Unglück zu geben! -- Meine Emilia werd' ich umarmen, meine Unterthanen sehen! O glückliche, selige Aussichten! Mein lie- ber Lord Seymour sucht seinem Bruder nachzufolgen; in allem fragt er Jhn -- und mit wie vieler zärtlicher Erkenntlichkeit sehe ich Lord Richs Bemühung um meine Glückseligkeit, indem er alles versucht, den ungleichen und oft reissenden Lauf von Seymours Charakter ins gleiche und sanfte zu ändern. Er ist, sagt er, ein schöner aber stark rauschender Bach, der im Grund eine Menge reiner Goldkörner führt.
Lord Rich an Doctor T.
Jch komme vom Altar, wo mein Bruder eine ewige Verbindung, und ich eine ewige Freyheit meiner Hand geschworen. Jch gab ihm jene Hand, die mein Herz sich lange wünschte, und von deren Mitwer- bung ich abstund, weil ich mehr Stärke in mir fühlte einen Verlust zu ertragen ais er hat. Es war die Seele, die Ge- sinnungen der Lady Seymour, die ich
liebte.
Ungluͤck zu geben! — Meine Emilia werd’ ich umarmen, meine Unterthanen ſehen! O gluͤckliche, ſelige Ausſichten! Mein lie- ber Lord Seymour ſucht ſeinem Bruder nachzufolgen; in allem fragt er Jhn — und mit wie vieler zaͤrtlicher Erkenntlichkeit ſehe ich Lord Richs Bemuͤhung um meine Gluͤckſeligkeit, indem er alles verſucht, den ungleichen und oft reiſſenden Lauf von Seymours Charakter ins gleiche und ſanfte zu aͤndern. Er iſt, ſagt er, ein ſchoͤner aber ſtark rauſchender Bach, der im Grund eine Menge reiner Goldkoͤrner fuͤhrt.
Lord Rich an Doctor T.
Jch komme vom Altar, wo mein Bruder eine ewige Verbindung, und ich eine ewige Freyheit meiner Hand geſchworen. Jch gab ihm jene Hand, die mein Herz ſich lange wuͤnſchte, und von deren Mitwer- bung ich abſtund, weil ich mehr Staͤrke in mir fuͤhlte einen Verluſt zu ertragen ais er hat. Es war die Seele, die Ge- ſinnungen der Lady Seymour, die ich
liebte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0296"n="290"/>
Ungluͤck zu geben! — Meine Emilia werd’<lb/>
ich umarmen, meine Unterthanen ſehen!<lb/>
O gluͤckliche, ſelige Ausſichten! Mein lie-<lb/>
ber Lord Seymour ſucht ſeinem Bruder<lb/>
nachzufolgen; in allem fragt er Jhn —<lb/>
und mit wie vieler zaͤrtlicher Erkenntlichkeit<lb/>ſehe ich Lord Richs Bemuͤhung um meine<lb/>
Gluͤckſeligkeit, indem er alles verſucht,<lb/>
den ungleichen und oft reiſſenden Lauf von<lb/>
Seymours Charakter ins gleiche und ſanfte<lb/>
zu aͤndern. Er iſt, ſagt er, ein ſchoͤner<lb/>
aber ſtark rauſchender Bach, der im Grund<lb/>
eine Menge reiner Goldkoͤrner fuͤhrt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Lord Rich an Doctor T.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch komme vom Altar, wo mein Bruder<lb/>
eine ewige Verbindung, und ich eine ewige<lb/>
Freyheit meiner Hand geſchworen. Jch<lb/>
gab ihm jene Hand, die mein Herz ſich<lb/>
lange wuͤnſchte, und von deren Mitwer-<lb/>
bung ich abſtund, weil ich mehr Staͤrke<lb/>
in mir fuͤhlte einen Verluſt zu ertragen<lb/>
ais er hat. Es war die Seele, die Ge-<lb/>ſinnungen der Lady Seymour, die ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">liebte.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[290/0296]
Ungluͤck zu geben! — Meine Emilia werd’
ich umarmen, meine Unterthanen ſehen!
O gluͤckliche, ſelige Ausſichten! Mein lie-
ber Lord Seymour ſucht ſeinem Bruder
nachzufolgen; in allem fragt er Jhn —
und mit wie vieler zaͤrtlicher Erkenntlichkeit
ſehe ich Lord Richs Bemuͤhung um meine
Gluͤckſeligkeit, indem er alles verſucht,
den ungleichen und oft reiſſenden Lauf von
Seymours Charakter ins gleiche und ſanfte
zu aͤndern. Er iſt, ſagt er, ein ſchoͤner
aber ſtark rauſchender Bach, der im Grund
eine Menge reiner Goldkoͤrner fuͤhrt.
Lord Rich an Doctor T.
Jch komme vom Altar, wo mein Bruder
eine ewige Verbindung, und ich eine ewige
Freyheit meiner Hand geſchworen. Jch
gab ihm jene Hand, die mein Herz ſich
lange wuͤnſchte, und von deren Mitwer-
bung ich abſtund, weil ich mehr Staͤrke
in mir fuͤhlte einen Verluſt zu ertragen
ais er hat. Es war die Seele, die Ge-
ſinnungen der Lady Seymour, die ich
liebte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/296>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.