Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.X. Abschnitt. XI. Fragment. Eilftes Fragment. Des III. Ban-Carl Borromäus. des LXXV. Tafel. Ein Mann, wie der -- soll also so ein Gesicht haben? Und da dieß Gesicht sehr ähnlich, sein Charakter sehr bekannt ist -- so ist's Lust, Daß es ein religioses Gesicht ist, ist, wie mich däucht, auffallend. Form und Miene -- stimmen zusammen. So also sieht ein Mann aus -- der in seinem 23. Jahre -- Erzbischof und Cardinal wurde, Durchscheinend däucht mir das härmliche Kasteyen, Fasten, Abhärten -- durchscheinend, Auf dem Munde schwebt innere Festigkeit, Klugheit, Keuschheit, Bescheidenheit; und So
X. Abſchnitt. XI. Fragment. Eilftes Fragment. Des III. Ban-Carl Borromaͤus. des LXXV. Tafel. Ein Mann, wie der — ſoll alſo ſo ein Geſicht haben? Und da dieß Geſicht ſehr aͤhnlich, ſein Charakter ſehr bekannt iſt — ſo iſt’s Luſt, Daß es ein religioſes Geſicht iſt, iſt, wie mich daͤucht, auffallend. Form und Miene — ſtimmen zuſammen. So alſo ſieht ein Mann aus — der in ſeinem 23. Jahre — Erzbiſchof und Cardinal wurde, Durchſcheinend daͤucht mir das haͤrmliche Kaſteyen, Faſten, Abhaͤrten — durchſcheinend, Auf dem Munde ſchwebt innere Feſtigkeit, Klugheit, Keuſchheit, Beſcheidenheit; und So
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X. Abſchnitt. XI. Fragment.
Eilftes Fragment.
Carl Borromaͤus.
Ein Mann, wie der — ſoll alſo ſo ein Geſicht haben?
Und da dieß Geſicht ſehr aͤhnlich, ſein Charakter ſehr bekannt iſt — ſo iſt’s Luſt,
hier zu phyſiognomiſiren.
Daß es ein religioſes Geſicht iſt, iſt, wie mich daͤucht, auffallend.
Form und Miene — ſtimmen zuſammen.
So alſo ſieht ein Mann aus — der in ſeinem 23. Jahre — Erzbiſchof und Cardinal wurde,
und es zu werden verdiente; der mit einer kaum begreiflichen Wuͤrkſamkeit alle Punkte ſeines uner-
meßlichen Berufs auszufuͤllen ſchien: So der Stifter ſo mancher großer, weitwuͤrkender, dauren-
der Anſtalten; ein unermuͤdeter Lehrer, und ein immer gleich hellleuchtendes Beyſpiel der Religion
und Tugend — der ſeine natuͤrlichen und poſitifen Kraͤfte — mit ſo edler Einfalt, ſo ruhiger Leich-
tigkeit — beyden, und beyden allein aufopferte. So mit Geiſte geſalbt iſt ein Geſicht — das eine
Seele belebt, die lauter Glaube, Hoffnung und Liebe zu ſeyn ſcheint. So blickt das Auge des
Menſchenforſchers und Menſchenkenners, der jedem das Geſchaͤffte auftraͤgt, das ihm zukoͤmmt —
das Auge des Phyſiognomen. Nicht das Auge des ſcharfen, Glied an Glied reihenden — Philo-
ſophen — aber das Auge des ſchnellen und doch ruhigen Feſthalters und Beobachters aller ihm be-
gegnenden, ſeinen Zwecken ſo dienlichen, Geſtalten. Und dann — welche Demuth — in dieſem
Geſichte — in dieſem Charakter! — Planmachend, Planausfuͤhrend — aber nichts weniger, als
erſtuͤrmend iſt dieſer Blick, dieſe Form des Auges, dieſer Stirnbogen. Von dieſem letztern moͤcht’
ich Religionslinie abſtrahiren — aber Religionslinie — die eben ſo leicht zur Aengſtlichkeit her-
ab, als zur ſtillen Gottesfreude und Himmelshoffnung hinaufſtimmen kann.
Durchſcheinend daͤucht mir das haͤrmliche Kaſteyen, Faſten, Abhaͤrten — durchſcheinend,
der bey aller weit verbreiteten Geſchaͤfftigkeit ſtille, in ſich gegenwaͤrtige Geiſt. —
Auf dem Munde ſchwebt innere Feſtigkeit, Klugheit, Keuſchheit, Beſcheidenheit; und
die Naſe — von welch entſcheidendem Charakter iſt dieſe!
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