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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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Zugabe. Einige Beobachtungen über Neugeborne, Sterbende und Todte.
Zugabe.
Einige Beobachtungen über Neugeborne, Sterbende und Todte.

Jch beobachtete einige Kinder, etwa eine Stunde nach ihrer, nicht harten, Geburt. Jch bemerkte
eine frappante, freylich verjüngte, Aehnlichkeit ihres Profiles mit dem ihres Vaters -- Diese Aehn-
lichkeit verlor sich in wenigen Tagen beynahe gänzlich. Der Einfluß der offnen Luft und der Nah-
rung -- vermuthlich auch der Lage -- veränderten die bestimmte Zeichnung so sehr, daß man einen
ganz andern Menschen vor sich zu sehen glaubte -- Jch sah diese Kinder, das eine etwa 6. Wochen,
das andere etwa 4. Jahre nach der Geburt, todt -- und etwa 12. Stunden nach ihrem Sterben --
bemerkte ich vollkommen wieder das halbe Profil, das ich etwa eine Stunde nach ihrer Geburt an
ihnen bemerkt hatte; nur mit dem Unterschiede, daß das Profil des todten Kindes, wie natürlich,
etwas fester und gespannter war, als des lebenden; etwas von dieser Aehnlichkeit aber verlor sich
am dritten Tage wieder merklich.

Jch sah Männer von 50. und 70. Jahren, die in ihrem Leben nicht die mindeste Aehnlich-
keit mit ihren Söhnen zu haben schienen -- deren Gesichter beynahe aus einer ganz verschiedenen
Classe zu seyn schienen -- todt, am zweyten Tage nach ihrem Sterben -- war das Profil des einen,
dem Profil seines ältesten, und das Profil des andern, dem Profil seines dritten Sohnes -- gerade
so frappant ähnlich, wie das Profil der oben angeführten todten Kinder ihrem lebenden Profile,
eine Stunde nach der Geburt, war. -- Freylich stärker, und nach dem Mahlerausdruck härter --
aber auch hier verlor sich am dritten Tage etwas von der Aehnlichkeit.

So
Phys. Fragm. II Versuch. E
Zugabe. Einige Beobachtungen uͤber Neugeborne, Sterbende und Todte.
Zugabe.
Einige Beobachtungen uͤber Neugeborne, Sterbende und Todte.

Jch beobachtete einige Kinder, etwa eine Stunde nach ihrer, nicht harten, Geburt. Jch bemerkte
eine frappante, freylich verjuͤngte, Aehnlichkeit ihres Profiles mit dem ihres Vaters — Dieſe Aehn-
lichkeit verlor ſich in wenigen Tagen beynahe gaͤnzlich. Der Einfluß der offnen Luft und der Nah-
rung — vermuthlich auch der Lage — veraͤnderten die beſtimmte Zeichnung ſo ſehr, daß man einen
ganz andern Menſchen vor ſich zu ſehen glaubte — Jch ſah dieſe Kinder, das eine etwa 6. Wochen,
das andere etwa 4. Jahre nach der Geburt, todt — und etwa 12. Stunden nach ihrem Sterben —
bemerkte ich vollkommen wieder das halbe Profil, das ich etwa eine Stunde nach ihrer Geburt an
ihnen bemerkt hatte; nur mit dem Unterſchiede, daß das Profil des todten Kindes, wie natuͤrlich,
etwas feſter und geſpannter war, als des lebenden; etwas von dieſer Aehnlichkeit aber verlor ſich
am dritten Tage wieder merklich.

Jch ſah Maͤnner von 50. und 70. Jahren, die in ihrem Leben nicht die mindeſte Aehnlich-
keit mit ihren Soͤhnen zu haben ſchienen — deren Geſichter beynahe aus einer ganz verſchiedenen
Claſſe zu ſeyn ſchienen — todt, am zweyten Tage nach ihrem Sterben — war das Profil des einen,
dem Profil ſeines aͤlteſten, und das Profil des andern, dem Profil ſeines dritten Sohnes — gerade
ſo frappant aͤhnlich, wie das Profil der oben angefuͤhrten todten Kinder ihrem lebenden Profile,
eine Stunde nach der Geburt, war. — Freylich ſtaͤrker, und nach dem Mahlerausdruck haͤrter
aber auch hier verlor ſich am dritten Tage etwas von der Aehnlichkeit.

So
Phyſ. Fragm. II Verſuch. E
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[33/0055] Zugabe. Einige Beobachtungen uͤber Neugeborne, Sterbende und Todte. Zugabe. Einige Beobachtungen uͤber Neugeborne, Sterbende und Todte. Jch beobachtete einige Kinder, etwa eine Stunde nach ihrer, nicht harten, Geburt. Jch bemerkte eine frappante, freylich verjuͤngte, Aehnlichkeit ihres Profiles mit dem ihres Vaters — Dieſe Aehn- lichkeit verlor ſich in wenigen Tagen beynahe gaͤnzlich. Der Einfluß der offnen Luft und der Nah- rung — vermuthlich auch der Lage — veraͤnderten die beſtimmte Zeichnung ſo ſehr, daß man einen ganz andern Menſchen vor ſich zu ſehen glaubte — Jch ſah dieſe Kinder, das eine etwa 6. Wochen, das andere etwa 4. Jahre nach der Geburt, todt — und etwa 12. Stunden nach ihrem Sterben — bemerkte ich vollkommen wieder das halbe Profil, das ich etwa eine Stunde nach ihrer Geburt an ihnen bemerkt hatte; nur mit dem Unterſchiede, daß das Profil des todten Kindes, wie natuͤrlich, etwas feſter und geſpannter war, als des lebenden; etwas von dieſer Aehnlichkeit aber verlor ſich am dritten Tage wieder merklich. Jch ſah Maͤnner von 50. und 70. Jahren, die in ihrem Leben nicht die mindeſte Aehnlich- keit mit ihren Soͤhnen zu haben ſchienen — deren Geſichter beynahe aus einer ganz verſchiedenen Claſſe zu ſeyn ſchienen — todt, am zweyten Tage nach ihrem Sterben — war das Profil des einen, dem Profil ſeines aͤlteſten, und das Profil des andern, dem Profil ſeines dritten Sohnes — gerade ſo frappant aͤhnlich, wie das Profil der oben angefuͤhrten todten Kinder ihrem lebenden Profile, eine Stunde nach der Geburt, war. — Freylich ſtaͤrker, und nach dem Mahlerausdruck haͤrter — aber auch hier verlor ſich am dritten Tage etwas von der Aehnlichkeit. So Phyſ. Fragm. II Verſuch. E

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/55>, abgerufen am 17.11.2024.