Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. Puppensonne 11. Ein bewegter Tag. Die Arbeiter waren damit be- Mit derartigen Gedanken war ich beschäftigt, als Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. Puppenſonne 11. Ein bewegter Tag. Die Arbeiter waren damit be- Mit derartigen Gedanken war ich beſchäftigt, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0093" n="87"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi> </fw><lb/> <div n="3"> <head>Puppenſonne 11.</head><lb/> <p>Ein bewegter Tag. Die Arbeiter waren damit be-<lb/> ſchäftigt, unſern diesjährigen Erſtlingen beim Auskriechen<lb/> behilflich zu ſein. Während ſie ihnen die Puppenhülſen<lb/> aufbiſſen und abzogen, ſaß ich wieder über meinem Sſrr,<lb/> dem großen Erforſcher der Menſchen, den ich mehr und<lb/> mehr verehren lerne. Hat er uns doch eine neue Welt<lb/> eröffnet, einen Blick in den ungeahnten Reichtum der<lb/> Natur an merkwürdigen Geſtalten, und in jeder zeigt<lb/> ſich die Weisheit der unendlichen Uremſe. Der Menſch,<lb/> dieſes rieſige, täppiſche Tier, wie gefährlich wäre er<lb/> unſeren Staaten, wenn er bei ſeiner zweifelloſen Jn-<lb/> telligenz zugleich die idealen Triebe der Ameiſe beſäße!<lb/> So aber begnügt er ſich mit der Anbetung ſeiner blanken<lb/> Götzen und ſein ganzes Streben iſt darauf gerichtet,<lb/> möglichſt viele derſelben anzuhäufen. Und dies nicht<lb/> etwa für die Gemeinſchaft, ſondern ein jeder ſorgt nur<lb/> für ſich; eben hier zeigt ſich die Weisheit des Schöpfers,<lb/> daß er die Kräfte dieſer gefährlichen Rieſen zerſplittert<lb/> und ſie zu einem Kampfe des einzelnen gegen den ein-<lb/> zelnen antreibt. Wie dankbar müſſen wir ſein, daß<lb/> wir als Ameiſen ausgekrochen ſind!</p><lb/> <p>Mit derartigen Gedanken war ich beſchäftigt, als<lb/> wir plötzlich eine gewaltige Erſchütterung des ganzen<lb/> Baus verſpürten. An einer Stelle drang das Tages-<lb/> licht ein. Die Arbeiter ſtürzten ſich auf die Larven und<lb/> Puppen, um ſie in Sicherheit zu bringen, während wir<lb/> Führer zur Abwehr des Angriffs hinauseilten. Wir<lb/> bemerkten, daß ein Menſch mit einem Baume — ſie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0093]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Puppenſonne 11.
Ein bewegter Tag. Die Arbeiter waren damit be-
ſchäftigt, unſern diesjährigen Erſtlingen beim Auskriechen
behilflich zu ſein. Während ſie ihnen die Puppenhülſen
aufbiſſen und abzogen, ſaß ich wieder über meinem Sſrr,
dem großen Erforſcher der Menſchen, den ich mehr und
mehr verehren lerne. Hat er uns doch eine neue Welt
eröffnet, einen Blick in den ungeahnten Reichtum der
Natur an merkwürdigen Geſtalten, und in jeder zeigt
ſich die Weisheit der unendlichen Uremſe. Der Menſch,
dieſes rieſige, täppiſche Tier, wie gefährlich wäre er
unſeren Staaten, wenn er bei ſeiner zweifelloſen Jn-
telligenz zugleich die idealen Triebe der Ameiſe beſäße!
So aber begnügt er ſich mit der Anbetung ſeiner blanken
Götzen und ſein ganzes Streben iſt darauf gerichtet,
möglichſt viele derſelben anzuhäufen. Und dies nicht
etwa für die Gemeinſchaft, ſondern ein jeder ſorgt nur
für ſich; eben hier zeigt ſich die Weisheit des Schöpfers,
daß er die Kräfte dieſer gefährlichen Rieſen zerſplittert
und ſie zu einem Kampfe des einzelnen gegen den ein-
zelnen antreibt. Wie dankbar müſſen wir ſein, daß
wir als Ameiſen ausgekrochen ſind!
Mit derartigen Gedanken war ich beſchäftigt, als
wir plötzlich eine gewaltige Erſchütterung des ganzen
Baus verſpürten. An einer Stelle drang das Tages-
licht ein. Die Arbeiter ſtürzten ſich auf die Larven und
Puppen, um ſie in Sicherheit zu bringen, während wir
Führer zur Abwehr des Angriffs hinauseilten. Wir
bemerkten, daß ein Menſch mit einem Baume — ſie
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