht in Schwärmerey versinken. Nicht, daß sie's müs- sen. Aber, unter gewissen Umständen, bey gewissen Veranlassungen -- ist's höchst wahrscheinlich, daß sie's werden. Und diese Umstände und Veranlassungen können wiederum natürliche Folgen gerade dieser Bildung und des Geistes dieser Bildung seyn.
2.
Hier ein anderer Jesuite, dessen Namen ich nicht weiß. Er hat nicht die große Form seines Ordensstifters. Er ist nicht der erste seiner Art. Die ganze Physiognomie ist mehr jesuitisch, als schwärmerisch. Die Seele des Jesuitismus ist im Auge, besonders im linken.
Dieser Blick ist Menschenkennerisch. Aber deutlich und tief philosophirt dieß Gesicht nicht. Die Augenbraunen sind nicht stark, unb dachförmig gedrängt, wie an so vielen englischen Denkern, und kaltforschenden Philosophen; die Nase ist hier eines sehr klugen. Auf dem Munde schwebt viel Klugheit; aber wenig Liebe. Der äußere Umriß von der Stirne herab bis zur Nase, beynahe Buch- stabe eines religiosen Kopfes; der's wenigstens werden sollte -- mit Religion sich abgeben wird.
[Abbildung]
3. Aber
X. Abſchnitt. XII. Fragment.
So ſelten man frey offne, kuͤhn bogigte Augen finden wird, die der Schwaͤrmerey ergeben ſind, ſo ſelten ſolche Augen, wie dieſe — die nicht in Schwaͤrmerey verſinken. Nicht, daß ſie’s muͤſ- ſen. Aber, unter gewiſſen Umſtaͤnden, bey gewiſſen Veranlaſſungen — iſt’s hoͤchſt wahrſcheinlich, daß ſie’s werden. Und dieſe Umſtaͤnde und Veranlaſſungen koͤnnen wiederum natuͤrliche Folgen gerade dieſer Bildung und des Geiſtes dieſer Bildung ſeyn.
2.
Hier ein anderer Jeſuite, deſſen Namen ich nicht weiß. Er hat nicht die große Form ſeines Ordensſtifters. Er iſt nicht der erſte ſeiner Art. Die ganze Phyſiognomie iſt mehr jeſuitiſch, als ſchwaͤrmeriſch. Die Seele des Jeſuitismus iſt im Auge, beſonders im linken.
Dieſer Blick iſt Menſchenkenneriſch. Aber deutlich und tief philoſophirt dieß Geſicht nicht. Die Augenbraunen ſind nicht ſtark, unb dachfoͤrmig gedraͤngt, wie an ſo vielen engliſchen Denkern, und kaltforſchenden Philoſophen; die Naſe iſt hier eines ſehr klugen. Auf dem Munde ſchwebt viel Klugheit; aber wenig Liebe. Der aͤußere Umriß von der Stirne herab bis zur Naſe, beynahe Buch- ſtabe eines religioſen Kopfes; der’s wenigſtens werden ſollte — mit Religion ſich abgeben wird.
[Abbildung]
3. Aber
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X. Abſchnitt. XII. Fragment.
So ſelten man frey offne, kuͤhn bogigte Augen finden wird, die der Schwaͤrmerey ergeben
ſind, ſo ſelten ſolche Augen, wie dieſe — die nicht in Schwaͤrmerey verſinken. Nicht, daß ſie’s muͤſ-
ſen. Aber, unter gewiſſen Umſtaͤnden, bey gewiſſen Veranlaſſungen — iſt’s hoͤchſt wahrſcheinlich,
daß ſie’s werden. Und dieſe Umſtaͤnde und Veranlaſſungen koͤnnen wiederum natuͤrliche Folgen
gerade dieſer Bildung und des Geiſtes dieſer Bildung ſeyn.
2.
Hier ein anderer Jeſuite, deſſen Namen ich nicht weiß. Er hat nicht die große Form ſeines
Ordensſtifters. Er iſt nicht der erſte ſeiner Art. Die ganze Phyſiognomie iſt mehr jeſuitiſch, als
ſchwaͤrmeriſch. Die Seele des Jeſuitismus iſt im Auge, beſonders im linken.
Dieſer Blick iſt Menſchenkenneriſch. Aber deutlich und tief philoſophirt dieß Geſicht nicht.
Die Augenbraunen ſind nicht ſtark, unb dachfoͤrmig gedraͤngt, wie an ſo vielen engliſchen Denkern,
und kaltforſchenden Philoſophen; die Naſe iſt hier eines ſehr klugen. Auf dem Munde ſchwebt viel
Klugheit; aber wenig Liebe. Der aͤußere Umriß von der Stirne herab bis zur Naſe, beynahe Buch-
ſtabe eines religioſen Kopfes; der’s wenigſtens werden ſollte — mit Religion ſich abgeben wird.
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3. Aber
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/436>, abgerufen am 17.11.2024.
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