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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XIV. Fragment. Menschenschädel.
Stirnen dieses Umrisses haben gemeiniglich tiefe Augen. Tiefe Augen bey solchen Stirnen sind
immer vorzüglich gescheuter, tiefblickender Leute. Haben was festes, treffendes, und daher meistens
den Namen schlaue, arge Augen -- Nicht, daß sie's immer seyen, oder seyn müssen -- nein!
aber -- dieselbe große Scharfsichtigkeit kann, wie große Kraft, oder großer Reichthum, mißbraucht
werden -- wird größtentheils mißbraucht.

Der gerade Fortgang der Nasenbeine zeigt Festigkeit, Entschlossenheit, schnelle That.

Noch zeichnet sich der Unterkiefer durch Niedrigkeit, wie die beyden obern, besonders der
zweyte, durch Höhe aus.

Dieser Schädel ist feiner, als alle drey übrigen. Gesetzt, Rohigkeit wär' ein Grund
des Verbrechens bey den übrigen; so dürfte es bey diesem Weichlichkeit, Müßiggang mit feiner
Erfindsamkeit des Verstandes verbunden -- gewesen seyn. --

Die unreine Quelle, woraus Uebelthaten sprudeln, ist so verschieden -- ist selbst bey man-
chem ehrlichen Manne auch da!

Dank's der Fürsehung, bete an und sey nicht stolz, wenn du stehest. Keiner muß
ein Bösewicht durch seine Anlage werden; -- aber alle können's!

Noch Ein Wort zur Abwendung lächerlichen Mißverstandes: die Uebelthat kann nicht
stehenden Fußes sich dem Schädel einprägen -- so wenig so und so ein Schädel gerade diese
oder jene Uebelthat begehen muß.

VII.
Vom Unterschiede der Schädel in Ansehung des Geschlechtes, und besonders
der Nationen.

Von dem Unterschiede der Knochen in Ansehung des Geschlechts und der Verschieden-
heit der Nationen -- hat oben angeführter Herr von Fischer mir trefflich vorgearbeitet. Jch
liefere hier größtentheils Auszug aus seiner Abhandlung.

Die Betrachtung und Vergleichung der äussern und innern Beschaffenheit des Körpers
bey dem männlichen und weiblichen Geschlechte lehret uns, daß jenes zur Arbeitsamkeit und Stärke,

dieses
U 3

XIV. Fragment. Menſchenſchaͤdel.
Stirnen dieſes Umriſſes haben gemeiniglich tiefe Augen. Tiefe Augen bey ſolchen Stirnen ſind
immer vorzuͤglich geſcheuter, tiefblickender Leute. Haben was feſtes, treffendes, und daher meiſtens
den Namen ſchlaue, arge Augen — Nicht, daß ſie’s immer ſeyen, oder ſeyn muͤſſen — nein!
aber — dieſelbe große Scharfſichtigkeit kann, wie große Kraft, oder großer Reichthum, mißbraucht
werden — wird groͤßtentheils mißbraucht.

Der gerade Fortgang der Naſenbeine zeigt Feſtigkeit, Entſchloſſenheit, ſchnelle That.

Noch zeichnet ſich der Unterkiefer durch Niedrigkeit, wie die beyden obern, beſonders der
zweyte, durch Hoͤhe aus.

Dieſer Schaͤdel iſt feiner, als alle drey uͤbrigen. Geſetzt, Rohigkeit waͤr’ ein Grund
des Verbrechens bey den uͤbrigen; ſo duͤrfte es bey dieſem Weichlichkeit, Muͤßiggang mit feiner
Erfindſamkeit des Verſtandes verbunden — geweſen ſeyn. —

Die unreine Quelle, woraus Uebelthaten ſprudeln, iſt ſo verſchieden — iſt ſelbſt bey man-
chem ehrlichen Manne auch da!

