Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.XVII. Fragment. Physiognomische Uebungen ders der, beynahe noch zu schwach ausgedrückte, Einschnitt mitten am Kinne, welches untenher inder Natur wohl noch etwas runder seyn mag, die Lage und Sichtbarkeit der Muskeln an der Backe, die Distanz der, leider! verdeckten -- Ohren von der Nase, die horizontale Lage des Mundes, die Verschlossenheit desselben, die Proportion, Zeichnung und Lage der Lip- pen -- daß das alles zusammen genommen entscheidende Merkmale von Verstand, Klugheit und edler Feinheit und Heiterkeit des Kopfes seyn. So entscheiden wenigstens meine bisherigen Be- obachtungen. -- Güte ist allenthalben ausgegossen, oder eigentlicher zu reden: Aus der Fülle der Güte des Originalgesichtes sind nur einige Tropfen auf dieses Nachbild gefallen, und auf dem- selben zerflossen. Kein Mensch wird dieses Bild ansehen, ohne Güte zu vermuthen, oder wenig- stens sogleich einzustimmen, wenn man ihm sagt: "Siehe hier ein Bild eines Gütigen." Um das, was ich bisher gesagt, noch gewisser und anschaubarer zu machen; -- um den Bemerkungen. Das Aug und der Mund sind in dem Urbilde noch viel gütiger und liebreicher, als sie es Das Auge hinten in dem Winkel ist zu abgebrochen, zu stumpf -- Die Linie, an welcher Ferner: Die mittlere Linie im Munde würde ungleich mehr Leutseligkeit darstellen, wenn wenn
XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen ders der, beynahe noch zu ſchwach ausgedruͤckte, Einſchnitt mitten am Kinne, welches untenher inder Natur wohl noch etwas runder ſeyn mag, die Lage und Sichtbarkeit der Muskeln an der Backe, die Diſtanz der, leider! verdeckten — Ohren von der Naſe, die horizontale Lage des Mundes, die Verſchloſſenheit deſſelben, die Proportion, Zeichnung und Lage der Lip- pen — daß das alles zuſammen genommen entſcheidende Merkmale von Verſtand, Klugheit und edler Feinheit und Heiterkeit des Kopfes ſeyn. So entſcheiden wenigſtens meine bisherigen Be- obachtungen. — Guͤte iſt allenthalben ausgegoſſen, oder eigentlicher zu reden: Aus der Fuͤlle der Guͤte des Originalgeſichtes ſind nur einige Tropfen auf dieſes Nachbild gefallen, und auf dem- ſelben zerfloſſen. Kein Menſch wird dieſes Bild anſehen, ohne Guͤte zu vermuthen, oder wenig- ſtens ſogleich einzuſtimmen, wenn man ihm ſagt: „Siehe hier ein Bild eines Guͤtigen.“ Um das, was ich bisher geſagt, noch gewiſſer und anſchaubarer zu machen; — um den Bemerkungen. Das Aug und der Mund ſind in dem Urbilde noch viel guͤtiger und liebreicher, als ſie es Das Auge hinten in dem Winkel iſt zu abgebrochen, zu ſtumpf — Die Linie, an welcher Ferner: Die mittlere Linie im Munde wuͤrde ungleich mehr Leutſeligkeit darſtellen, wenn wenn
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XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen
ders der, beynahe noch zu ſchwach ausgedruͤckte, Einſchnitt mitten am Kinne, welches untenher in
der Natur wohl noch etwas runder ſeyn mag, die Lage und Sichtbarkeit der Muskeln an der
Backe, die Diſtanz der, leider! verdeckten — Ohren von der Naſe, die horizontale Lage
des Mundes, die Verſchloſſenheit deſſelben, die Proportion, Zeichnung und Lage der Lip-
pen — daß das alles zuſammen genommen entſcheidende Merkmale von Verſtand, Klugheit und
edler Feinheit und Heiterkeit des Kopfes ſeyn. So entſcheiden wenigſtens meine bisherigen Be-
obachtungen. — Guͤte iſt allenthalben ausgegoſſen, oder eigentlicher zu reden: Aus der Fuͤlle
der Guͤte des Originalgeſichtes ſind nur einige Tropfen auf dieſes Nachbild gefallen, und auf dem-
ſelben zerfloſſen. Kein Menſch wird dieſes Bild anſehen, ohne Guͤte zu vermuthen, oder wenig-
ſtens ſogleich einzuſtimmen, wenn man ihm ſagt: „Siehe hier ein Bild eines Guͤtigen.“
Um das, was ich bisher geſagt, noch gewiſſer und anſchaubarer zu machen; — um den
aufmerkſamen Leſer noch einige Schritte weiter zu fuͤhren, oder vielmehr, um ihn auf einer Bahn
ſtehen zu laſſen, auf welcher er, ohne mich, vielleicht gluͤcklicher wird fortgehen koͤnnen, will ich
noch einige Vermuthungen wagen, und einige Bemerkungen beyfuͤgen. —
Bemerkungen.
Das Aug und der Mund ſind in dem Urbilde noch viel guͤtiger und liebreicher, als ſie es
in dieſem Nachbilde ſind. Warum ſcheint nun dieſes Nachbild weniger liebreich, als das Original
in derſelben Lage und Verfaſſung? — Ohne Zwefel ſind folgende Maͤngel und Schwaͤchen der
Zeichnung Schuld daran.
Das Auge hinten in dem Winkel iſt zu abgebrochen, zu ſtumpf — Die Linie, an welcher
die Auglippenhaare (cilia) ſtehen, und die druͤber, welche hinten mit der untern in einen Win-
kel zuſammenlaͤuft, ſollten weiter fortgehen, ſollten zu einigen kleinen nach und nach ſich verlieren-
den Falten werden, und wieder aus einander gehen. —
Ferner: Die mittlere Linie im Munde wuͤrde ungleich mehr Leutſeligkeit darſtellen, wenn
ſie vornen nicht ſo ſcharf verſchloſſen, oder nur wo die Mittellinie ſich bricht, und dann zwiſchen
dem aͤußerſten Ende durch einige Druͤcke des Grabſtichels belebter worden waͤre. Noch mehr,
wenn
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