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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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30.
Julia an ihre Mutter.

Du hattest Recht Mutter, als Du mir riethst mei¬
nen Aufenthalt in Grünschloß abzukürzen, Hyppolit würde
mein Unglück sein. Er ist der schönste, gewaltigste Mann,
den ich gesehen, wäre ich länger geblieben, so hätte er
mich überwältigt, ob ich ihn deshalb je geliebt hätte,
weiß ich nicht.

Gestern bin ich abgereis't, weil es die höchste Zeit
war, ich gehe zum Vater nach Paris und schreibe Dir
dies Billet aus dem ersten Nachtlager. Morgen mehr,
liebe Mutter, ich bin todtmüde. Fast eine Stunde lang
bin ich im Wagen ohnmächtig gewesen -- Hyppolit kam
wie ein zürnender Gott hinter dem Wagen her und
wollte mich halten. Ach Mutter, was hab' ich gelitten
dabei. Ich gab ihm meine Hand, unendliche Wollust
jagte sein Kuß darauf durch meine Sinne, aber mir
war's, als hielt mich ein wilder Geist. Mein Mädchen,
die etwas von unsern Gesprächen verstanden hatte, gab
den Kutschern ein Zeichen, der Wagen flog davon,
Hyppolit schrie auf, daß es mir Mark und Bein erbe¬

30.
Julia an ihre Mutter.

Du hatteſt Recht Mutter, als Du mir riethſt mei¬
nen Aufenthalt in Grünſchloß abzukürzen, Hyppolit würde
mein Unglück ſein. Er iſt der ſchönſte, gewaltigſte Mann,
den ich geſehen, wäre ich länger geblieben, ſo hätte er
mich überwältigt, ob ich ihn deshalb je geliebt hätte,
weiß ich nicht.

Geſtern bin ich abgereiſ't, weil es die höchſte Zeit
war, ich gehe zum Vater nach Paris und ſchreibe Dir
dies Billet aus dem erſten Nachtlager. Morgen mehr,
liebe Mutter, ich bin todtmüde. Faſt eine Stunde lang
bin ich im Wagen ohnmächtig geweſen — Hyppolit kam
wie ein zürnender Gott hinter dem Wagen her und
wollte mich halten. Ach Mutter, was hab' ich gelitten
dabei. Ich gab ihm meine Hand, unendliche Wolluſt
jagte ſein Kuß darauf durch meine Sinne, aber mir
war's, als hielt mich ein wilder Geiſt. Mein Mädchen,
die etwas von unſern Geſprächen verſtanden hatte, gab
den Kutſchern ein Zeichen, der Wagen flog davon,
Hyppolit ſchrie auf, daß es mir Mark und Bein erbe¬

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[103/0115] 30. Julia an ihre Mutter. Du hatteſt Recht Mutter, als Du mir riethſt mei¬ nen Aufenthalt in Grünſchloß abzukürzen, Hyppolit würde mein Unglück ſein. Er iſt der ſchönſte, gewaltigſte Mann, den ich geſehen, wäre ich länger geblieben, ſo hätte er mich überwältigt, ob ich ihn deshalb je geliebt hätte, weiß ich nicht. Geſtern bin ich abgereiſ't, weil es die höchſte Zeit war, ich gehe zum Vater nach Paris und ſchreibe Dir dies Billet aus dem erſten Nachtlager. Morgen mehr, liebe Mutter, ich bin todtmüde. Faſt eine Stunde lang bin ich im Wagen ohnmächtig geweſen — Hyppolit kam wie ein zürnender Gott hinter dem Wagen her und wollte mich halten. Ach Mutter, was hab' ich gelitten dabei. Ich gab ihm meine Hand, unendliche Wolluſt jagte ſein Kuß darauf durch meine Sinne, aber mir war's, als hielt mich ein wilder Geiſt. Mein Mädchen, die etwas von unſern Geſprächen verſtanden hatte, gab den Kutſchern ein Zeichen, der Wagen flog davon, Hyppolit ſchrie auf, daß es mir Mark und Bein erbe¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/115>, abgerufen am 21.11.2024.