Dank’s der Fuͤrſehung, bete an und ſey nicht ſtolz, wenn du ſteheſt. Keiner muß
ein Boͤſewicht durch ſeine Anlage werden; — aber alle koͤnnen’s!

Noch Ein Wort zur Abwendung laͤcherlichen Mißverſtandes: die Uebelthat kann nicht
ſtehenden Fußes ſich dem Schaͤdel einpraͤgen — ſo wenig ſo und ſo ein Schaͤdel gerade dieſe
oder jene Uebelthat begehen muß.

VII.
Vom Unterſchiede der Schaͤdel in Anſehung des Geſchlechtes, und beſonders
der Nationen.

Von dem Unterſchiede der Knochen in Anſehung des Geſchlechts und der Verſchieden-
heit der Nationen — hat oben angefuͤhrter Herr von Fiſcher mir trefflich vorgearbeitet. Jch
liefere hier groͤßtentheils Auszug aus ſeiner Abhandlung.

Die Betrachtung und Vergleichung der aͤuſſern und innern Beſchaffenheit des Koͤrpers
bey dem maͤnnlichen und weiblichen Geſchlechte lehret uns, daß jenes zur Arbeitſamkeit und Staͤrke,

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[157/0221] XIV. Fragment. Menſchenſchaͤdel. Stirnen dieſes Umriſſes haben gemeiniglich tiefe Augen. Tiefe Augen bey ſolchen Stirnen ſind immer vorzuͤglich geſcheuter, tiefblickender Leute. Haben was feſtes, treffendes, und daher meiſtens den Namen ſchlaue, arge Augen — Nicht, daß ſie’s immer ſeyen, oder ſeyn muͤſſen — nein! aber — dieſelbe große Scharfſichtigkeit kann, wie große Kraft, oder großer Reichthum, mißbraucht werden — wird groͤßtentheils mißbraucht. Der gerade Fortgang der Naſenbeine zeigt Feſtigkeit, Entſchloſſenheit, ſchnelle That. Noch zeichnet ſich der Unterkiefer durch Niedrigkeit, wie die beyden obern, beſonders der zweyte, durch Hoͤhe aus. Dieſer Schaͤdel iſt feiner, als alle drey uͤbrigen. Geſetzt, Rohigkeit waͤr’ ein Grund des Verbrechens bey den uͤbrigen; ſo duͤrfte es bey dieſem Weichlichkeit, Muͤßiggang mit feiner Erfindſamkeit des Verſtandes verbunden — geweſen ſeyn. — Die unreine Quelle, woraus Uebelthaten ſprudeln, iſt ſo verſchieden — iſt ſelbſt bey man- chem ehrlichen Manne auch da! Dank’s der Fuͤrſehung, bete an und ſey nicht ſtolz, wenn du ſteheſt. Keiner muß ein Boͤſewicht durch ſeine Anlage werden; — aber alle koͤnnen’s! Noch Ein Wort zur Abwendung laͤcherlichen Mißverſtandes: die Uebelthat kann nicht ſtehenden Fußes ſich dem Schaͤdel einpraͤgen — ſo wenig ſo und ſo ein Schaͤdel gerade dieſe oder jene Uebelthat begehen muß. VII. Vom Unterſchiede der Schaͤdel in Anſehung des Geſchlechtes, und beſonders der Nationen. Von dem Unterſchiede der Knochen in Anſehung des Geſchlechts und der Verſchieden- heit der Nationen — hat oben angefuͤhrter Herr von Fiſcher mir trefflich vorgearbeitet. Jch liefere hier groͤßtentheils Auszug aus ſeiner Abhandlung. Die Betrachtung und Vergleichung der aͤuſſern und innern Beſchaffenheit des Koͤrpers bey dem maͤnnlichen und weiblichen Geſchlechte lehret uns, daß jenes zur Arbeitſamkeit und Staͤrke, dieſes U 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/221>, abgerufen am 17.11.2024.