Wie weit abstehend dieß Profil -- von aller perpendikularen Steifheit oder Drang- härte und Eisenfestigkeit! Kein gemeines Gesicht -- das zeigt die Hauptform des Pro- fils -- Man denke sich vom Kinne durch die Nase hinauf eine Perpendikularlinie -- wie erstaunlich zurückweichend die Stirne -- deren Umriß auch an sich den Charakter poetischen Talentes hat.
Das Auge -- (ich traue zwar der Zeichnung nicht ganz) ist gewiß nicht des tiefeinschnei- denden Helldenkers; -- ist -- offenbar poetisches Seherauge.
Güte und Rührbarkeit ist im Munde unverkennbar -- und so auch im hintern Theile des Kopfs. Merkwürdig, daß alle zurückgehende Stirnen weit herausgewölbte Hinterhäupter ha- ben. Wieder ein Grundstein zu der Offenbarung des großen Geheimnisses -- von der Homoge- nität und Analogie jeder menschlichen Physiognomie.
Die Röthelmanier hat übrigens, wofern die Zeichnung noch bestimmter wäre, als die, so wir vor uns haben, und die Ausführung noch etwas kecker und reinlicher, große Vorzüge für die Physiognomik.
Nachstehende Vignette -- ob kenntlich, oder unkenntlich, weiß ich nicht -- mag im Blick, Nase, Mund -- Dichtertalent haben -- in der Augenbraun und zu perpendikularen Stirne hat sie's nicht.
[Abbildung]
Drittes
Zweytes Fragment. Ein geroͤtheltes Profil. R.
Des III. Ban- des LXI. Tafel. R.
Wie weit abſtehend dieß Profil — von aller perpendikularen Steifheit oder Drang- haͤrte und Eiſenfeſtigkeit! Kein gemeines Geſicht — das zeigt die Hauptform des Pro- fils — Man denke ſich vom Kinne durch die Naſe hinauf eine Perpendikularlinie — wie erſtaunlich zuruͤckweichend die Stirne — deren Umriß auch an ſich den Charakter poetiſchen Talentes hat.
Das Auge — (ich traue zwar der Zeichnung nicht ganz) iſt gewiß nicht des tiefeinſchnei- denden Helldenkers; — iſt — offenbar poetiſches Seherauge.
Guͤte und Ruͤhrbarkeit iſt im Munde unverkennbar — und ſo auch im hintern Theile des Kopfs. Merkwuͤrdig, daß alle zuruͤckgehende Stirnen weit herausgewoͤlbte Hinterhaͤupter ha- ben. Wieder ein Grundſtein zu der Offenbarung des großen Geheimniſſes — von der Homoge- nitaͤt und Analogie jeder menſchlichen Phyſiognomie.
Die Roͤthelmanier hat uͤbrigens, wofern die Zeichnung noch beſtimmter waͤre, als die, ſo wir vor uns haben, und die Ausfuͤhrung noch etwas kecker und reinlicher, große Vorzuͤge fuͤr die Phyſiognomik.
Nachſtehende Vignette — ob kenntlich, oder unkenntlich, weiß ich nicht — mag im Blick, Naſe, Mund — Dichtertalent haben — in der Augenbraun und zu perpendikularen Stirne hat ſie’s nicht.
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Drittes
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Zweytes Fragment.
Ein geroͤtheltes Profil. R.
Wie weit abſtehend dieß Profil — von aller perpendikularen Steifheit oder Drang-
haͤrte und Eiſenfeſtigkeit! Kein gemeines Geſicht — das zeigt die Hauptform des Pro-
fils — Man denke ſich vom Kinne durch die Naſe hinauf eine Perpendikularlinie — wie erſtaunlich
zuruͤckweichend die Stirne — deren Umriß auch an ſich den Charakter poetiſchen Talentes hat.
Das Auge — (ich traue zwar der Zeichnung nicht ganz) iſt gewiß nicht des tiefeinſchnei-
denden Helldenkers; — iſt — offenbar poetiſches Seherauge.
Guͤte und Ruͤhrbarkeit iſt im Munde unverkennbar — und ſo auch im hintern Theile des
Kopfs. Merkwuͤrdig, daß alle zuruͤckgehende Stirnen weit herausgewoͤlbte Hinterhaͤupter ha-
ben. Wieder ein Grundſtein zu der Offenbarung des großen Geheimniſſes — von der Homoge-
nitaͤt und Analogie jeder menſchlichen Phyſiognomie.
Die Roͤthelmanier hat uͤbrigens, wofern die Zeichnung noch beſtimmter waͤre, als die, ſo
wir vor uns haben, und die Ausfuͤhrung noch etwas kecker und reinlicher, große Vorzuͤge fuͤr die
Phyſiognomik.
Nachſtehende Vignette — ob kenntlich, oder unkenntlich, weiß ich nicht — mag im Blick,
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/346>, abgerufen am 03.03.2025.
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