Unter die sanften, geschmeidigen, guten Charakter gehört auch dieses -- abermal weit hinter dem Originale zurückstehende Profil. Es ist das nicht sehr kenntliche Porträt eines liebenswürdigen Mannes von Einsicht und Geschmack. --
Die Fehler der Zeichnung sind -- allzuweite Entfernung des Auges von dem Nasen- läppchen; die weiße Fläche vom Auge bis zum Munde; -- Härte des Mundes, besonders im Winkel und in der Unterlippe; -- der zu bogigte Umriß der Kinnlade.
Durch dieß alles ist dem Gesichte viel Geist und Herz geraubt.
Daß es aber auch so, wie's da ist, eines guten Menschen Gesicht ist, scheint mir ge- wiß zu seyn. Durch die Gedehntheit des Untertheils des Gesichtes hat der Ausdruck weniger an Güte, als an Geist verloren.
Das Ohr ist gut gemacht, und hat viel Ausdruck von Sanftheit. Auch ist Herr H. ein Kenner und Freund der Tonkunst.
Jn der Stirne, vermeyn' ich -- Witz, ohne Bosheit; in der Nase was Edles, so wie im ganzen Gesichte viel Güte und Dienstgeflissenheit zu bemerken.
Jm ganzen Umrisse, im ganzen Gesichte keine gerade, keine harte Linie -- nicht so weich, wie der vorige -- etwas zäher, aber nicht härter.
Nun
XXX.Fragment.
Zweyte Tafel. Ein ProfilportraͤtH.
Unter die ſanften, geſchmeidigen, guten Charakter gehoͤrt auch dieſes — abermal weit hinter dem Originale zuruͤckſtehende Profil. Es iſt das nicht ſehr kenntliche Portraͤt eines liebenswuͤrdigen Mannes von Einſicht und Geſchmack. —
Die Fehler der Zeichnung ſind — allzuweite Entfernung des Auges von dem Naſen- laͤppchen; die weiße Flaͤche vom Auge bis zum Munde; — Haͤrte des Mundes, beſonders im Winkel und in der Unterlippe; — der zu bogigte Umriß der Kinnlade.
Durch dieß alles iſt dem Geſichte viel Geiſt und Herz geraubt.
Daß es aber auch ſo, wie’s da iſt, eines guten Menſchen Geſicht iſt, ſcheint mir ge- wiß zu ſeyn. Durch die Gedehntheit des Untertheils des Geſichtes hat der Ausdruck weniger an Guͤte, als an Geiſt verloren.
Das Ohr iſt gut gemacht, und hat viel Ausdruck von Sanftheit. Auch iſt Herr H. ein Kenner und Freund der Tonkunſt.
Jn der Stirne, vermeyn’ ich — Witz, ohne Bosheit; in der Naſe was Edles, ſo wie im ganzen Geſichte viel Guͤte und Dienſtgefliſſenheit zu bemerken.
Jm ganzen Umriſſe, im ganzen Geſichte keine gerade, keine harte Linie — nicht ſo weich, wie der vorige — etwas zaͤher, aber nicht haͤrter.
Nun
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XXX. Fragment.
Zweyte Tafel.
Ein Profilportraͤt H.
Unter die ſanften, geſchmeidigen, guten Charakter gehoͤrt auch dieſes — abermal weit hinter dem
Originale zuruͤckſtehende Profil. Es iſt das nicht ſehr kenntliche Portraͤt eines liebenswuͤrdigen
Mannes von Einſicht und Geſchmack. —
Die Fehler der Zeichnung ſind — allzuweite Entfernung des Auges von dem Naſen-
laͤppchen; die weiße Flaͤche vom Auge bis zum Munde; — Haͤrte des Mundes, beſonders im
Winkel und in der Unterlippe; — der zu bogigte Umriß der Kinnlade.
Durch dieß alles iſt dem Geſichte viel Geiſt und Herz geraubt.
Daß es aber auch ſo, wie’s da iſt, eines guten Menſchen Geſicht iſt, ſcheint mir ge-
wiß zu ſeyn. Durch die Gedehntheit des Untertheils des Geſichtes hat der Ausdruck weniger
an Guͤte, als an Geiſt verloren.
Das Ohr iſt gut gemacht, und hat viel Ausdruck von Sanftheit. Auch iſt Herr H. ein
Kenner und Freund der Tonkunſt.
Jn der Stirne, vermeyn’ ich — Witz, ohne Bosheit; in der Naſe was Edles, ſo wie
im ganzen Geſichte viel Guͤte und Dienſtgefliſſenheit zu bemerken.
Jm ganzen Umriſſe, im ganzen Geſichte keine gerade, keine harte Linie — nicht ſo weich,
wie der vorige — etwas zaͤher, aber nicht haͤrter.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/392>, abgerufen am 23.02.2025.
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