Die Wunde auf meiner Brust ging im Herbst 1794 wieder von selbst auf, nachdem sie einige Zeit zugenarbt gewesen war. Ich befragte darüber mei- nen Bekannten, den Feldscheer Gibasier, und dieser legte mir ein Pflaster auf, und versicherte mich, daß sich etwas von dem Brustknochen ab- sondern würde. Er nannte dieses Exfoliation: denn die französischen Aerzte haben ihre eigenthüm- liche Sprache, so gut, wie die Deutschen. Ich bekam wegen dieses mir fremden Wortes noch Streit mit dem braven Mann: denn als er in sei- ner medizinischen Demonstration sich des Ausdrucks s'exfolier bediente, merkte ich ihm an, das sey ja ein neues, unverständliches Zeitwort: se detacher bedeute eben das, und sey jedem verständlich. Wie du es versteht, erwi[e]derte er heftig: se deta- cher -- das sagt jeder unwissende Junge, s'exfo- lie[r] sagt der Mediziner: das ist ein Kunstwort, und ein Kunstwort gilt mehr als hundert gemeine Wörter, gesezt auch, es sage nichts mehr. -- Bey diesem Ausbruch dachte ich an einige Philoso-
Ein und vierzigſtes Kapitel.
Verfolg meiner eigenen Geſchichte.
Die Wunde auf meiner Bruſt ging im Herbſt 1794 wieder von ſelbſt auf, nachdem ſie einige Zeit zugenarbt geweſen war. Ich befragte daruͤber mei- nen Bekannten, den Feldſcheer Gibaſier, und dieſer legte mir ein Pflaſter auf, und verſicherte mich, daß ſich etwas von dem Bruſtknochen ab- ſondern wuͤrde. Er nannte dieſes Exfoliation: denn die franzoͤſiſchen Aerzte haben ihre eigenthuͤm- liche Sprache, ſo gut, wie die Deutſchen. Ich bekam wegen dieſes mir fremden Wortes noch Streit mit dem braven Mann: denn als er in ſei- ner mediziniſchen Demonſtration ſich des Ausdrucks s'exfolier bediente, merkte ich ihm an, das ſey ja ein neues, unverſtaͤndliches Zeitwort: ſe détacher bedeute eben das, und ſey jedem verſtaͤndlich. Wie du es verſteht, erwi[e]derte er heftig: ſe déta- cher — das ſagt jeder unwiſſende Junge, s'exfo- lie[r] ſagt der Mediziner: das iſt ein Kunſtwort, und ein Kunſtwort gilt mehr als hundert gemeine Woͤrter, geſezt auch, es ſage nichts mehr. — Bey dieſem Ausbruch dachte ich an einige Philoſo-
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Ein und vierzigſtes Kapitel.
Verfolg meiner eigenen Geſchichte.
Die Wunde auf meiner Bruſt ging im Herbſt
1794 wieder von ſelbſt auf, nachdem ſie einige Zeit
zugenarbt geweſen war. Ich befragte daruͤber mei-
nen Bekannten, den Feldſcheer Gibaſier, und
dieſer legte mir ein Pflaſter auf, und verſicherte
mich, daß ſich etwas von dem Bruſtknochen ab-
ſondern wuͤrde. Er nannte dieſes Exfoliation:
denn die franzoͤſiſchen Aerzte haben ihre eigenthuͤm-
liche Sprache, ſo gut, wie die Deutſchen. Ich
bekam wegen dieſes mir fremden Wortes noch
Streit mit dem braven Mann: denn als er in ſei-
ner mediziniſchen Demonſtration ſich des Ausdrucks
s'exfolier bediente, merkte ich ihm an, das ſey ja
ein neues, unverſtaͤndliches Zeitwort: ſe détacher
bedeute eben das, und ſey jedem verſtaͤndlich.
Wie du es verſteht, erwiederte er heftig: ſe déta-
cher — das ſagt jeder unwiſſende Junge, s'exfo-
lier ſagt der Mediziner: das iſt ein Kunſtwort,
und ein Kunſtwort gilt mehr als hundert gemeine
Woͤrter, geſezt auch, es ſage nichts mehr. —
Bey dieſem Ausbruch dachte ich an einige Philoſo-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/60>, abgerufen am 23.11.2024.
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