Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.zur Prüfung des physiognomischen Genies. OO. Heinrich Blatter. Eins der sprechendsten und sogleich sich in ihrer ganzen Wahrheit darstellenden Gesichter ist Der muß den Menschen wenig kennen, der die feste Aufmerksamkeit, die diesem Bemerket Theil für Theil, und dann überschaut wieder das Ganze. Jhr werdet diese Stirne, bey diesem oben so zirkelrunden Schädel, wohl nie bey ei- Jst's nicht, überschaut es nun wieder ganz, ist's nicht offenbar das Gesicht eines Künst- Lieber!
zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies. OO. Heinrich Blatter. Eins der ſprechendſten und ſogleich ſich in ihrer ganzen Wahrheit darſtellenden Geſichter iſt Der muß den Menſchen wenig kennen, der die feſte Aufmerkſamkeit, die dieſem Bemerket Theil fuͤr Theil, und dann uͤberſchaut wieder das Ganze. Jhr werdet dieſe Stirne, bey dieſem oben ſo zirkelrunden Schaͤdel, wohl nie bey ei- Jſt's nicht, uͤberſchaut es nun wieder ganz, iſt's nicht offenbar das Geſicht eines Kuͤnſt- Lieber!
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zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies.
OO.
Heinrich Blatter.
Eins der ſprechendſten und ſogleich ſich in ihrer ganzen Wahrheit darſtellenden Geſichter iſt
das vorliegende von Heinrich Blatter von Krynau, das zwar ſehr kenntlich, aber dennoch in
einigen Stuͤcken hinter dem Urbilde zuruͤck iſt!
Der muß den Menſchen wenig kennen, der die feſte Aufmerkſamkeit, die dieſem
Geſichte eigen zu ſeyn ſcheint, keiner Aufmerkſamkeit wuͤrdigt; der die Kaͤlte, die Feſtigkeit,
den unermuͤdlichen Fleiß, die bis zum Eigenſinne gehende Standhaftigkeit, — und bey dieſem
allem die bey ſo viel Scharfſinn ſeltne Ruhe und Beſcheidenheit, nicht alsdann wenigſtens
wahrnimmt, wenn man ihm das von dieſem Geſichte geſagt hat.
Bemerket Theil fuͤr Theil, und dann uͤberſchaut wieder das Ganze.
Jhr werdet dieſe Stirne, bey dieſem oben ſo zirkelrunden Schaͤdel, wohl nie bey ei-
nem natuͤrlichen Dummkopfe antreffen. Nie dieſe Augenbraune! Nie, gewiß nie, verlaßt
euch ſicher drauf, nie dieß herrliche Auge mit dieſem Profilumriſſe des obern Augenliedes! Mit
dieſer Sichtbarkeit des innern Augenſterns im Profile! Jch will nicht ſagen: Nie, aber ſehr
ſelten dieſe gerade beſtimmte Naſe zuſammt dem Mund und Kinne, die, wer ſieht's nicht, ohne
mein Sagen, freylich nicht die zaͤrtlichſte, empfindſamſte, aber eine verſtaͤndige Seele vermu-
then laſſen.
Jſt's nicht, uͤberſchaut es nun wieder ganz, iſt's nicht offenbar das Geſicht eines Kuͤnſt-
lers, eines mechaniſchen und mathematiſchen Genies? Nicht eines ſchnell und hochemporfliegen-
den! Nein — durchaus nicht, aber einer mit kalter Langſamkeit fortſchreitenden, fortarbeiten-
den, tief, tief durchgrabenden, mit gleicher Vorſichtigkeit und Unverdroſſenheit bis zum
Ziele, zum Ziele ſtrebenden — das Ziel erſt umfaſſenden — dann uͤbers Ziel zu neuen entdeck-
ten Zielen fortſpekulirenden, und im Spekuliren hinausgehenden — Kraft — Kraft, nicht,
wie die, die den Pfeil vom Bogen ſchnellen laͤßt; aber Kraft, wie umſchloßne Federkraft
einer Uhr.
Lieber!
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