Erst ein Wort von dem Charakter, und einige Anekdoten aus dem Leben dieses würdigen Mannes.
Hedlinger, der berühmte schweizerische Medailleur, dessen Arbeiten alle -- über sein Zeit- alter erhaben sind -- -- Er hatte, wie mir Leute, die Menschen kennen, und ihn persönlich kann- ten, versicherten -- einen starken, herrlich gebauten Körper, und eine feste Gesundheit, die er auch bey einer höchst einförmigen frugalen Lebensart bis ans Ende behielt.
Er kam in einem Alter in sein Vaterland zurück, wo er noch Geistes- und Sinneskräfte genug für die größten und vortrefflichsten seiner Werke hatte. Aber er gieng heim -- um noch ruhig und geräuschlos Gott und seiner Freyheit zu leben.
Einsam wohnte er auf einer angenehmen Anhöhe in einem Hause, das nach seinem Ge- schmacke ausgebildet, und durch und durch mit Meisterstücken mancherley Art, mit Sinnbildern und Jnnschriften geschmückt war. Stille lebt' er da, von einem Paar alter Freunde besucht -- und von allen Fremden, die sein Vaterland durchreiseten.
Gleichförmigkeit, unerschütterliche Ruhe und Heiterkeit, Gebet und Fleiß und Stille -- das war sein Leben.
Er hatte eine sehr ausgebreitete Belesenheit; "aber manches Buch," sagte er einst zu sei- nem Freunde Hotze, von dem ich diese Anekdoten alle herhabe, "warf ich ins Feuer, nachdem ichs "gelesen hatte." -- Mit Entzücken las er die besten Schriften der alten und neuen Dichter und Weisen -- aber auch mit Entzücken die Geschichte des seligen Bruder Claus -- und das lohn' ihm Gott! Auf seinem Hausaltar lagen seine Meß-Andachten, und -- darf ich's sagen? von Lavaters Erbauungsschriften einige -- freundlich neben einander.
Er hatte eine weite vielfassende Seele -- sanftes Gefühl für alles, was wahr, groß und schön ist -- und sein Herz war einfältig genug, alles hinzulegen, was Ruhe störet, ohne Glückse- ligkeit zu befördern. Er ergriff, behielt, und benutzte dennoch nur, was ihm wahr und beruhi- gend schien.
Jn
VII. Abſchnitt. V. Fragment.
Fuͤnftes Fragment.
Carolus von Hedlinger. Erſte Tafel.
Erſt ein Wort von dem Charakter, und einige Anekdoten aus dem Leben dieſes wuͤrdigen Mannes.
Hedlinger, der beruͤhmte ſchweizeriſche Medailleur, deſſen Arbeiten alle — uͤber ſein Zeit- alter erhaben ſind — — Er hatte, wie mir Leute, die Menſchen kennen, und ihn perſoͤnlich kann- ten, verſicherten — einen ſtarken, herrlich gebauten Koͤrper, und eine feſte Geſundheit, die er auch bey einer hoͤchſt einfoͤrmigen frugalen Lebensart bis ans Ende behielt.
Er kam in einem Alter in ſein Vaterland zuruͤck, wo er noch Geiſtes- und Sinneskraͤfte genug fuͤr die groͤßten und vortrefflichſten ſeiner Werke hatte. Aber er gieng heim — um noch ruhig und geraͤuſchlos Gott und ſeiner Freyheit zu leben.
Einſam wohnte er auf einer angenehmen Anhoͤhe in einem Hauſe, das nach ſeinem Ge- ſchmacke ausgebildet, und durch und durch mit Meiſterſtuͤcken mancherley Art, mit Sinnbildern und Jnnſchriften geſchmuͤckt war. Stille lebt’ er da, von einem Paar alter Freunde beſucht — und von allen Fremden, die ſein Vaterland durchreiſeten.
