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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Zweytes Fragment.
H. a. Neun Hände. Umrisse.
Des III. Ban-
des XVIII.
Tafel.

Eine Sammlung von nachgegoßnen Händen von Wachs oder Gips -- samt einer
genauen Beschreibung von dem Charakter der Person, von welcher sie abgegossen sind --
wie leicht zu machen von einem Fürsten! Welch eine Schule -- für den Physiognomi-
sten! -- Carl August von Weymar und Göthe -- wollt ihr den Anfang machen?

Hier eine Tafel -- worüber ich wenig zu sagen weiß; weil sie nur nach Zeichnungen aus
der Papiertasche eines geschickten Mahlers copiert sind. Was ich drüber sage, ist bloß dunkles
physiognomisches Gefühl, denn ich glaube nicht, daß ich über fünf oder sechs Frauenzimmerhände
nur angesehen habe. Die fünfte und neunte ausgenommen, alles weibliche Hände; und selber die
fünfte und neunte von weiblicher Zartheit. --

Unter allen keine rohe, gewaltsame, freche, alle von zartreinlichen, edeln Personen.

1. und 3. wettstreitend mit 5. um den Ausdruck von Reinheit und Adel.
2. scheint weichlicher als 1. und 3. und weniger Frauenzimmerkunstfertigkeit zu besitzen.
4. noch zärter und noch weniger kunstgeschickt.
5. Jch wollte fast wetten dürfen -- sie ist eines äußerst edeln, reinlichen, Geschmackvollen
Zeichners -- ohne Genie.
6. Jch sinde sie ohn' alle Größe und Kleinheit sehr sanft und edel.
7. Diese scheint mehr Adel und Größe zu haben.
8. Herzgut und mittheilsam und -- sehr weichlich.
9. Mag von einem ganz feinen, guten, zarten Manne seyn, der aber gewiß nie was Gros-
ses unternehmen konnte.

Wenn ich eine Gesellschaft von guten mitleidigen Menschen zeichnen wollte, ich würde von
diesem Blatte wenigstens acht dazu entlehnen.



Drittes
O 2
Zweytes Fragment.
H. a. Neun Haͤnde. Umriſſe.
Des III. Ban-
des XVIII.
Tafel.

Eine Sammlung von nachgegoßnen Haͤnden von Wachs oder Gips — ſamt einer
genauen Beſchreibung von dem Charakter der Perſon, von welcher ſie abgegoſſen ſind —
wie leicht zu machen von einem Fuͤrſten! Welch eine Schule — fuͤr den Phyſiognomi-
ſten! — Carl Auguſt von Weymar und Goͤthe — wollt ihr den Anfang machen?

Hier eine Tafel — woruͤber ich wenig zu ſagen weiß; weil ſie nur nach Zeichnungen aus
der Papiertaſche eines geſchickten Mahlers copiert ſind. Was ich druͤber ſage, iſt bloß dunkles
phyſiognomiſches Gefuͤhl, denn ich glaube nicht, daß ich uͤber fuͤnf oder ſechs Frauenzimmerhaͤnde
nur angeſehen habe. Die fuͤnfte und neunte ausgenommen, alles weibliche Haͤnde; und ſelber die
fuͤnfte und neunte von weiblicher Zartheit. —

Unter allen keine rohe, gewaltſame, freche, alle von zartreinlichen, edeln Perſonen.

1. und 3. wettſtreitend mit 5. um den Ausdruck von Reinheit und Adel.
2. ſcheint weichlicher als 1. und 3. und weniger Frauenzimmerkunſtfertigkeit zu beſitzen.
4. noch zaͤrter und noch weniger kunſtgeſchickt.
5. Jch wollte faſt wetten duͤrfen — ſie iſt eines aͤußerſt edeln, reinlichen, Geſchmackvollen
Zeichners — ohne Genie.
6. Jch ſinde ſie ohn’ alle Groͤße und Kleinheit ſehr ſanft und edel.
7. Dieſe ſcheint mehr Adel und Groͤße zu haben.
8. Herzgut und mittheilſam und — ſehr weichlich.
9. Mag von einem ganz feinen, guten, zarten Manne ſeyn, der aber gewiß nie was Groſ-
ſes unternehmen konnte.

Wenn ich eine Geſellſchaft von guten mitleidigen Menſchen zeichnen wollte, ich wuͤrde von
dieſem Blatte wenigſtens acht dazu entlehnen.



Drittes
O 2
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[107/0159] Zweytes Fragment. H. a. Neun Haͤnde. Umriſſe. Eine Sammlung von nachgegoßnen Haͤnden von Wachs oder Gips — ſamt einer genauen Beſchreibung von dem Charakter der Perſon, von welcher ſie abgegoſſen ſind — wie leicht zu machen von einem Fuͤrſten! Welch eine Schule — fuͤr den Phyſiognomi- ſten! — Carl Auguſt von Weymar und Goͤthe — wollt ihr den Anfang machen? Hier eine Tafel — woruͤber ich wenig zu ſagen weiß; weil ſie nur nach Zeichnungen aus der Papiertaſche eines geſchickten Mahlers copiert ſind. Was ich druͤber ſage, iſt bloß dunkles phyſiognomiſches Gefuͤhl, denn ich glaube nicht, daß ich uͤber fuͤnf oder ſechs Frauenzimmerhaͤnde nur angeſehen habe. Die fuͤnfte und neunte ausgenommen, alles weibliche Haͤnde; und ſelber die fuͤnfte und neunte von weiblicher Zartheit. — Unter allen keine rohe, gewaltſame, freche, alle von zartreinlichen, edeln Perſonen. 1. und 3. wettſtreitend mit 5. um den Ausdruck von Reinheit und Adel. 2. ſcheint weichlicher als 1. und 3. und weniger Frauenzimmerkunſtfertigkeit zu beſitzen. 4. noch zaͤrter und noch weniger kunſtgeſchickt. 5. Jch wollte faſt wetten duͤrfen — ſie iſt eines aͤußerſt edeln, reinlichen, Geſchmackvollen Zeichners — ohne Genie. 6. Jch ſinde ſie ohn’ alle Groͤße und Kleinheit ſehr ſanft und edel. 7. Dieſe ſcheint mehr Adel und Groͤße zu haben. 8. Herzgut und mittheilſam und — ſehr weichlich. 9. Mag von einem ganz feinen, guten, zarten Manne ſeyn, der aber gewiß nie was Groſ- ſes unternehmen konnte. Wenn ich eine Geſellſchaft von guten mitleidigen Menſchen zeichnen wollte, ich wuͤrde von dieſem Blatte wenigſtens acht dazu entlehnen. Drittes O 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/159>, abgerufen am 17.11.2024.