Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.Schattenrissen sehen lasse. Dreyzehnte Tafel. Vier männliche Silhouetten, bloße Umrisse in Ovalen. T. Daß zwischen jedem Paar dieser Silhouetten auffallender Kontrast ist, wird bald bemerkt 1.) Reine Erkenntnißkraft ohne hohen Scharf- und Tiefsinn. Viel feine Beurtheilung, 2.) Richtiger, scharfer Verstand, Zutrauen zu sich selbst, ohne genug Kraft, Liebe und 3.) Hat eine allgemeine Gedehntheit der Züge; nichts schiefes, aber auch nichts kräftiges. 4.) Festigkeit und kräftige Gewißheit sein selbst bis zum Trutz ohne Eitelkeit. Die Ver- Die Nase des ersten ist sicherlich demüthiger, als des vierten; aber nicht so verständig. Bemerkenswerth ist der vierfache Unterschied des Uebergangs von der Stirn zur Nase. Durch die angezeichneten Linien, die aber nicht genau genug sind, sollte die Form des Nachste- Q 3
Schattenriſſen ſehen laſſe. Dreyzehnte Tafel. Vier maͤnnliche Silhouetten, bloße Umriſſe in Ovalen. T. Daß zwiſchen jedem Paar dieſer Silhouetten auffallender Kontraſt iſt, wird bald bemerkt 1.) Reine Erkenntnißkraft ohne hohen Scharf- und Tiefſinn. Viel feine Beurtheilung, 2.) Richtiger, ſcharfer Verſtand, Zutrauen zu ſich ſelbſt, ohne genug Kraft, Liebe und 3.) Hat eine allgemeine Gedehntheit der Zuͤge; nichts ſchiefes, aber auch nichts kraͤftiges. 4.) Feſtigkeit und kraͤftige Gewißheit ſein ſelbſt bis zum Trutz ohne Eitelkeit. Die Ver- Die Naſe des erſten iſt ſicherlich demuͤthiger, als des vierten; aber nicht ſo verſtaͤndig. Bemerkenswerth iſt der vierfache Unterſchied des Uebergangs von der Stirn zur Naſe. Durch die angezeichneten Linien, die aber nicht genau genug ſind, ſollte die Form des Nachſte- Q 3
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Schattenriſſen ſehen laſſe.
Dreyzehnte Tafel.
Vier maͤnnliche Silhouetten, bloße Umriſſe in Ovalen. T.
Daß zwiſchen jedem Paar dieſer Silhouetten auffallender Kontraſt iſt, wird bald bemerkt
werden.
1.) Reine Erkenntnißkraft ohne hohen Scharf- und Tiefſinn. Viel feine Beurtheilung,
Geſchmack, gefaͤllige Sprache. Demuth mit allen verwandten Eigenſchaften. Leſer! ſuche dir
ſie zu entwickeln, ſpuͤre ſie im Einzelnen auf.
2.) Richtiger, ſcharfer Verſtand, Zutrauen zu ſich ſelbſt, ohne genug Kraft, Liebe und
Guͤte, daher leicht in leere Eitelkeit ausartend. Man vergleiche den obern und untern Theil des
Kopfes, wie viel jener verſpricht, wie wenig dieſer haͤlt; wie alles, was oben vordringt, Theil
zu nehmen und zu wuͤrken ſcheint, ſchon in der Naſe zu Gleichguͤltigkeit uͤbergeht, und unten in
kalte Selbſtigkeit abſinkt. Uebrigens gluͤckliche Beweglichkeit.
3.) Hat eine allgemeine Gedehntheit der Zuͤge; nichts ſchiefes, aber auch nichts kraͤftiges.
Eine reine, gute, in ſich ſelbſt wohnende Seele.
4.) Feſtigkeit und kraͤftige Gewißheit ſein ſelbſt bis zum Trutz ohne Eitelkeit. Die Ver-
haͤltniſſe der Dinge zu ſich fuͤhlt er richtig; daher unbeweglich in Meynungen. Antheil, Liebe,
Guͤte, nicht im Allgemeinen, aber auch deſto treuer, wohin er ſich beſtimmt hat.
Die Naſe des erſten iſt ſicherlich demuͤthiger, als des vierten; aber nicht ſo verſtaͤndig.
Bemerkenswerth iſt der vierfache Unterſchied des Uebergangs von der Stirn zur Naſe.
Der ſchwaͤchſte fuͤr Verſtand iſt offenbar 3. Der ſtaͤrkſte fuͤr Einbildungskraft 1. Der ſtaͤrkſte
fuͤr Verſtand 2. Fuͤr Witz 4.
Durch die angezeichneten Linien, die aber nicht genau genug ſind, ſollte die Form des
Umriſſes zum Theil beſtimmt werden. — Die Zeit wird’s zeigen, daß der Punkt der Beruͤhrung
ſolcher Linien — viel von dem Grade der Denkkraft, und beſonders der Beſchaffenheit und dem
Maaße der innern Triebkraft der Menſchen — beſtimmen wird.
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