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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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zur Prüfung des physiognomischen Genies.
Q.
II. Tafel.
Chodowiekischer Köpfe.
1) Jn dem ersten ist ein Gemische von Großem und Kleinem; der obere Theil mit dem Auge
läßt Großes hoffen; der untere benimmt, oder schwächt diese Hoffnung.
2) Ein herrlich Gesicht eines verständigen, und herzguten Menschen.
3) Ein sehr verständiger Mann von vieler Erfahrung, doch unentschlossen, und stolz!
4) Liebenswürdiges Gesicht eines edlen, unschuldigen, ruhigen, leidenschaftlosen, gesunden
Menschen.
5) Ein sehr kluger, fester, tapferer Mann.
6) Hochachtung erwerbende, und Zutrauen verdienende Klugheit.
7) Derselbe Character, nur etwas weniger erhaben.
8) Ein herrliches Mannsgesicht voll Weisheit, und Ruhe und Festigkeit.
9) Welch ein plötzlicher Abfall das neunte Gesicht! wie kleinlich, unedel, unmännlich, schwach
in Vergleichung mit dem vorigen!
10) Jch getraue mir nicht, mit genug Sicherheit zu entscheiden, wie viel Ehrlichkeit sich zu
dem muntern Witze geselle, der in diesem Gesichte die Oberhand zu haben scheint.
11) Ein ordentlicher, mit Fleiß arbeitender, tiefsehender, etwas melancholischer Kopf, der des
Neides und Geizes nicht unfähig wäre.
12) Ein nicht von aller Feinheit und Kraft leeres Staatsgesicht.
13) Aufmerksamkeit eines guten Beobachters ohne sonderliche Klugheit.
14) Höherer Grad der Aufmerksamkeit mit Zweifel und Urtheil vermischt.
15) Sollten Kälte und Melancholie, Aberglauben und Größe sich zusammen finden können, so
glaubt' ich sie in diesem Gesichte vereinigt zu sehen.
16) Fast sollt' ich diesem Gesichte keinen Namen geben! aber willkührliche niederträchtige Miß-
gunst, verbunden mit diesem Grade der Dummheit, verdient doch, bezeichnet zu werden.
17) Ein ganz guter, erträglicher Mann, dessen nicht verstandleeres Auge eine schärfre Nase zur
Gesellschafterinn verdiente.
18) Jch
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zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies.
Q.
II. Tafel.
Chodowiekiſcher Koͤpfe.
1) Jn dem erſten iſt ein Gemiſche von Großem und Kleinem; der obere Theil mit dem Auge
laͤßt Großes hoffen; der untere benimmt, oder ſchwaͤcht dieſe Hoffnung.
2) Ein herrlich Geſicht eines verſtaͤndigen, und herzguten Menſchen.
3) Ein ſehr verſtaͤndiger Mann von vieler Erfahrung, doch unentſchloſſen, und ſtolz!
4) Liebenswuͤrdiges Geſicht eines edlen, unſchuldigen, ruhigen, leidenſchaftloſen, geſunden
Menſchen.
5) Ein ſehr kluger, feſter, tapferer Mann.
6) Hochachtung erwerbende, und Zutrauen verdienende Klugheit.
7) Derſelbe Character, nur etwas weniger erhaben.
8) Ein herrliches Mannsgeſicht voll Weisheit, und Ruhe und Feſtigkeit.
9) Welch ein ploͤtzlicher Abfall das neunte Geſicht! wie kleinlich, unedel, unmaͤnnlich, ſchwach
in Vergleichung mit dem vorigen!
10) Jch getraue mir nicht, mit genug Sicherheit zu entſcheiden, wie viel Ehrlichkeit ſich zu
dem muntern Witze geſelle, der in dieſem Geſichte die Oberhand zu haben ſcheint.
11) Ein ordentlicher, mit Fleiß arbeitender, tiefſehender, etwas melancholiſcher Kopf, der des
Neides und Geizes nicht unfaͤhig waͤre.
12) Ein nicht von aller Feinheit und Kraft leeres Staatsgeſicht.
13) Aufmerkſamkeit eines guten Beobachters ohne ſonderliche Klugheit.
14) Hoͤherer Grad der Aufmerkſamkeit mit Zweifel und Urtheil vermiſcht.
15) Sollten Kaͤlte und Melancholie, Aberglauben und Groͤße ſich zuſammen finden koͤnnen, ſo
glaubt' ich ſie in dieſem Geſichte vereinigt zu ſehen.
16) Faſt ſollt' ich dieſem Geſichte keinen Namen geben! aber willkuͤhrliche niedertraͤchtige Miß-
gunſt, verbunden mit dieſem Grade der Dummheit, verdient doch, bezeichnet zu werden.
17) Ein ganz guter, ertraͤglicher Mann, deſſen nicht verſtandleeres Auge eine ſchaͤrfre Naſe zur
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18) Jch
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[211/0311] zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies. Q. II. Tafel. Chodowiekiſcher Koͤpfe. 1) Jn dem erſten iſt ein Gemiſche von Großem und Kleinem; der obere Theil mit dem Auge laͤßt Großes hoffen; der untere benimmt, oder ſchwaͤcht dieſe Hoffnung. 2) Ein herrlich Geſicht eines verſtaͤndigen, und herzguten Menſchen. 3) Ein ſehr verſtaͤndiger Mann von vieler Erfahrung, doch unentſchloſſen, und ſtolz! 4) Liebenswuͤrdiges Geſicht eines edlen, unſchuldigen, ruhigen, leidenſchaftloſen, geſunden Menſchen. 5) Ein ſehr kluger, feſter, tapferer Mann. 6) Hochachtung erwerbende, und Zutrauen verdienende Klugheit. 7) Derſelbe Character, nur etwas weniger erhaben. 8) Ein herrliches Mannsgeſicht voll Weisheit, und Ruhe und Feſtigkeit. 9) Welch ein ploͤtzlicher Abfall das neunte Geſicht! wie kleinlich, unedel, unmaͤnnlich, ſchwach in Vergleichung mit dem vorigen! 10) Jch getraue mir nicht, mit genug Sicherheit zu entſcheiden, wie viel Ehrlichkeit ſich zu dem muntern Witze geſelle, der in dieſem Geſichte die Oberhand zu haben ſcheint. 11) Ein ordentlicher, mit Fleiß arbeitender, tiefſehender, etwas melancholiſcher Kopf, der des Neides und Geizes nicht unfaͤhig waͤre. 12) Ein nicht von aller Feinheit und Kraft leeres Staatsgeſicht. 13) Aufmerkſamkeit eines guten Beobachters ohne ſonderliche Klugheit. 14) Hoͤherer Grad der Aufmerkſamkeit mit Zweifel und Urtheil vermiſcht. 15) Sollten Kaͤlte und Melancholie, Aberglauben und Groͤße ſich zuſammen finden koͤnnen, ſo glaubt' ich ſie in dieſem Geſichte vereinigt zu ſehen. 16) Faſt ſollt' ich dieſem Geſichte keinen Namen geben! aber willkuͤhrliche niedertraͤchtige Miß- gunſt, verbunden mit dieſem Grade der Dummheit, verdient doch, bezeichnet zu werden. 17) Ein ganz guter, ertraͤglicher Mann, deſſen nicht verſtandleeres Auge eine ſchaͤrfre Naſe zur Geſellſchafterinn verdiente. 18) Jch E e 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/311>, abgerufen am 30.12.2024.