Gleichfoͤrmigkeit, unerſchuͤtterliche Ruhe und Heiterkeit, Gebet und Fleiß und Stille — das war ſein Leben.
Er hatte eine ſehr ausgebreitete Beleſenheit; „aber manches Buch,“ ſagte er einſt zu ſei- nem Freunde Hotze, von dem ich dieſe Anekdoten alle herhabe, „warf ich ins Feuer, nachdem ichs „geleſen hatte.“ — Mit Entzuͤcken las er die beſten Schriften der alten und neuen Dichter und Weiſen — aber auch mit Entzuͤcken die Geſchichte des ſeligen Bruder Claus — und das lohn’ ihm Gott! Auf ſeinem Hausaltar lagen ſeine Meß-Andachten, und — darf ich’s ſagen? von Lavaters Erbauungsſchriften einige — freundlich neben einander.
Er hatte eine weite vielfaſſende Seele — ſanftes Gefuͤhl fuͤr alles, was wahr, groß und ſchoͤn iſt — und ſein Herz war einfaͤltig genug, alles hinzulegen, was Ruhe ſtoͤret, ohne Gluͤckſe- ligkeit zu befoͤrdern. Er ergriff, behielt, und benutzte dennoch nur, was ihm wahr und beruhi- gend ſchien.
Jn
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="174"facs="#f0282"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b"><hirendition="#g"><hirendition="#aq">VII.</hi> Abſchnitt. <hirendition="#aq">V.</hi> Fragment.</hi></hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Fuͤnftes Fragment.</hi></head><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Carolus von Hedlinger. <hirendition="#fr">Erſte Tafel.</hi></hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>rſt ein Wort von dem Charakter, und einige Anekdoten aus dem Leben dieſes wuͤrdigen<lb/>
Mannes.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Hedlinger,</hi> der beruͤhmte ſchweizeriſche Medailleur, deſſen Arbeiten alle — uͤber ſein Zeit-<lb/>
alter erhaben ſind —— Er hatte, wie mir Leute, die Menſchen kennen, und ihn perſoͤnlich kann-<lb/>
ten, verſicherten — einen ſtarken, herrlich gebauten Koͤrper, und eine feſte Geſundheit, die er auch<lb/>
bey einer hoͤchſt einfoͤrmigen frugalen Lebensart bis ans Ende behielt.</p><lb/><p>Er kam in einem Alter in ſein Vaterland zuruͤck, wo er noch Geiſtes- und Sinneskraͤfte<lb/>
genug fuͤr die groͤßten und vortrefflichſten ſeiner Werke hatte. Aber er gieng <hirendition="#fr">heim</hi>— um noch<lb/>
ruhig und geraͤuſchlos Gott und ſeiner Freyheit zu leben.</p><lb/><p>Einſam wohnte er auf einer angenehmen Anhoͤhe in einem Hauſe, das nach ſeinem Ge-<lb/>ſchmacke ausgebildet, und durch und durch mit Meiſterſtuͤcken mancherley Art, mit Sinnbildern<lb/>
und Jnnſchriften geſchmuͤckt war. Stille lebt’ er da, von einem Paar alter Freunde beſucht —<lb/>
und von allen Fremden, die ſein Vaterland durchreiſeten.</p><lb/><p>Gleichfoͤrmigkeit, unerſchuͤtterliche Ruhe und Heiterkeit, Gebet und Fleiß und Stille —<lb/>
das war ſein Leben.</p><lb/><p>Er hatte eine ſehr ausgebreitete Beleſenheit; „aber manches Buch,“ſagte er einſt zu ſei-<lb/>
nem Freunde <hirendition="#fr">Hotze,</hi> von dem ich dieſe Anekdoten alle herhabe, „warf ich ins Feuer, nachdem ichs<lb/>„geleſen hatte.“— Mit Entzuͤcken las er die beſten Schriften der alten und neuen Dichter und<lb/>
Weiſen — aber auch mit Entzuͤcken die Geſchichte des ſeligen Bruder <hirendition="#fr">Claus</hi>— und das lohn’<lb/>
ihm Gott! Auf ſeinem Hausaltar lagen ſeine <hirendition="#fr">Meß-Andachten,</hi> und — darf ich’s ſagen? von<lb/><hirendition="#fr">Lavaters</hi> Erbauungsſchriften einige — freundlich neben einander.</p><lb/><p>Er hatte eine weite vielfaſſende Seele —ſanftes Gefuͤhl fuͤr alles, was wahr, groß und<lb/>ſchoͤn iſt — und ſein Herz war einfaͤltig genug, alles hinzulegen, was Ruhe ſtoͤret, ohne Gluͤckſe-<lb/>
ligkeit zu befoͤrdern. Er ergriff, behielt, und benutzte dennoch nur, was ihm wahr und beruhi-<lb/>
gend ſchien.</p><lb/><fwtype="catch"place="bottom">Jn</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[174/0282]
