Das erste Paar gehört zusammen. Eines sehr hell, aber nicht tief, nicht fest sehenden Jünglings -- Leicht lernend! schnell fassend! schnell urtheilend! aber keine Spur von ruhiger Erforschung -- von fester, verweilender Standhaftigkeit. Keine Augenbraune, die trägt und sucht -- sondern eine, die leicht nimmt, und leicht giebt.
Das zweyte Paar -- dasselbe Auge, wie oben, nun im Profil; beyde das linke. Die Augenbraune des linken gescheuter, als des rechten, so auch der obere Augendeckel.
Hingegen des rechten Stern ist verständiger, als des linken.
Das erste Profilauge der dritten Reihe eines sehr gesund denkenden, feinen, zarten, empfind- samen -- aber nicht mächtig und stolz unternehmenden.
Das zweyte -- entschiedenes Künstlerauge. Scharftreffend, festergreifend, treu zurück- gebend. Kunstfertigkeit ist gewiß in jedem Auge dieses Schnittes -- aber deswegen allein noch nicht neubildendes Kunstgenie.
Nachstehendes Gesicht spricht Muth, Bravheit, Entschlossenheit -- und welch ein Blick des Auges! wie geht der so fort durch Schaal' und Hüls' auf den Kern!
[Abbildung]
Neuntes
Achtes Fragment. Augen. A. Drey Reihen Augen.
Des III. Ban- des XXXI. Tafel.
Das erſte Paar gehoͤrt zuſammen. Eines ſehr hell, aber nicht tief, nicht feſt ſehenden Juͤnglings — Leicht lernend! ſchnell faſſend! ſchnell urtheilend! aber keine Spur von ruhiger Erforſchung — von feſter, verweilender Standhaftigkeit. Keine Augenbraune, die traͤgt und ſucht — ſondern eine, die leicht nimmt, und leicht giebt.
Das zweyte Paar — daſſelbe Auge, wie oben, nun im Profil; beyde das linke. Die Augenbraune des linken geſcheuter, als des rechten, ſo auch der obere Augendeckel.
Hingegen des rechten Stern iſt verſtaͤndiger, als des linken.
Das erſte Profilauge der dritten Reihe eines ſehr geſund denkenden, feinen, zarten, empfind- ſamen — aber nicht maͤchtig und ſtolz unternehmenden.
Das zweyte — entſchiedenes Kuͤnſtlerauge. Scharftreffend, feſtergreifend, treu zuruͤck- gebend. Kunſtfertigkeit iſt gewiß in jedem Auge dieſes Schnittes — aber deswegen allein noch nicht neubildendes Kunſtgenie.
Nachſtehendes Geſicht ſpricht Muth, Bravheit, Entſchloſſenheit — und welch ein Blick des Auges! wie geht der ſo fort durch Schaal’ und Huͤlſ’ auf den Kern!
[Abbildung]
Neuntes
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Achtes Fragment.
Augen. A. Drey Reihen Augen.
Das erſte Paar gehoͤrt zuſammen. Eines ſehr hell, aber nicht tief, nicht feſt ſehenden
Juͤnglings — Leicht lernend! ſchnell faſſend! ſchnell urtheilend! aber keine Spur von
ruhiger Erforſchung — von feſter, verweilender Standhaftigkeit. Keine Augenbraune, die traͤgt
und ſucht — ſondern eine, die leicht nimmt, und leicht giebt.
Das zweyte Paar — daſſelbe Auge, wie oben, nun im Profil; beyde das linke. Die
Augenbraune des linken geſcheuter, als des rechten, ſo auch der obere Augendeckel.
Hingegen des rechten Stern iſt verſtaͤndiger, als des linken.
Das erſte Profilauge der dritten Reihe eines ſehr geſund denkenden, feinen, zarten, empfind-
ſamen — aber nicht maͤchtig und ſtolz unternehmenden.
Das zweyte — entſchiedenes Kuͤnſtlerauge. Scharftreffend, feſtergreifend, treu zuruͤck-
gebend. Kunſtfertigkeit iſt gewiß in jedem Auge dieſes Schnittes — aber deswegen allein noch
nicht neubildendes Kunſtgenie.
Nachſtehendes Geſicht ſpricht Muth, Bravheit, Entſchloſſenheit — und welch ein Blick des
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/206>, abgerufen am 03.03.2025.
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