Vier und zwanzigstes Fragment. Feldherren und Admiräle.
I. Bourbon und Ruyter.
1.
Bourbon, vollständigster Ausdruck von verstandreicher, unerbittlicher Entschlossenheit. Jn den (im Ganzen betrachtet) horizontolen Augenbraunen, aus denen sich so viele Falten in ver- schiedenen Richtungen heraufziehen, ist die beredteste, festeste Hartnäckigkeit. Die Augen könn- ten -- und sollten vielleicht, aus den Augenbraunen zu schließen, feuriger, kräftiger, weniger ge- bogen seyn. Die Nase ist durch ihre Größe, Keckheit, Bestimmtheit, so deutlicher Buchstabe von Verstandeskraft, Thatkraft, unternehmender Kühnheit, als die Unterlippe, bey dieser Offenheit des Mundes, Buchstabe von roher Unempfindlichkeit ist.
2.
Ruyter -- kleiner, pöbelhafterer, roherer Stolz. Mehr schnelle, grobe That, als Plan und Ueberlegung. Drohende Entschlossenheit, die sich nicht bedenkt. Zwischen den Augenbrau- nen Hauptsitz des Charakters. Welch ein Unterschied in beyden zwischen Nase und Nase! Ze- henmal entscheidender, adelhafter, planvoller, des Obern. Sonst hat das untere Gesicht mehr Ehrlichkeit, als das obere; -- zwar rohe, trotzige, wartlose im linken Auge, besonders im Munde und in den Augen, obgleich dadurch, daß der Stern etwas mehr unter das Auglied verschoben ist, als beym rechten, der Eindruck von Ehrlichkeit etwas geschwächt wird.
Zweyte Tafel. Marlbourough.
Eines der schönsten, edelsten, treusten, entschlossensten Gesichter, besonders im Originale. Wie viel edler und erhabner, als Bourbon und Ruyter! -- wie nationalidealisch! besonders Stirn, Augenbraunen, und Aug' -- ganz englisch! O die trefflichen Augenbraunen unter der herrlich ge- wölbten, faltenlosen Stirne! Jm Blicke Beobachtung, Rathschlag, Entschluß, That. Den fla- chen äussern Umriß bey der linken Augenbraune bis unters Kinn find' ich bey vielen trefflichen eng-
lischen
XXIV. Fragment.
Vier und zwanzigſtes Fragment. Feldherren und Admiraͤle.
I. Bourbon und Ruyter.
1.
Bourbon, vollſtaͤndigſter Ausdruck von verſtandreicher, unerbittlicher Entſchloſſenheit. Jn den (im Ganzen betrachtet) horizontolen Augenbraunen, aus denen ſich ſo viele Falten in ver- ſchiedenen Richtungen heraufziehen, iſt die beredteſte, feſteſte Hartnaͤckigkeit. Die Augen koͤnn- ten — und ſollten vielleicht, aus den Augenbraunen zu ſchließen, feuriger, kraͤftiger, weniger ge- bogen ſeyn. Die Naſe iſt durch ihre Groͤße, Keckheit, Beſtimmtheit, ſo deutlicher Buchſtabe von Verſtandeskraft, Thatkraft, unternehmender Kuͤhnheit, als die Unterlippe, bey dieſer Offenheit des Mundes, Buchſtabe von roher Unempfindlichkeit iſt.
2.
Ruyter — kleiner, poͤbelhafterer, roherer Stolz. Mehr ſchnelle, grobe That, als Plan und Ueberlegung. Drohende Entſchloſſenheit, die ſich nicht bedenkt. Zwiſchen den Augenbrau- nen Hauptſitz des Charakters. Welch ein Unterſchied in beyden zwiſchen Naſe und Naſe! Ze- henmal entſcheidender, adelhafter, planvoller, des Obern. Sonſt hat das untere Geſicht mehr Ehrlichkeit, als das obere; — zwar rohe, trotzige, wartloſe im linken Auge, beſonders im Munde und in den Augen, obgleich dadurch, daß der Stern etwas mehr unter das Auglied verſchoben iſt, als beym rechten, der Eindruck von Ehrlichkeit etwas geſchwaͤcht wird.
Zweyte Tafel. Marlbourough.
