Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.XVII. Fragment. Physiognomische Uebungen V. Neun erdichtete Silhouetten. 1. Ein guter brauchbarer Geschäfftsmann, von gemeinem Verstande, ohne starke Leidenschaft. 2. Tiefer, forschender, fester Verstand! Beynahe nur Verstand! Langsam und fest in seinen Ueberlegungen und Entschlüssen! Wenig Jmagination, wenig Witz! Mehr eigensinnige Hart- näckigkeit, als freyer unternehmender Heldenmuth. 3. Ein herzguter, kalter -- zufriedener, treuer, absichtloser Mann. 4. Trefflich bis unter die Nase! allenthalben Verstand, nur nicht in der Unterlippe und der zu langen und zu geraden Linie, welche zum Kinn führt. 5. Verstand, Eigensinn, Geschmacklosigkeit. 6. Kontrast des Ober- und Untertheils des Gesichtes. Bis an die Spitze der Nase ziem- lich, nicht außerordentlich Verstand; unten viel Schwäche, Güte, Etourderie. 7. Etwas Witz; viel Güte! Etwas Geschmack; wenig Scharfsinn. 8. Ungeachtet die beynahe gerade Linie des Obertheils des Gesichtes nicht eine von den schönen und vielbedeutenden ist, so kontrastirt dennoch der untere Theil des Gesichtes, von der Spitze der Nase an, damit. Solche Stirne kann nicht diesen flachen unmännlichen Umriß des Mundes und des Kinns haben. 9. Ziemlich
XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen V. Neun erdichtete Silhouetten. 1. Ein guter brauchbarer Geſchaͤfftsmann, von gemeinem Verſtande, ohne ſtarke Leidenſchaft. 2. Tiefer, forſchender, feſter Verſtand! Beynahe nur Verſtand! Langſam und feſt in ſeinen Ueberlegungen und Entſchluͤſſen! Wenig Jmagination, wenig Witz! Mehr eigenſinnige Hart- naͤckigkeit, als freyer unternehmender Heldenmuth. 3. Ein herzguter, kalter — zufriedener, treuer, abſichtloſer Mann. 4. Trefflich bis unter die Naſe! allenthalben Verſtand, nur nicht in der Unterlippe und der zu langen und zu geraden Linie, welche zum Kinn fuͤhrt. 5. Verſtand, Eigenſinn, Geſchmackloſigkeit. 6. Kontraſt des Ober- und Untertheils des Geſichtes. Bis an die Spitze der Naſe ziem- lich, nicht außerordentlich Verſtand; unten viel Schwaͤche, Guͤte, Etourderie. 7. Etwas Witz; viel Guͤte! Etwas Geſchmack; wenig Scharfſinn. 8. Ungeachtet die beynahe gerade Linie des Obertheils des Geſichtes nicht eine von den ſchoͤnen und vielbedeutenden iſt, ſo kontraſtirt dennoch der untere Theil des Geſichtes, von der Spitze der Naſe an, damit. Solche Stirne kann nicht dieſen flachen unmaͤnnlichen Umriß des Mundes und des Kinns haben. 9. Ziemlich
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XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen
V.
Neun erdichtete Silhouetten.
1.
Ein guter brauchbarer Geſchaͤfftsmann, von gemeinem Verſtande, ohne ſtarke Leidenſchaft.
2.
Tiefer, forſchender, feſter Verſtand! Beynahe nur Verſtand! Langſam und feſt in ſeinen
Ueberlegungen und Entſchluͤſſen! Wenig Jmagination, wenig Witz! Mehr eigenſinnige Hart-
naͤckigkeit, als freyer unternehmender Heldenmuth.
3.
Ein herzguter, kalter — zufriedener, treuer, abſichtloſer Mann.
4.
Trefflich bis unter die Naſe! allenthalben Verſtand, nur nicht in der Unterlippe und der
zu langen und zu geraden Linie, welche zum Kinn fuͤhrt.
5.
Verſtand, Eigenſinn, Geſchmackloſigkeit.
6.
Kontraſt des Ober- und Untertheils des Geſichtes. Bis an die Spitze der Naſe ziem-
lich, nicht außerordentlich Verſtand; unten viel Schwaͤche, Guͤte, Etourderie.
7.
Etwas Witz; viel Guͤte! Etwas Geſchmack; wenig Scharfſinn.
8.
Ungeachtet die beynahe gerade Linie des Obertheils des Geſichtes nicht eine von den
ſchoͤnen und vielbedeutenden iſt, ſo kontraſtirt dennoch der untere Theil des Geſichtes, von der
Spitze der Naſe an, damit. Solche Stirne kann nicht dieſen flachen unmaͤnnlichen Umriß des
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9. Ziemlich
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