Der Feldzug 1790. Dessau, Nowaweß. Berlin. Ein No- tabene für den theologisch- politischen Wiener Kasperl, Bulgo Hoffmann. Berlinisches Bordelwesen.
Wie gesagt, wir marschirten den 5ten Junius 1790 aus der Garnison zu Halle, und unser erster Ruhe- tag war in Dessau. Unterwegs waren unsre jungen Soldaten gleich von Anfange munter und lustig: die ältern aber hingen den Kopf, und sahen mürrisch aus, bis sich endlich nach und nach der Geist der Munterkeit durchaus verbreitete, und das ganze Re- giment zu einem Haufen lustiger Brüder ward. Ich habe es immer recht gern gesehen, wenn unsre Leute sangen und jubelten, ob ich gleich selbst nicht mitsinge. Die gewaltigen Zoten, welche gewöhnlich gesungen werden, konnten mich nicht beleidigen, sie beleidigen auch wohl niemanden, weil sie zu diesem Wesen zu gehören scheinen. Das macht so das Hergebrachte!
In Dessau hatte der dortige Fürst die Anstalt getroffen, daß wir alle recht gut bewirthet wurden. Die Dessauer sind überhaupt artige, gute Leute, welche sich alle Mühe gaben, uns Vergnügen zu machen; besonders war mein Wirth, ein Ziegeldecker, ein recht guter Mann. Ich ließ mir in Dessau aller-
Vier und dreiſſigſtes Kapitel.
Der Feldzug 1790. Deſſau, Nowaweß. Berlin. Ein No- tabene fuͤr den theologiſch- politiſchen Wiener Kaſperl, Bulgo Hoffmann. Berliniſches Bordelweſen.
Wie geſagt, wir marſchirten den 5ten Junius 1790 aus der Garniſon zu Halle, und unſer erſter Ruhe- tag war in Deſſau. Unterwegs waren unſre jungen Soldaten gleich von Anfange munter und luſtig: die aͤltern aber hingen den Kopf, und ſahen muͤrriſch aus, bis ſich endlich nach und nach der Geiſt der Munterkeit durchaus verbreitete, und das ganze Re- giment zu einem Haufen luſtiger Bruͤder ward. Ich habe es immer recht gern geſehen, wenn unſre Leute ſangen und jubelten, ob ich gleich ſelbſt nicht mitſinge. Die gewaltigen Zoten, welche gewoͤhnlich geſungen werden, konnten mich nicht beleidigen, ſie beleidigen auch wohl niemanden, weil ſie zu dieſem Weſen zu gehoͤren ſcheinen. Das macht ſo das Hergebrachte!
In Deſſau hatte der dortige Fuͤrſt die Anſtalt getroffen, daß wir alle recht gut bewirthet wurden. Die Deſſauer ſind uͤberhaupt artige, gute Leute, welche ſich alle Muͤhe gaben, uns Vergnuͤgen zu machen; beſonders war mein Wirth, ein Ziegeldecker, ein recht guter Mann. Ich ließ mir in Deſſau aller-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0404"n="400[402]"/><divn="1"><head>Vier und dreiſſigſtes Kapitel.</head><lb/><p>Der Feldzug 1790. Deſſau, Nowaweß. Berlin. Ein No-<lb/>
tabene fuͤr den theologiſch- politiſchen Wiener Kaſperl,<lb/>
Bulgo Hoffmann. Berliniſches Bordelweſen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">W</hi>ie geſagt, wir marſchirten den 5ten Junius 1790<lb/>
aus der Garniſon zu Halle, und unſer erſter Ruhe-<lb/>
tag war in Deſſau. Unterwegs waren unſre jungen<lb/>
Soldaten gleich von Anfange munter und luſtig: die<lb/>
aͤltern aber hingen den Kopf, und ſahen muͤrriſch<lb/>
aus, bis ſich endlich nach und nach der Geiſt der<lb/>
Munterkeit durchaus verbreitete, und das ganze Re-<lb/>
giment zu einem Haufen luſtiger Bruͤder ward. Ich<lb/>
habe es immer recht gern geſehen, wenn unſre Leute<lb/>ſangen und jubelten, ob ich gleich ſelbſt nicht mitſinge.<lb/>
Die gewaltigen Zoten, welche gewoͤhnlich geſungen<lb/>
werden, konnten mich nicht beleidigen, ſie beleidigen<lb/>
auch wohl niemanden, weil ſie zu dieſem Weſen zu<lb/>
gehoͤren ſcheinen. Das macht ſo das Hergebrachte!</p><lb/><p>In Deſſau hatte der dortige Fuͤrſt die Anſtalt<lb/>
getroffen, daß wir alle recht gut bewirthet wurden.<lb/>
Die Deſſauer ſind uͤberhaupt artige, gute Leute,<lb/>
welche ſich alle Muͤhe gaben, uns Vergnuͤgen zu<lb/>
machen; beſonders war mein Wirth, ein Ziegeldecker,<lb/>
ein recht guter Mann. Ich ließ mir in Deſſau aller-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[400[402]/0404]
Vier und dreiſſigſtes Kapitel.
Der Feldzug 1790. Deſſau, Nowaweß. Berlin. Ein No-
tabene fuͤr den theologiſch- politiſchen Wiener Kaſperl,
Bulgo Hoffmann. Berliniſches Bordelweſen.
Wie geſagt, wir marſchirten den 5ten Junius 1790
aus der Garniſon zu Halle, und unſer erſter Ruhe-
tag war in Deſſau. Unterwegs waren unſre jungen
Soldaten gleich von Anfange munter und luſtig: die
aͤltern aber hingen den Kopf, und ſahen muͤrriſch
aus, bis ſich endlich nach und nach der Geiſt der
Munterkeit durchaus verbreitete, und das ganze Re-
giment zu einem Haufen luſtiger Bruͤder ward. Ich
habe es immer recht gern geſehen, wenn unſre Leute
ſangen und jubelten, ob ich gleich ſelbſt nicht mitſinge.
Die gewaltigen Zoten, welche gewoͤhnlich geſungen
werden, konnten mich nicht beleidigen, ſie beleidigen
auch wohl niemanden, weil ſie zu dieſem Weſen zu
gehoͤren ſcheinen. Das macht ſo das Hergebrachte!
In Deſſau hatte der dortige Fuͤrſt die Anſtalt
getroffen, daß wir alle recht gut bewirthet wurden.
Die Deſſauer ſind uͤberhaupt artige, gute Leute,
welche ſich alle Muͤhe gaben, uns Vergnuͤgen zu
machen; beſonders war mein Wirth, ein Ziegeldecker,
ein recht guter Mann. Ich ließ mir in Deſſau aller-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 400[402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/404>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.