Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.Erstes Fragment. Gedanken eines Unbekannten über Thier- und Menschenphysiognomien. "Jedes Thier hat eine Haupteigenschaft, wodurch es sich von andern unterscheidet -- Eben so, "Könnt' es nun, der Analogie nach, nicht seyn, daß jede Haupteigenschaft der Seele sich "Dieser Hauptcharakter eines Thiergeschlechtes bleibt, wie ihn die Natur gab -- Er wird "Dürfte man also nicht mit der größesten Gewißheit sagen: diese Form drückt nur diesen "Jst diese Frage einmal bestimmt -- und so bestimmt, daß sich so fort Anwendung davon "Aber ja -- das ist auffallend: Beym Menschen ist die Seele nichtnur Eine Eigen- "Wenn nun jede Eigenschaft durch ihre besondere Form angedeutet wird, so sind bey meh- Es
Erſtes Fragment. Gedanken eines Unbekannten uͤber Thier- und Menſchenphyſiognomien. „Jedes Thier hat eine Haupteigenſchaft, wodurch es ſich von andern unterſcheidet — Eben ſo, „Koͤnnt’ es nun, der Analogie nach, nicht ſeyn, daß jede Haupteigenſchaft der Seele ſich „Dieſer Hauptcharakter eines Thiergeſchlechtes bleibt, wie ihn die Natur gab — Er wird „Duͤrfte man alſo nicht mit der groͤßeſten Gewißheit ſagen: dieſe Form druͤckt nur dieſen „Jſt dieſe Frage einmal beſtimmt — und ſo beſtimmt, daß ſich ſo fort Anwendung davon „Aber ja — das iſt auffallend: Beym Menſchen iſt die Seele nichtnur Eine Eigen- „Wenn nun jede Eigenſchaft durch ihre beſondere Form angedeutet wird, ſo ſind bey meh- Es
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Erſtes Fragment.
Gedanken eines Unbekannten uͤber Thier- und Menſchenphyſiognomien.
„Jedes Thier hat eine Haupteigenſchaft, wodurch es ſich von andern unterſcheidet — Eben ſo,
„wie der Bau eines Thiergeſchlechtes von andern ganz verſchieden, ſo iſt auch der Hauptcharakter
„eines Thiergeſchlechtes unterſchieden von andern. Dieſer Hauptcharakter bezeichnet ſich durch eine
„beſondere Form, durch die ſichtbare Geſtalt des Leibes. Jedes Thiergeſchlecht hat ſo gewiß nur
„einen einzigen Charakter, ſo gewiß es nur eine einzige Form hat.“
„Koͤnnt’ es nun, der Analogie nach, nicht ſeyn, daß jede Haupteigenſchaft der Seele ſich
„eben ſo gewiß durch eine beſondere Hauptform des Koͤrpers ausdruͤckte — ſo gewiß ſich jede
„Haupteigenſchaft der Thiere durch eine beſondere Form im Ganzen ausdruͤckt?“
„Dieſer Hauptcharakter eines Thiergeſchlechtes bleibt, wie ihn die Natur gab — Er wird
„nicht durch Nebeneigenſchaften verdunkelt; nicht durch Kunſt bemaͤntelt — So wenig ſich die
„Form aͤndern laͤßt, ſo wenig der Charakter nach ſeinem Weſentlichen.“
„Duͤrfte man alſo nicht mit der groͤßeſten Gewißheit ſagen: dieſe Form druͤckt nur dieſen
„Hauptcharakter aus? “ — Nun iſt die Frage: „Ob ſich davon Anwendungen auf den Menſchen
„machen laſſen? ob die Form, die die Haupteigenſchaft eines Thieres andeutet, auch bey dem Men-
„ſchen die naͤmliche Eigenſchaft andeute? — Verſteht ſich freylich, daß ſie beym Menſchen immer
„feiner, vielleicht verſteckter, verwickelter waͤre.“ —
„Jſt dieſe Frage einmal beſtimmt — und ſo beſtimmt, daß ſich ſo fort Anwendung davon
„machen laͤßt, wie viel, wie viel iſt gewonnen?“
„Aber ja — das iſt auffallend: Beym Menſchen iſt die Seele nichtnur Eine Eigen-
„ſchaft — Sie iſt eine Welt von verflochtenen Eigenſchaften, die alle durch einander wuͤrken. Eine
„verdunkelt die andere.“
„Wenn nun jede Eigenſchaft durch ihre beſondere Form angedeutet wird, ſo ſind bey meh-
„rern verſchiedenen Eigenſchaften auch mehr verſchiedene Formen — und dieſe Formen fließen alle
„harmoniſch zuſammen, und ſind alſo ſchwerer zu entziefern.“
Es
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