Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
Revision der zween vorigen Bände.

Auch nur ein Fragment, versteht sich's! Sonst würde auch daraus allein wieder ein Buch --
Doch, wollen wir thun, so viel als möglich ist, alle Fehler gut zu machen -- hier und dort Miß-
verstand zu verhüten -- ein wenig mehr Licht einfallen zu lassen; noch eine Bestimmung, Ein-
schränkung, Anmerkung beyzufügen -- dem Leser nützlich, und der Wahrheit beförderlich zu
seyn -- Mein innigster Wunsch ist, aus allen Unvollkommenheiten, die von mir herrühren, was
Gutes herzuleiten -- Und mein Glaube ist's -- was ich in dieser Absicht nicht kann -- kann und
wird der thun, dessen einziges ewiges Geschäfft' es ist, alles Böse in Gutes zu verwandeln, und
aus allen Fehlern seiner Geschöpfe Vortheile für die Schöpfung herzuleiten.

Jch gehe meinen Pfad mit Ruhe fort,
Und rufe gern zurück: hier -- glitt' ich! Folger!
Dort rollte unter meinem Fuß ein Stein weg!
Hier -- riß der Zweig, den ich ergriff .. und dort
Schnellt er mir an die Stirn -- und nun
War nicht mehr Weg und Stuf und Fußstapf
Von Jägern -- oder Gemsen vorzusehn ...
Hier ließ ich keinen Fußtritt hinter mir -- --
Tritt fest in den! -- Er trägt dich; wanke nicht --
Dort -- leise nur trat ich dort auf!
Dort trat zu tief ich ein .. zur Rechten hier
Jst Oeffnung -- Abgrund zur Linken dort!
Hier -- wo ich gieng und nicht gieng -- schöne
Erhabne Flächen, die langsam aufwärts führen --
Dann wieder -- Felsenwand und graue Tiefen --
Und steiler Pfad und losgerißne Felsenstücke!
Doch nicht den Fuß zurück -- Nein Bruder!
Zurück den Blick nicht! Jch kam hinauf!
Zwar
A 2
Reviſion der zween vorigen Baͤnde.

Auch nur ein Fragment, verſteht ſich’s! Sonſt wuͤrde auch daraus allein wieder ein Buch —
Doch, wollen wir thun, ſo viel als moͤglich iſt, alle Fehler gut zu machen — hier und dort Miß-
verſtand zu verhuͤten — ein wenig mehr Licht einfallen zu laſſen; noch eine Beſtimmung, Ein-
ſchraͤnkung, Anmerkung beyzufuͤgen — dem Leſer nuͤtzlich, und der Wahrheit befoͤrderlich zu
ſeyn — Mein innigſter Wunſch iſt, aus allen Unvollkommenheiten, die von mir herruͤhren, was
Gutes herzuleiten — Und mein Glaube iſt’s — was ich in dieſer Abſicht nicht kann — kann und
wird der thun, deſſen einziges ewiges Geſchaͤfft’ es iſt, alles Boͤſe in Gutes zu verwandeln, und
aus allen Fehlern ſeiner Geſchoͤpfe Vortheile fuͤr die Schoͤpfung herzuleiten.