Eines der ſchoͤnſten, edelſten, treuſten, entſchloſſenſten Geſichter, beſonders im Originale. Wie viel edler und erhabner, als Bourbon und Ruyter! — wie nationalidealiſch! beſonders Stirn, Augenbraunen, und Aug’ — ganz engliſch! O die trefflichen Augenbraunen unter der herrlich ge- woͤlbten, faltenloſen Stirne! Jm Blicke Beobachtung, Rathſchlag, Entſchluß, That. Den fla- chen aͤuſſern Umriß bey der linken Augenbraune bis unters Kinn find’ ich bey vielen trefflichen eng-
liſchen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0332"n="208"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g"><hirendition="#aq">XXIV.</hi> Fragment.</hi></hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vier und zwanzigſtes Fragment.<lb/>
Feldherren und Admiraͤle.</hi></hi></head><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi><lb/><hirendition="#g">Bourbon und Ruyter.</hi></hi></head><lb/><divn="4"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">B</hi><hirendition="#fr">ourbon,</hi> vollſtaͤndigſter Ausdruck von verſtandreicher, unerbittlicher Entſchloſſenheit. Jn<lb/>
den (im Ganzen betrachtet) horizontolen <hirendition="#fr">Augenbraunen,</hi> aus denen ſich ſo viele Falten in ver-<lb/>ſchiedenen Richtungen heraufziehen, iſt die beredteſte, feſteſte Hartnaͤckigkeit. Die <hirendition="#fr">Augen</hi> koͤnn-<lb/>
ten — und ſollten vielleicht, aus den Augenbraunen zu ſchließen, feuriger, kraͤftiger, weniger ge-<lb/>
bogen ſeyn. Die <hirendition="#fr">Naſe</hi> iſt durch ihre Groͤße, Keckheit, Beſtimmtheit, ſo deutlicher Buchſtabe von<lb/>
Verſtandeskraft, Thatkraft, unternehmender Kuͤhnheit, als die <hirendition="#fr">Unterlippe,</hi> bey dieſer Offenheit<lb/>
des Mundes, Buchſtabe von roher Unempfindlichkeit iſt.</p></div><lb/><divn="4"><head>2.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Ruyter</hi>— kleiner, poͤbelhafterer, roherer Stolz. Mehr ſchnelle, grobe That, als Plan<lb/>
und Ueberlegung. Drohende Entſchloſſenheit, die ſich nicht bedenkt. Zwiſchen den <hirendition="#fr">Augenbrau-<lb/>
nen</hi> Hauptſitz des Charakters. Welch ein Unterſchied in beyden zwiſchen Naſe und Naſe! Ze-<lb/>
henmal entſcheidender, adelhafter, planvoller, des Obern. Sonſt hat das untere Geſicht mehr<lb/>
Ehrlichkeit, als das obere; — zwar rohe, trotzige, wartloſe im linken Auge, beſonders im Munde<lb/>
und in den Augen, obgleich dadurch, daß der Stern etwas mehr unter das Auglied verſchoben iſt,<lb/>
als beym rechten, der Eindruck von Ehrlichkeit etwas geſchwaͤcht wird.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g"><hirendition="#fr">Zweyte Tafel.</hi><lb/><hirendition="#b">Marlbourough.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>ines der ſchoͤnſten, edelſten, treuſten, entſchloſſenſten Geſichter, beſonders im Originale. Wie<lb/>
viel edler und erhabner, als <hirendition="#fr">Bourbon</hi> und <hirendition="#fr">Ruyter!</hi>— wie nationalidealiſch! beſonders Stirn,<lb/>
Augenbraunen, und Aug’— ganz engliſch! O die trefflichen Augenbraunen unter der herrlich ge-<lb/>
woͤlbten, faltenloſen Stirne! Jm Blicke Beobachtung, Rathſchlag, Entſchluß, That. Den fla-<lb/>
chen aͤuſſern Umriß bey der linken Augenbraune bis unters Kinn find’ ich bey vielen trefflichen eng-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">liſchen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[208/0332]
XXIV. Fragment.
Vier und zwanzigſtes Fragment.
Feldherren und Admiraͤle.
I.
Bourbon und Ruyter.
1.
Bourbon, vollſtaͤndigſter Ausdruck von verſtandreicher, unerbittlicher Entſchloſſenheit. Jn
den (im Ganzen betrachtet) horizontolen Augenbraunen, aus denen ſich ſo viele Falten in ver-
ſchiedenen Richtungen heraufziehen, iſt die beredteſte, feſteſte Hartnaͤckigkeit. Die Augen koͤnn-
ten — und ſollten vielleicht, aus den Augenbraunen zu ſchließen, feuriger, kraͤftiger, weniger ge-
bogen ſeyn. Die Naſe iſt durch ihre Groͤße, Keckheit, Beſtimmtheit, ſo deutlicher Buchſtabe von
Verſtandeskraft, Thatkraft, unternehmender Kuͤhnheit, als die Unterlippe, bey dieſer Offenheit
des Mundes, Buchſtabe von roher Unempfindlichkeit iſt.
2.
Ruyter — kleiner, poͤbelhafterer, roherer Stolz. Mehr ſchnelle, grobe That, als Plan
und Ueberlegung. Drohende Entſchloſſenheit, die ſich nicht bedenkt. Zwiſchen den Augenbrau-
nen Hauptſitz des Charakters. Welch ein Unterſchied in beyden zwiſchen Naſe und Naſe! Ze-
henmal entſcheidender, adelhafter, planvoller, des Obern. Sonſt hat das untere Geſicht mehr
Ehrlichkeit, als das obere; — zwar rohe, trotzige, wartloſe im linken Auge, beſonders im Munde
und in den Augen, obgleich dadurch, daß der Stern etwas mehr unter das Auglied verſchoben iſt,
als beym rechten, der Eindruck von Ehrlichkeit etwas geſchwaͤcht wird.
Zweyte Tafel.
Marlbourough.
Eines der ſchoͤnſten, edelſten, treuſten, entſchloſſenſten Geſichter, beſonders im Originale. Wie
viel edler und erhabner, als Bourbon und Ruyter! — wie nationalidealiſch! beſonders Stirn,
Augenbraunen, und Aug’ — ganz engliſch! O die trefflichen Augenbraunen unter der herrlich ge-
woͤlbten, faltenloſen Stirne! Jm Blicke Beobachtung, Rathſchlag, Entſchluß, That. Den fla-
chen aͤuſſern Umriß bey der linken Augenbraune bis unters Kinn find’ ich bey vielen trefflichen eng-
liſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/332>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.