Jm Ganzen eines der sonderbarsten, ausgezeichnetsten Gesichter. Jn der Natur noch mehr, als in der nicht fehlerlosen, aber doch ähnlichen Copie -- Ausdruck von Ge- lenksamkeit und Genie!
Die Stirn ist nicht des tiefforschenden, aber des hellsehenden, des viel- und schnellfassen- den, und im Fassen neubildenden.
Das Aug ist weit unter der Natur. Braun im blauweißen Apfel; hell und schnell sich wendend -- Es hat auch im Kupfer entscheidenden Ausdruck edler Schöngeistigkeit.
Jn der langvorstehenden, untenher horizontalen Nase, und dem Uebergange derselben zum Munde; in der ganz außerordentlichen Oberlippe find' ich Ausdruck der biegsamsten Leidsamkeit, des reinsten Schönheitsgefühls; Sitz launischen Wesens -- Jn der Form der Kinnlade viel weib- lich empfindsames; in der seltenen Länge des Kinns eine gedehnte Stärke von der seltensten Art.
Das Ohr ist von den besten und bestimmtesten, die ich gesehen. Die Weite des Ober- und Hinterhauptes -- zeigt Vielfaßlichkeit und Heiterkeit.
Nachstehende Vignette -- keines Poeten, aber eines, wie man sagt, Naturvollen Schau- spielers. So schief durch Zeichners Schuld das Gesicht ist -- es ist voll Witz, Laune, voll Natur- ergreifenden Blickes.
[Abbildung]
Viertes
D d 2
Drittes Fragment. Ein Profil, ſchattirt. Gr.
Des III. Ban- des LXII. Tafel.
Jm Ganzen eines der ſonderbarſten, ausgezeichnetſten Geſichter. Jn der Natur noch mehr, als in der nicht fehlerloſen, aber doch aͤhnlichen Copie — Ausdruck von Ge- lenkſamkeit und Genie!
Die Stirn iſt nicht des tiefforſchenden, aber des hellſehenden, des viel- und ſchnellfaſſen- den, und im Faſſen neubildenden.
Das Aug iſt weit unter der Natur. Braun im blauweißen Apfel; hell und ſchnell ſich wendend — Es hat auch im Kupfer entſcheidenden Ausdruck edler Schoͤngeiſtigkeit.
Jn der langvorſtehenden, untenher horizontalen Naſe, und dem Uebergange derſelben zum Munde; in der ganz außerordentlichen Oberlippe find’ ich Ausdruck der biegſamſten Leidſamkeit, des reinſten Schoͤnheitsgefuͤhls; Sitz launiſchen Weſens — Jn der Form der Kinnlade viel weib- lich empfindſames; in der ſeltenen Laͤnge des Kinns eine gedehnte Staͤrke von der ſeltenſten Art.
Das Ohr iſt von den beſten und beſtimmteſten, die ich geſehen. Die Weite des Ober- und Hinterhauptes — zeigt Vielfaßlichkeit und Heiterkeit.
Nachſtehende Vignette — keines Poeten, aber eines, wie man ſagt, Naturvollen Schau- ſpielers. So ſchief durch Zeichners Schuld das Geſicht iſt — es iſt voll Witz, Laune, voll Natur- ergreifenden Blickes.
[Abbildung]
Viertes
D d 2
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Drittes Fragment.
Ein Profil, ſchattirt. Gr.
Jm Ganzen eines der ſonderbarſten, ausgezeichnetſten Geſichter. Jn der Natur noch
mehr, als in der nicht fehlerloſen, aber doch aͤhnlichen Copie — Ausdruck von Ge-
lenkſamkeit und Genie!
Die Stirn iſt nicht des tiefforſchenden, aber des hellſehenden, des viel- und ſchnellfaſſen-
den, und im Faſſen neubildenden.
Das Aug iſt weit unter der Natur. Braun im blauweißen Apfel; hell und ſchnell ſich
wendend — Es hat auch im Kupfer entſcheidenden Ausdruck edler Schoͤngeiſtigkeit.
Jn der langvorſtehenden, untenher horizontalen Naſe, und dem Uebergange derſelben zum
Munde; in der ganz außerordentlichen Oberlippe find’ ich Ausdruck der biegſamſten Leidſamkeit,
des reinſten Schoͤnheitsgefuͤhls; Sitz launiſchen Weſens — Jn der Form der Kinnlade viel weib-
lich empfindſames; in der ſeltenen Laͤnge des Kinns eine gedehnte Staͤrke von der ſeltenſten Art.
Das Ohr iſt von den beſten und beſtimmteſten, die ich geſehen. Die Weite des Ober-
und Hinterhauptes — zeigt Vielfaßlichkeit und Heiterkeit.
Nachſtehende Vignette — keines Poeten, aber eines, wie man ſagt, Naturvollen Schau-
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/351>, abgerufen am 03.03.2025.
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