Jch gehe meinen Pfad mit Ruhe fort,
Und rufe gern zuruͤck: hier — glitt’ ich! Folger!
Dort rollte unter meinem Fuß ein Stein weg!
Hier — riß der Zweig, den ich ergriff .. und dort
Schnellt er mir an die Stirn — und nun
War nicht mehr Weg und Stuf und Fußſtapf
Von Jaͤgern — oder Gemſen vorzuſehn ...
Hier ließ ich keinen Fußtritt hinter mir — —
Tritt feſt in den! — Er traͤgt dich; wanke nicht —
Dort — leiſe nur trat ich dort auf!
Dort trat zu tief ich ein .. zur Rechten hier
Jſt Oeffnung — Abgrund zur Linken dort!
Hier — wo ich gieng und nicht gieng — ſchoͤne
Erhabne Flaͤchen, die langſam aufwaͤrts fuͤhren —
Dann wieder — Felſenwand und graue Tiefen —
Und ſteiler Pfad und losgerißne Felſenſtuͤcke!
Doch nicht den Fuß zuruͤck — Nein Bruder!
Zuruͤck den Blick nicht! Jch kam hinauf!
Zwar
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0019" n="3"/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#b">Revi&#x017F;ion der zween vorigen Ba&#x0364;nde.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>uch nur ein Fragment, ver&#x017F;teht &#x017F;ich&#x2019;s! Son&#x017F;t wu&#x0364;rde auch daraus allein wieder ein Buch &#x2014;<lb/>
Doch, wollen wir thun, &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich i&#x017F;t, alle Fehler gut zu machen &#x2014; hier und dort Miß-<lb/>
ver&#x017F;tand zu verhu&#x0364;ten &#x2014; ein wenig mehr Licht einfallen zu la&#x017F;&#x017F;en; noch eine Be&#x017F;timmung, Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkung, Anmerkung beyzufu&#x0364;gen &#x2014; dem Le&#x017F;er nu&#x0364;tzlich, und der Wahrheit befo&#x0364;rderlich zu<lb/>
&#x017F;eyn &#x2014; Mein innig&#x017F;ter Wun&#x017F;ch i&#x017F;t, aus allen Unvollkommenheiten, die von mir herru&#x0364;hren, was<lb/>
Gutes herzuleiten &#x2014; Und mein Glaube i&#x017F;t&#x2019;s &#x2014; was ich in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht nicht kann &#x2014; kann und<lb/>
wird der thun, de&#x017F;&#x017F;en einziges ewiges Ge&#x017F;cha&#x0364;fft&#x2019; es i&#x017F;t, alles Bo&#x0364;&#x017F;e in Gutes zu verwandeln, und<lb/>
aus allen Fehlern &#x017F;einer Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe Vortheile fu&#x0364;r die Scho&#x0364;pfung herzuleiten.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Jch gehe meinen Pfad mit Ruhe fort,</l><lb/>
          <l>Und rufe gern zuru&#x0364;ck: hier &#x2014; glitt&#x2019; ich! Folger!</l><lb/>
          <l>Dort rollte unter meinem Fuß ein Stein weg!</l><lb/>
          <l>Hier &#x2014; riß der Zweig, den ich ergriff .. und dort</l><lb/>
          <l>Schnellt er mir an die Stirn &#x2014; und nun</l><lb/>
          <l>War nicht mehr Weg und Stuf und Fuß&#x017F;tapf</l><lb/>
          <l>Von Ja&#x0364;gern &#x2014; oder Gem&#x017F;en vorzu&#x017F;ehn ...</l><lb/>
          <l>Hier ließ ich keinen Fußtritt hinter mir &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
          <l>Tritt fe&#x017F;t in den! &#x2014; Er tra&#x0364;gt dich; wanke nicht &#x2014;</l><lb/>
          <l>Dort &#x2014; lei&#x017F;e nur trat ich dort auf!</l><lb/>
          <l>Dort trat zu tief ich ein .. zur Rechten hier</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t Oeffnung &#x2014; Abgrund zur Linken dort!</l><lb/>
          <l>Hier &#x2014; wo ich gieng und nicht gieng &#x2014; &#x017F;cho&#x0364;ne</l><lb/>
          <l>Erhabne Fla&#x0364;chen, die lang&#x017F;am aufwa&#x0364;rts fu&#x0364;hren &#x2014;</l><lb/>
          <l>Dann wieder &#x2014; Fel&#x017F;enwand und graue Tiefen &#x2014;</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;teiler Pfad und losgerißne Fel&#x017F;en&#x017F;tu&#x0364;cke!</l><lb/>
          <l>Doch nicht den Fuß zuru&#x0364;ck &#x2014; Nein Bruder!</l><lb/>
          <l>Zuru&#x0364;ck den Blick nicht! Jch kam hinauf!</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Zwar</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0019] Reviſion der zween vorigen Baͤnde. Auch nur ein Fragment, verſteht ſich’s! Sonſt wuͤrde auch daraus allein wieder ein Buch — Doch, wollen wir thun, ſo viel als moͤglich iſt, alle Fehler gut zu machen — hier und dort Miß- verſtand zu verhuͤten — ein wenig mehr Licht einfallen zu laſſen; noch eine Beſtimmung, Ein- ſchraͤnkung, Anmerkung beyzufuͤgen — dem Leſer nuͤtzlich, und der Wahrheit befoͤrderlich zu ſeyn — Mein innigſter Wunſch iſt, aus allen Unvollkommenheiten, die von mir herruͤhren, was Gutes herzuleiten — Und mein Glaube iſt’s — was ich in dieſer Abſicht nicht kann — kann und wird der thun, deſſen einziges ewiges Geſchaͤfft’ es iſt, alles Boͤſe in Gutes zu verwandeln, und aus allen Fehlern ſeiner Geſchoͤpfe Vortheile fuͤr die Schoͤpfung herzuleiten. Jch gehe meinen Pfad mit Ruhe fort, Und rufe gern zuruͤck: hier — glitt’ ich! Folger! Dort rollte unter meinem Fuß ein Stein weg! Hier — riß der Zweig, den ich ergriff .. und dort Schnellt er mir an die Stirn — und nun War nicht mehr Weg und Stuf und Fußſtapf Von Jaͤgern — oder Gemſen vorzuſehn ... Hier ließ ich keinen Fußtritt hinter mir — — Tritt feſt in den! — Er traͤgt dich; wanke nicht — Dort — leiſe nur trat ich dort auf! Dort trat zu tief ich ein .. zur Rechten hier Jſt Oeffnung — Abgrund zur Linken dort! Hier — wo ich gieng und nicht gieng — ſchoͤne Erhabne Flaͤchen, die langſam aufwaͤrts fuͤhren — Dann wieder — Felſenwand und graue Tiefen — Und ſteiler Pfad und losgerißne Felſenſtuͤcke! Doch nicht den Fuß zuruͤck — Nein Bruder! Zuruͤck den Blick nicht! Jch kam hinauf! Zwar A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/19
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/19>, abgerufen am 17.11.2024.