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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Aus dem Tagebuche einer Ameise.
daß mein guter Freund Klx ein Männchen ist, in
wenigen Tagen ist es mit ihm vorbei. Wäre er als
Führer ausgekrochen, so hätte etwas aus ihm werden
können; für ein Männchen macht er sich viel zu viel
Gedanken. Es scheint wirklich, als wären wir alle
schon ein wenig angesteckt von der Zerfahrenheit und
Unbefriedigung der Menschen. So fragte mich Klx,
warum er nach der Hochzeit sterben müsse. Dumme
Frage! Weil er dann nichts mehr nutze ist. Gewiß
hat er einmal etwas von dem sogenannten Selbstzweck
gehört, auf den sich die Menschen etwas einbilden.
Und was dann aus ihm würde? Ob es wahr wäre,
daß er in die Erde komme, in den großen Ameisenstock,
wo es nur Führer gibt und keinen Winter? Und ob
im nächsten Jahre und dann immer wieder es Männchen
geben würde? Und ob hinter dem Walde noch andere Wälder
und darin Ameisen und immer wieder Ameisen wären?
Und warum es so viele gebe, wenn sie doch nie mit-
einander Krieg führen und Puppen erbeuten könnten?
Es sei oft ein seltsames Gefühl in ihm, wenn er daran
denke, daß alles Dies wäre und geschähe und vorwärts-
ginge, gleichviel, ob er davon wisse oder nicht, und
daß es so garnicht auf ihn ankäme und er doch seine
Flügel und Fühler habe und seines Lebens sich freue.
Jch sagte ihm, das fühle freilich ein jeder, aber man
dürfe davon nicht reden, weil sich durch keine Worte
sagen lasse, was das Ameisenherz in sich erlebt, und
wenn er es andern übertasten wolle, so werde es
etwas ganz andres werden, als er in sich fühle, und

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
daß mein guter Freund Klx ein Männchen iſt, in
wenigen Tagen iſt es mit ihm vorbei. Wäre er als
Führer ausgekrochen, ſo hätte etwas aus ihm werden
können; für ein Männchen macht er ſich viel zu viel
Gedanken. Es ſcheint wirklich, als wären wir alle
ſchon ein wenig angeſteckt von der Zerfahrenheit und
Unbefriedigung der Menſchen. So fragte mich Klx,
warum er nach der Hochzeit ſterben müſſe. Dumme
Frage! Weil er dann nichts mehr nutze iſt. Gewiß
hat er einmal etwas von dem ſogenannten Selbſtzweck
gehört, auf den ſich die Menſchen etwas einbilden.
Und was dann aus ihm würde? Ob es wahr wäre,
daß er in die Erde komme, in den großen Ameiſenſtock,
wo es nur Führer gibt und keinen Winter? Und ob
im nächſten Jahre und dann immer wieder es Männchen
geben würde? Und ob hinter dem Walde noch andere Wälder
und darin Ameiſen und immer wieder Ameiſen wären?
Und warum es ſo viele gebe, wenn ſie doch nie mit-
einander Krieg führen und Puppen erbeuten könnten?
Es ſei oft ein ſeltſames Gefühl in ihm, wenn er daran
denke, daß alles Dies wäre und geſchähe und vorwärts-
ginge, gleichviel, ob er davon wiſſe oder nicht, und
daß es ſo garnicht auf ihn ankäme und er doch ſeine
Flügel und Fühler habe und ſeines Lebens ſich freue.
Jch ſagte ihm, das fühle freilich ein jeder, aber man
dürfe davon nicht reden, weil ſich durch keine Worte
ſagen laſſe, was das Ameiſenherz in ſich erlebt, und
wenn er es andern übertaſten wolle, ſo werde es
etwas ganz andres werden, als er in ſich fühle, und

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[114/0120] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. daß mein guter Freund Klx ein Männchen iſt, in wenigen Tagen iſt es mit ihm vorbei. Wäre er als Führer ausgekrochen, ſo hätte etwas aus ihm werden können; für ein Männchen macht er ſich viel zu viel Gedanken. Es ſcheint wirklich, als wären wir alle ſchon ein wenig angeſteckt von der Zerfahrenheit und Unbefriedigung der Menſchen. So fragte mich Klx, warum er nach der Hochzeit ſterben müſſe. Dumme Frage! Weil er dann nichts mehr nutze iſt. Gewiß hat er einmal etwas von dem ſogenannten Selbſtzweck gehört, auf den ſich die Menſchen etwas einbilden. Und was dann aus ihm würde? Ob es wahr wäre, daß er in die Erde komme, in den großen Ameiſenſtock, wo es nur Führer gibt und keinen Winter? Und ob im nächſten Jahre und dann immer wieder es Männchen geben würde? Und ob hinter dem Walde noch andere Wälder und darin Ameiſen und immer wieder Ameiſen wären? Und warum es ſo viele gebe, wenn ſie doch nie mit- einander Krieg führen und Puppen erbeuten könnten? Es ſei oft ein ſeltſames Gefühl in ihm, wenn er daran denke, daß alles Dies wäre und geſchähe und vorwärts- ginge, gleichviel, ob er davon wiſſe oder nicht, und daß es ſo garnicht auf ihn ankäme und er doch ſeine Flügel und Fühler habe und ſeines Lebens ſich freue. Jch ſagte ihm, das fühle freilich ein jeder, aber man dürfe davon nicht reden, weil ſich durch keine Worte ſagen laſſe, was das Ameiſenherz in ſich erlebt, und wenn er es andern übertaſten wolle, ſo werde es etwas ganz andres werden, als er in ſich fühle, und

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/120>, abgerufen am 21.11.2024.