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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XXXI. Fragment.
Ein und dreyßigstes Fragment.
Bären, Faulthier, Wildschwein.

Bären, Ausdruck von Wildheit und Grimm. Voll Drohung und Zerreißkraft. Menschen-
scheu; Freunde alter wilder Natur.

Unau, Ai, Faulthier; das trägste, unbehülflichste, elendeste Geschöpfe -- von der
mangelhaftesten Bildung. Welche entsetzliche Kraftlosigkeit, Träge im Umrisse des Kopfes,
des Leibes, der Füße? -- Kein Auftritt unter den Füßen, kein Daumen, keine Zehen, deren
jeder für sich beweglich wäre, sondern nur zwo oder drey übermäßig lange niederwärts gebogene
Krallen, die sich nicht anders als zugleich bewegen können. -- Jhre Langsamkeit, Dummheit,
Achtlosigkeit für sich selbst ist unbeschreiblich. Sie haben keine Waffen, weder zum Angreifen, noch
zur Vertheidigung; kein Mittel zur Sicherheit, nicht einmal sich in die Erde einzugraben -- keinen
Ausweg zur Rettung durch die Flucht. Sie kleben auf einem Flecke -- brauchen viele Zeit, um
bis an den Fuß eines Baums zu kriechen, und noch mehr, bis zu seinen Zweigen zu kommen. Ha-
ben sie endlich mit unsäglicher Mühe die Krone des Baums erreicht, so bleiben sie da sitzen, und be-
helfen sich viele Wochen mit der trockensten Nahrung der Blätter: und bleiben, wenn sie auch
nichts mehr finden, weil sie nicht wissen, wie sie wieder herunter kommen wollen. Zuletzt stür-
zen sie sich herab, schwer wie ein Klotz, ohn' alle Federkraft -- liegen da, ein Raub aller Thie-
re. -- Kann nun die Physiognomie zum Ausdrucke von diesem allen wahrer, stumpfer, träger,
unbehülflicher -- seyn?

Wer
XXXI. Fragment.
Ein und dreyßigſtes Fragment.
Baͤren, Faulthier, Wildſchwein.

Baͤren, Ausdruck von Wildheit und Grimm. Voll Drohung und Zerreißkraft. Menſchen-
ſcheu; Freunde alter wilder Natur.

Unau, Ai, Faulthier; das traͤgſte, unbehuͤlflichſte, elendeſte Geſchoͤpfe — von der
mangelhafteſten Bildung. Welche entſetzliche Kraftloſigkeit, Traͤge im Umriſſe des Kopfes,
des Leibes, der Fuͤße? — Kein Auftritt unter den Fuͤßen, kein Daumen, keine Zehen, deren
jeder fuͤr ſich beweglich waͤre, ſondern nur zwo oder drey uͤbermaͤßig lange niederwaͤrts gebogene
Krallen, die ſich nicht anders als zugleich bewegen koͤnnen. — Jhre Langſamkeit, Dummheit,
Achtloſigkeit fuͤr ſich ſelbſt iſt unbeſchreiblich. Sie haben keine Waffen, weder zum Angreifen, noch
zur Vertheidigung; kein Mittel zur Sicherheit, nicht einmal ſich in die Erde einzugraben — keinen
Ausweg zur Rettung durch die Flucht. Sie kleben auf einem Flecke — brauchen viele Zeit, um
bis an den Fuß eines Baums zu kriechen, und noch mehr, bis zu ſeinen Zweigen zu kommen. Ha-
ben ſie endlich mit unſaͤglicher Muͤhe die Krone des Baums erreicht, ſo bleiben ſie da ſitzen, und be-
helfen ſich viele Wochen mit der trockenſten Nahrung der Blaͤtter: und bleiben, wenn ſie auch
nichts mehr finden, weil ſie nicht wiſſen, wie ſie wieder herunter kommen wollen. Zuletzt ſtuͤr-
zen ſie ſich herab, ſchwer wie ein Klotz, ohn’ alle Federkraft — liegen da, ein Raub aller Thie-
re. — Kann nun die Phyſiognomie zum Ausdrucke von dieſem allen wahrer, ſtumpfer, traͤger,
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[252/0426] XXXI. Fragment. Ein und dreyßigſtes Fragment. Baͤren, Faulthier, Wildſchwein. Baͤren, Ausdruck von Wildheit und Grimm. Voll Drohung und Zerreißkraft. Menſchen- ſcheu; Freunde alter wilder Natur. Unau, Ai, Faulthier; das traͤgſte, unbehuͤlflichſte, elendeſte Geſchoͤpfe — von der mangelhafteſten Bildung. Welche entſetzliche Kraftloſigkeit, Traͤge im Umriſſe des Kopfes, des Leibes, der Fuͤße? — Kein Auftritt unter den Fuͤßen, kein Daumen, keine Zehen, deren jeder fuͤr ſich beweglich waͤre, ſondern nur zwo oder drey uͤbermaͤßig lange niederwaͤrts gebogene Krallen, die ſich nicht anders als zugleich bewegen koͤnnen. — Jhre Langſamkeit, Dummheit, Achtloſigkeit fuͤr ſich ſelbſt iſt unbeſchreiblich. Sie haben keine Waffen, weder zum Angreifen, noch zur Vertheidigung; kein Mittel zur Sicherheit, nicht einmal ſich in die Erde einzugraben — keinen Ausweg zur Rettung durch die Flucht. Sie kleben auf einem Flecke — brauchen viele Zeit, um bis an den Fuß eines Baums zu kriechen, und noch mehr, bis zu ſeinen Zweigen zu kommen. Ha- ben ſie endlich mit unſaͤglicher Muͤhe die Krone des Baums erreicht, ſo bleiben ſie da ſitzen, und be- helfen ſich viele Wochen mit der trockenſten Nahrung der Blaͤtter: und bleiben, wenn ſie auch nichts mehr finden, weil ſie nicht wiſſen, wie ſie wieder herunter kommen wollen. Zuletzt ſtuͤr- zen ſie ſich herab, ſchwer wie ein Klotz, ohn’ alle Federkraft — liegen da, ein Raub aller Thie- re. — Kann nun die Phyſiognomie zum Ausdrucke von dieſem allen wahrer, ſtumpfer, traͤger, unbehuͤlflicher — ſeyn? Wer

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/426>, abgerufen am 17.11.2024.