Das deutsche Sprichwort: Jung gewöhnt, alt gethan, -- ich wiederhole es -- ist sehr gegründet. Ich war, wie meine Leser schon wissen, von Jugend auf ans Trinken gewöhnt, und hatte hernach diese schöne Gewohnheit so fortgesetzt, daß ich zwar dann und wann einige Pausen, selbst recht lange Pausen machte; aber doch immer wieder zur alten Unart zurückkehrte. Als ich Soldat ward, faßte ich den festen Vorsatz, nur nach Nothdurft zu trinken und dem Saufen gänzlich zu entsagen. Ich blieb diesem Vorsatz auch eine Zeitlang getreu, und konnte wenigstens schon Monate zählen, daß ich nicht betrunken war. Allein was helfen alle guten Vor- sätze, wenn die Neigung aus Gewohnheit uns schon verdorben und verhunzt hat!
Ich war an einem Sonntage bei der Frau Bu- chin, wo ein gewisser Soldat, Bornmeister, mir stark zusetzte, und zum Trinken nöthigte. Der Kerl räsonnirte von vielerlei Dingen, und da er kein Dummkopf, und weit in der Welt herumgeflogen
Zweiter Theil. S
Drei und zwanzigſtes Kapitel.
Sturm und Sonnenſchein.
Das deutſche Sprichwort: Jung gewoͤhnt, alt gethan, — ich wiederhole es — iſt ſehr gegruͤndet. Ich war, wie meine Leſer ſchon wiſſen, von Jugend auf ans Trinken gewoͤhnt, und hatte hernach dieſe ſchoͤne Gewohnheit ſo fortgeſetzt, daß ich zwar dann und wann einige Pauſen, ſelbſt recht lange Pauſen machte; aber doch immer wieder zur alten Unart zuruͤckkehrte. Als ich Soldat ward, faßte ich den feſten Vorſatz, nur nach Nothdurft zu trinken und dem Saufen gaͤnzlich zu entſagen. Ich blieb dieſem Vorſatz auch eine Zeitlang getreu, und konnte wenigſtens ſchon Monate zaͤhlen, daß ich nicht betrunken war. Allein was helfen alle guten Vor- ſaͤtze, wenn die Neigung aus Gewohnheit uns ſchon verdorben und verhunzt hat!
Ich war an einem Sonntage bei der Frau Bu- chin, wo ein gewiſſer Soldat, Bornmeiſter, mir ſtark zuſetzte, und zum Trinken noͤthigte. Der Kerl raͤſonnirte von vielerlei Dingen, und da er kein Dummkopf, und weit in der Welt herumgeflogen
Zweiter Theil. S
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Drei und zwanzigſtes Kapitel.
Sturm und Sonnenſchein.
Das deutſche Sprichwort: Jung gewoͤhnt,
alt gethan, — ich wiederhole es — iſt ſehr
gegruͤndet. Ich war, wie meine Leſer ſchon wiſſen,
von Jugend auf ans Trinken gewoͤhnt, und hatte
hernach dieſe ſchoͤne Gewohnheit ſo fortgeſetzt, daß
ich zwar dann und wann einige Pauſen, ſelbſt recht
lange Pauſen machte; aber doch immer wieder zur
alten Unart zuruͤckkehrte. Als ich Soldat ward,
faßte ich den feſten Vorſatz, nur nach Nothdurft zu
trinken und dem Saufen gaͤnzlich zu entſagen. Ich
blieb dieſem Vorſatz auch eine Zeitlang getreu, und
konnte wenigſtens ſchon Monate zaͤhlen, daß ich nicht
betrunken war. Allein was helfen alle guten Vor-
ſaͤtze, wenn die Neigung aus Gewohnheit uns ſchon
verdorben und verhunzt hat!
Ich war an einem Sonntage bei der Frau Bu-
chin, wo ein gewiſſer Soldat, Bornmeiſter, mir
ſtark zuſetzte, und zum Trinken noͤthigte. Der Kerl
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 263[273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/275>, abgerufen am 21.11.2024.
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