VII. Abſchnitt. V. Fragment.
Fuͤnftes Fragment.
Carolus von Hedlinger. Erſte Tafel.
Erſt ein Wort von dem Charakter, und einige Anekdoten aus dem Leben dieſes wuͤrdigen
Mannes.
Hedlinger, der beruͤhmte ſchweizeriſche Medailleur, deſſen Arbeiten alle — uͤber ſein Zeit-
alter erhaben ſind — — Er hatte, wie mir Leute, die Menſchen kennen, und ihn perſoͤnlich kann-
ten, verſicherten — einen ſtarken, herrlich gebauten Koͤrper, und eine feſte Geſundheit, die er auch
bey einer hoͤchſt einfoͤrmigen frugalen Lebensart bis ans Ende behielt.
Er kam in einem Alter in ſein Vaterland zuruͤck, wo er noch Geiſtes- und Sinneskraͤfte
genug fuͤr die groͤßten und vortrefflichſten ſeiner Werke hatte. Aber er gieng heim — um noch
ruhig und geraͤuſchlos Gott und ſeiner Freyheit zu leben.
Einſam wohnte er auf einer angenehmen Anhoͤhe in einem Hauſe, das nach ſeinem Ge-
ſchmacke ausgebildet, und durch und durch mit Meiſterſtuͤcken mancherley Art, mit Sinnbildern
und Jnnſchriften geſchmuͤckt war. Stille lebt’ er da, von einem Paar alter Freunde beſucht —
und von allen Fremden, die ſein Vaterland durchreiſeten.
Gleichfoͤrmigkeit, unerſchuͤtterliche Ruhe und Heiterkeit, Gebet und Fleiß und Stille —
das war ſein Leben.
Er hatte eine ſehr ausgebreitete Beleſenheit; „aber manches Buch,“ ſagte er einſt zu ſei-
nem Freunde Hotze, von dem ich dieſe Anekdoten alle herhabe, „warf ich ins Feuer, nachdem ichs
„geleſen hatte.“ — Mit Entzuͤcken las er die beſten Schriften der alten und neuen Dichter und
Weiſen — aber auch mit Entzuͤcken die Geſchichte des ſeligen Bruder Claus — und das lohn’
ihm Gott! Auf ſeinem Hausaltar lagen ſeine Meß-Andachten, und — darf ich’s ſagen? von
Lavaters Erbauungsſchriften einige — freundlich neben einander.
Er hatte eine weite vielfaſſende Seele — ſanftes Gefuͤhl fuͤr alles, was wahr, groß und
ſchoͤn iſt — und ſein Herz war einfaͤltig genug, alles hinzulegen, was Ruhe ſtoͤret, ohne Gluͤckſe-
ligkeit zu befoͤrdern. Er ergriff, behielt, und benutzte dennoch nur, was ihm wahr und beruhi-
gend ſchien.
Jn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/282>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.