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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Mylord Derby
an
seinen Freund.

Verwünscht seyst du mit deinen Vorher-
sagungen; was hattest du sie in meine
Liebesgeschichte zu mengen? Meine Be-
zauberung würde nicht lange dauern,

sagtest du! wie zum Henker konnte dein
Dummkopf dieses in Paris sehen, und ich
hier so ganz verblendet seyn? -- Aber Kerl,
du hast doch nicht ganz recht! Du sprachst
von Sättigung; diese hab' ich nicht, und
kann sie nicht haben, weil mir noch viel
von der Jdee des Genusses fehlt; und den-
noch kann ich sie nicht mehr sehen! -- Mei-
ne Sternheim, meine eigene Lady nicht
mehr sehen! Sie, die ich fünf Monate lang
bis zum Unsinn liebte! Aber ihr Verhäng-
niß hat mein Vergnügen, und ihre Gesin-
nungen gegen einander gestellt; mein Herz
wankte zwischen beyden; sie hat die Macht
der Gewohnheit miskannt; sie hat die feu-
rigen Umarmungen ihres Liebhabers bloß
mit der matten Zärtlichkeit einer frostigen

Ehe-

Mylord Derby
an
ſeinen Freund.

Verwuͤnſcht ſeyſt du mit deinen Vorher-
ſagungen; was hatteſt du ſie in meine
Liebesgeſchichte zu mengen? Meine Be-
zauberung wuͤrde nicht lange dauern,

ſagteſt du! wie zum Henker konnte dein
Dummkopf dieſes in Paris ſehen, und ich
hier ſo ganz verblendet ſeyn? — Aber Kerl,
du haſt doch nicht ganz recht! Du ſprachſt
von Saͤttigung; dieſe hab’ ich nicht, und
kann ſie nicht haben, weil mir noch viel
von der Jdee des Genuſſes fehlt; und den-
noch kann ich ſie nicht mehr ſehen! — Mei-
ne Sternheim, meine eigene Lady nicht
mehr ſehen! Sie, die ich fuͤnf Monate lang
bis zum Unſinn liebte! Aber ihr Verhaͤng-
niß hat mein Vergnuͤgen, und ihre Geſin-
nungen gegen einander geſtellt; mein Herz
wankte zwiſchen beyden; ſie hat die Macht
der Gewohnheit miskannt; ſie hat die feu-
rigen Umarmungen ihres Liebhabers bloß
mit der matten Zaͤrtlichkeit einer froſtigen

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[34/0040] Mylord Derby an ſeinen Freund. Verwuͤnſcht ſeyſt du mit deinen Vorher- ſagungen; was hatteſt du ſie in meine Liebesgeſchichte zu mengen? Meine Be- zauberung wuͤrde nicht lange dauern, ſagteſt du! wie zum Henker konnte dein Dummkopf dieſes in Paris ſehen, und ich hier ſo ganz verblendet ſeyn? — Aber Kerl, du haſt doch nicht ganz recht! Du ſprachſt von Saͤttigung; dieſe hab’ ich nicht, und kann ſie nicht haben, weil mir noch viel von der Jdee des Genuſſes fehlt; und den- noch kann ich ſie nicht mehr ſehen! — Mei- ne Sternheim, meine eigene Lady nicht mehr ſehen! Sie, die ich fuͤnf Monate lang bis zum Unſinn liebte! Aber ihr Verhaͤng- niß hat mein Vergnuͤgen, und ihre Geſin- nungen gegen einander geſtellt; mein Herz wankte zwiſchen beyden; ſie hat die Macht der Gewohnheit miskannt; ſie hat die feu- rigen Umarmungen ihres Liebhabers bloß mit der matten Zaͤrtlichkeit einer froſtigen Ehe-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/40>, abgerufen am 21.12.2024.