Noch nichts von den Ohren überhaupt! Schon mehrmals ist angemerkt worden: Es giebt eine eigene Physiognomik der Ohren. Jch bin aber noch so weit zurück, daß ich nur äußerst wenig drüber zu sagen weiß.
Also dießmal nur über einzelne Ohren. Hier eine Tafel mit vieren.
Keines von einem außerordentlichen Menschen. Keines von einem Kraft- und Geistvollen, rechts und links, und hoch und tief, und nah und fern, und leicht und treffend würkenden Menschen.
Das erste von einem gemeinen, schwachen Menschen.
Das zweyte schon um die Wahl offner und bestimmter.
Das dritte -- von einem Menschen, der sehr viel Fähigkeit hat, zu lernen und zu lehren; wie gebildet zum Schulmeister, Vorsinger, und nicht gefühllosen Vielwisser. Das Läppchen unten, wie ungleich feiner, als aller übrigen -- besonders als 4.
Ja das vierte -- fast denk' ich, es ist von einem äußerst schwachen Kopfe. Das breite, platte, randlose Wesen obenher ist zwar sonst auch an vortrefflichen Genies -- und besonders an vie- len musikalischen Ohren zu merken -- hier aber hat das Ganze eine so allgemeine Flachheit, Plump- heit, Gedehntheit, (ich rede vom vorliegenden Kupferstiche) daß ich sehr zweifle, ob je ein natürliches Genie so ein Ohr haben könne?
Nachstehendes Ohr -- ist zu bestimmt, um von einem plumpen, und zu rundig, um von einem außerordentlich feinen Menschen zu seyn.
[Abbildung]
Sechstes
Fuͤnftes Fragment. Vier Ohren. 1.
Des III Ban- des XXVIII. Tafel.
Noch nichts von den Ohren uͤberhaupt! Schon mehrmals iſt angemerkt worden: Es giebt eine eigene Phyſiognomik der Ohren. Jch bin aber noch ſo weit zuruͤck, daß ich nur aͤußerſt wenig druͤber zu ſagen weiß.
Alſo dießmal nur uͤber einzelne Ohren. Hier eine Tafel mit vieren.
Keines von einem außerordentlichen Menſchen. Keines von einem Kraft- und Geiſtvollen, rechts und links, und hoch und tief, und nah und fern, und leicht und treffend wuͤrkenden Menſchen.
Das erſte von einem gemeinen, ſchwachen Menſchen.
Das zweyte ſchon um die Wahl offner und beſtimmter.
Das dritte — von einem Menſchen, der ſehr viel Faͤhigkeit hat, zu lernen und zu lehren; wie gebildet zum Schulmeiſter, Vorſinger, und nicht gefuͤhlloſen Vielwiſſer. Das Laͤppchen unten, wie ungleich feiner, als aller uͤbrigen — beſonders als 4.
Ja das vierte — faſt denk’ ich, es iſt von einem aͤußerſt ſchwachen Kopfe. Das breite, platte, randloſe Weſen obenher iſt zwar ſonſt auch an vortrefflichen Genies — und beſonders an vie- len muſikaliſchen Ohren zu merken — hier aber hat das Ganze eine ſo allgemeine Flachheit, Plump- heit, Gedehntheit, (ich rede vom vorliegenden Kupferſtiche) daß ich ſehr zweifle, ob je ein natuͤrliches Genie ſo ein Ohr haben koͤnne?
Nachſtehendes Ohr — iſt zu beſtimmt, um von einem plumpen, und zu rundig, um von einem außerordentlich feinen Menſchen zu ſeyn.
[Abbildung]
Sechstes
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Fuͤnftes Fragment.
Vier Ohren.
1.
Noch nichts von den Ohren uͤberhaupt! Schon mehrmals iſt angemerkt worden: Es
giebt eine eigene Phyſiognomik der Ohren. Jch bin aber noch ſo weit zuruͤck, daß ich
nur aͤußerſt wenig druͤber zu ſagen weiß.
Alſo dießmal nur uͤber einzelne Ohren. Hier eine Tafel mit vieren.
Keines von einem außerordentlichen Menſchen. Keines von einem Kraft- und Geiſtvollen,
rechts und links, und hoch und tief, und nah und fern, und leicht und treffend wuͤrkenden Menſchen.
Das erſte von einem gemeinen, ſchwachen Menſchen.
Das zweyte ſchon um die Wahl offner und beſtimmter.
Das dritte — von einem Menſchen, der ſehr viel Faͤhigkeit hat, zu lernen und zu lehren;
wie gebildet zum Schulmeiſter, Vorſinger, und nicht gefuͤhlloſen Vielwiſſer. Das Laͤppchen unten,
wie ungleich feiner, als aller uͤbrigen — beſonders als 4.
Ja das vierte — faſt denk’ ich, es iſt von einem aͤußerſt ſchwachen Kopfe. Das breite,
platte, randloſe Weſen obenher iſt zwar ſonſt auch an vortrefflichen Genies — und beſonders an vie-
len muſikaliſchen Ohren zu merken — hier aber hat das Ganze eine ſo allgemeine Flachheit, Plump-
heit, Gedehntheit, (ich rede vom vorliegenden Kupferſtiche) daß ich ſehr zweifle, ob je ein natuͤrliches
Genie ſo ein Ohr haben koͤnne?
Nachſtehendes Ohr — iſt zu beſtimmt, um von einem plumpen, und zu rundig, um von
einem außerordentlich feinen Menſchen zu ſeyn.
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Sechstes
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/199>, abgerufen am 03.03.2025.
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